Bruder Brahim II. Michael Ibrahim
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Im Jahre 1968 wurde der Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, dem nach und nach mehr Staaten beitraten, allerdings scherten sich auch einige neue inoffizielle Atommächte, wie beispielsweise Israel, gar nicht um die Bestimmungen dieses Vertrags. Im Dezember 1987 Unterzeichneten Michail Gorbatschow und Ronald Reagan feierlich den INF-Vertrag, der den Einsatz von atomaren Mittelstrecken regelte und begrenzte und eine Phase der Entspannung für Europa einläutete. Den Grund hierfür fand ich kürzlich in der Islamischen Zeitung in ihrer 291. Ausgabe direkt auf der Titelseite [10]:
Der Konflikt zwischen den USA und der UdSSR war an einen toten Punkt gekommen. Die Demonstrationen in Ostberlin hätten nur unter Einsatz der Roten Armee beendet werden können, was vermutlich doch noch einen Atomkrieg zwischen den Supermächten ausgelöst hätte, oder indem sich die Rote Armee zurückzog und damit die Staatsführung der DDR entblößte, wofür sich Gorbatschow dann entschied.
Leider ging im Jahre 1990 jedoch nur der Kalte Krieg zu Ende, jedoch nicht der Ost-West-Konflikt. […] Dieser konnte jedoch nicht mehr entlang des Eisernen Vorhangs fortgesetzt werden, ohne in einen dritten Weltkrieg zu münden, der diese Menschenwelt wahrscheinlich ausgelöscht hätte. Also wurde er in den Nahen Osten verlagert und dort asymmetrisch fortgesetzt. […] Da Amerika aber schlecht der Welt öffentlich sagen konnte, dass der Konflikt mit der UdSSR in die nächste Runde ging, erfand man als Vorwand den Islam als Bedrohung.
Seither jagen sich nun die USA und Russland gegenseitig im Nahen Osten und suchen sich ihre Verbündeten in der arabischen Welt, sei es in Afghanistan, Irak oder in Syrien. Die Staaten selbst und ihre muslimischen Verbündeten waren und sind derzeit leider untereinander sehr zerstritten und wirtschaftlich nicht stark genug, um ein Gegengewicht zu bilden, aber ihr Tag wird kommen, so Gott will.
Der Islamische Staat allerdings, auch wenn das immer durch seine Propaganda erklärt wurde, verdient aus meiner Sicht nicht diesen Namen, denn es war eine brutale Diktatur von versprengten und wütenden Kämpfern aus Milizen-Armeen, welche in den Jahren zuvor durch die Fehler der Amerikaner im Afghanistan- und Irak-Krieg aufgescheucht worden waren. Seine Herrschaft basierte nicht auf den fünf islamischen Grundprinzipien, so wie ich sie kennengelernt habe.5 Dennoch hofft die islamische Welt auf eine Einigung zwischen Schiiten und Sunniten und ein gemeinsames friedliches Vorgehen gegen die Hegemonialmächte, vor allem gegen den ungebremsten Kapitalismus und sein Zinssystem, der sich wie ein Krebsgeschwür nunmehr auch in der islamischen Welt breit macht, wo fairer Handel immer eine ganz besondere Bedeutung hatte.
Das Misstrauen zwischen den Supermächten wächst derzeit wieder und die Spannungen steigen bis hin zu offenen Drohungen. Der INF-Vertrag wurde unter Präsident Trump Ende 2018 von den USA gekündigt, so dass der Wahnsinn des Wettrüstens erneut losgehen kann. Beide Supermächte beschuldigen sich gegenseitig der Verletzung dieses Vertrags. In Kapitel 4 werde ich darlegen, dass auch die NATO daran nicht unschuldig war.
Aus der Sicht meiner Generation ist nicht nur der Einsatz der Atomwaffen an sich, sondern auch die ungeheure Vernichtung von Steuergeldern völlig inakzeptabel. Hinzu kommt die Tatsache, dass allein schon die Vorbereitung von kriegerischen Aktivitäten eine enorme Ressourcenverschwendung und Umweltbelastung ist. Wie werden kommende Generationen wohl über unser Zeitalter urteilen? Werden sie uns als verantwortungslose Primitivlinge bezeichnen? Wie kann man dieses Paradigma Frieden durch gegenseitige Abschreckung nur durchbrechen? Ist das wirklich das, was wir unter Frieden verstehen - dass keiner den Knopf zur Vernichtung drückt, oder sehnen wir uns nicht nach mehr?
