Bruder Brahim II. Michael Ibrahim
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Auf sowjetischer Seite arbeitete ein Team um Andrei Sacharow an der Entwicklung der Wasserstoff-Fusionsbomben, so dass 1953 die erste Bombe gezündet werden konnte. Er war überzeugt, dass nur ein nukleares Gleichgewicht die Zerstörung unseres Planeten noch verhindern konnte. Doch schon 1955 setzte bei ihm ein Umdenken ein. Währenddessen waren die US-Militärs immer noch besessen von der Idee, die Sowjetunion zu bezwingen. Sacharow wollte, dass die Kernwaffentests möglichst schnell eingestellt werden, weil sie eine große Zahl an Menschenleben gefährdeten. Er hatte verstanden, wie das alles ein Ende haben könnte. Deshalb arbeitete er an der größten Wasserstoff-Fusionsbombe mit, die jemals auf der Welt gezündet wurde, an der RDS-220, Kosename Zar-Bombe. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Nikita Chruschtschow, wollte die Amerikaner mit einer transportablen 100 Megatonnen-Bombe zur Demut zwingen, damit klar wäre, dass die Sowjetunion in der Lage wäre, Washington DC komplett auszuradieren. Doch Sacharow gelang es, Chruschtschow zu überzeugen, die Sprengkraft auf unter 60 Megatonnen zu begrenzen.
Am 30. Oktober 1961 detonierte dieses Höllenfeuer in vier Kilometern Höhe über der Insel Nowaja Semlja in der Barentsee im nördlichen Polarkreis. Die Sprengkraft entsprach fast 3800 Hiroshima-Bomben! Die Druckwelle erreichte 5,0 auf der Richterskala und es entstand ein Atompilz mit 64 Kilometern Höhe. Bis auf die Verseuchung mit radioaktivem Fallout wurde aber kein Mensch in Gefahr gebracht. Die Amerikaner waren geschockt über die militärischen Fähigkeiten der Russen und testeten nur noch kleinere Atombomben. In den Jahren darauf stiegen auch China, Indien, Frankreich, Großbritannien, Pakistan und Nordkorea und Israel zu Atommächten auf.
In den 80ern herrschte deshalb die Angst vor einem nuklearen Krieg vor. Die beiden Supermächte hatten nun Atomwaffen mit einer Gesamtsprengkraft von 800.000 Hiroshima-Bomben und waren seit diesem Zeitpunkt in der Lage, mehrfach die Menschheit auszuradieren [8]. Die Angst vor diesem Höllenfeuer zwang zur Demut und schreckte jede Seite vor einem unüberlegten Angriff ab. Die Militärs verschwiegen der Bevölkerung die ungeheure Strahlenbelastung durch die zahlreichen Atomwaffentests, die die USA und die UdSSR damals durchgeführt hatten, um ihre Waffenarsenale weiterzuentwickeln. Das war uns als Kindern alles nicht bekannt, sonst wäre ich wahrscheinlich schon damals depressiv geworden.
Als im Jahre 1986 der Atomreaktor im ukrainischen Tschernobyl außer Kontrolle geriet und ausbrannte, informierten die Medien zwar darüber, aber das Wissen der Bevölkerung über solche Umweltkatastrophen war unzureichend. Diese wichtigen Katastrophen dürfen aber nicht in Vergessenheit geraten, weshalb ich im Physikunterricht die historischen Hintergründe genau recherchieren lasse. Wütend macht mich als Physiker die aktuelle pauschale Verurteilung der Kernenergie in Deutschland. Die Atombomben, unzähligen oberirdischen Atomwaffentests sowie auch der fahrlässig herbeigeführte GAU in Tschernobyl sind ein Beleg dafür, mit wie wenig Ehrfurcht manche Menschen die Schöpfung behandeln. Die Kernenergie selbst ist in meinen Augen aber eine wichtige Ubergangstechnologie, die es vor allem den noch unterentwickelten Staaten ermöglichen würde, große Energiemengen zur Verfügung zu stellen, ohne fossile Brennstoffe verwenden zu müssen. Allerdings sind Länder der Dritten Welt meist von Korruption und fehlendem Vertrauen geplagt, so dass ein geregelter und sicherer Betrieb eine politische Herausforderung wäre. Allen Kritikern der Kernkraft sei gesagt: Ein Kohlekraftwerk emittiert mehr Radioaktivität in die Umwelt als ein im Regelfall betriebener Reaktor gleicher Leistung und dazu noch Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid. Deshalb sollten die Kohlekraftwerke vor den Atomkraftwerken abgeschaltet werden!
Dieser erste GAU hatte für uns Kinder zur Folge, dass wir ein paar Wochen nicht draußen im Sand spielen durften, keine Milch mehr trinken sollten und den Salat mehrmals wuschen, bevor wir ihn aßen. Das waren aus meiner heutigen Sicht als Physiker wohl eher Alibi-Maßnahmen. Die radioaktive Belastung war verglichen mit dem, was die Soldaten der USA und der UdSSR bei den Atomtests abbekommen hatten, geradezu lächerlich gering. Das radioaktive Iod 131 zerfiel zum Glück sehr schnell. Das ausgebrachte Cäsium 137 ist dank unserer äußerst empfindlichen Nachweismethoden bis heute noch in Wildschweinen und Pilzen nachweisbar, allerdings in unbedenklichen Dosen. Schon im Oktober 1962, also weit vor meiner Geburt, war die Welt während der Kuba-Krise auf ein Haar einem 3. Weltkrieg entgangen, der mit einer atomaren Auseinandersetzung zwischen den USA und den UdSSR begonnen hätte. Spätestens seit diesem Konflikt war der Welt klar, dass diese beiden Supermächte mit ihren so unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen, einer Demokratie mit einer freien Marktwirtschaft und der kommunistischen Diktatur mit ihrer Planwirtschaft, die beide ihre Vorteile und Probleme hatten, miteinander im erbitterten Widerstreit standen. Beide versuchten jeweils ihren Einfluss in der Welt auszudehnen und schrecken auch nicht davor zurück, mit Hilfe ihrer Geheimdienste Intrigen und Unruhen anzuzetteln, Umstürze herbeizuführen und Marionetten-Regierungen zu etablieren.
Am 26. September 1983, als ich 10 Jahre alt war, verhinderte allein ein vor einigen Jahren verstorbener russischer Soldat, nämlich Oberstleutnant Stanislaw J. Petrow, dass der 3. Weltkrieg ausbrach. In der Nacht zu jenem Tage hatten die Riesencomputer der UdSSR die empfangenen Satellitensignale ausgewertet und meldeten Alarmstufe Rot einen nuklearen Erstschlagnuklearer Erstschlag der USA! Für diesen Fall sah