1.5 Religiöse Kriege
Immer wieder äußern atheistische Schüler und Kollegen, dass es ohne die Religionen auf der Welt nahezu keine Kriege gäbe. Erst die Religionen würden die Menschen so richtig gegeneinander aufhetzen, dass sie bereit seien, sich gegenseitig abzuschlachten. Ich argumentiere dann, dass dieses Phänomen nicht auf Religionen begrenzt ist, sondern auf jede Art von geschlossenen Weltbildern. Es tritt immer dann auf, wenn man flammender Anhänger eines Ismus, wie beispielsweise des Kommunismus, Nationalsozialismus, Islamismus, Kapitalismus oder neuerdings auch des Oko-Faschismus ist. Das Problem dabei ist die Geschlossenheit des Weltbilds mit seinen unverrückbaren Dogmen und der Schwarz-Weiß-Malerei, die damit einhergeht. Dies ist der Nährboden der Kette der Gew:
Wir machen es richtig und ihr macht es falsch! Wie könnt ihr nur so leben? Das macht mich sehr wütend. Ihr seid minderwertig! Ändert euch, oder wir müssen euch zwingen, notfalls euch eliminieren!
Dieses Schema ist immer wieder in der Geschichte zu beobachten von den Kreuzzügen des Christentums bis hin zu den Feldzügen des Islamischen Staates. Sie entspringt, wie ich später zeigen werde, einem bestimmten Bewusstseinszustand. Im Islam ist der Verteidigungskrieg erlaubt, nicht aber der Expansionskrieg. Aus den Anweisungen Jesu sind kriegerische Handlungen wohl kaum zu rechtfertigen, denn der Meister gab in der angespannten Situation im Garten Gethsemane Mt 26,52 eine ganz eindeutige Anweisung an seinen Jünger:
Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.
Trotz der eindeutig pazifistischen Haltung Jesu finden sich sehr viele brutale Anweisungen in der Bibel, vor allem im Alten Testament. Das Thema Gewalt in der Bibel wurde im Katholizismus seit dem 2. Vatikanischen Konzil und im Protestantimus sogar schon früher untersucht. Zuvor war es tabu, die Bibel derart zu kritisieren. Eine gute Übersicht der kritischen Stellen gibt ein Wikipedia-Artikel zu diesem Thema, aber wenn man nach grausamen Bibelzitaten im Internet sucht, findet man diese in großer Zahl. Das Gleiche gilt auch für den Quran, der viele historische Bezüge hat und sogar zu kriegerischen Handlungen aufruft, von denen sich der Islam heute deutlich distanzieren sollte.6 Die Gedankenkette der Gewalt mit dem Absoluten zu verknüpfen hat zu großen Kriegen geführt.
Deshalb dürfen wir die Ausübung von Gewalt niemals religiös begründen!
Dies fügt der Religion einen großen Schaden zu, ja macht sie gänzlich unglaubwürdig. Doch man muss nicht immer nur den Islam bemühen, um diesbezügliche Negativbeispiele zu finden. Der mit der goldenen Palme ausgezeichnete Film Das weiße Band [11] stellt in erschreckender Weise die gewalttätige Erziehung in einer typischen protestantischen Bauernfamilie im 19. Jh. dar. Der Betrachter ist geschockt am Ende und stellt sich die konkrete Frage:
Was macht gerade religiöse Menschen so wütend, dass sie bereit wären, andere zu quälen und sogar umzubringen?
Meine These ist: Es passiert durch Handlungen oder Äußerungen, die das Paradigma, also das Weltbild und Glaubenssystem des anderen in seinen Grundfesten erschüttern.
Kinder tun das oft, weil sie noch gar kein Paradigma haben. Aber auch Erwachsene, die ein anderes Paradigma haben, können durch ihre Handlungen und Äußerungen den Zorn anderer Menschen derart auf sich ziehen. Es gibt viele Beispiele hierfür in der Geschichte:
Der Mönch Giordano Bruno war Pantheist und Panpsychist, d.h. er nahm das Göttliche in der ganzen Schöpfung wahr und sah die ganze Schöpfung als beseelt an und jedes einzelne Teilchen mit Bewusstsein ausgestattet. Er lehrte, dass das Universum unendlich sei und bestätigte das 1543 veröffentlichte heliozentrische Weltbild des Kopernikus. Für Muslime interessant ist noch, dass er betonte, dass Jesus nicht der Sohn Gottes sei und dass er auch andere Planeten besucht habe. Nachdem er aus Italien geflohen war und in Deutschland auch in Marburg, Wittenberg und in Frankfurt gelehrt hatte, kehrte er schließlich nach Padua in Italien zurück. Dort wurde er dann aber als Ketzer verurteilt und 1600 auf einem Scheiterhaufen in Rom verbrannt. Sein Lehrstuhl in Padua ging danach an Galilei Galileo, der schließlich seinen berühmten Spruch „Und sie dreht sich doch!“ mithilfe der Beobachtungsdaten seines neuerworbenen Fernrohres beweisen konnte.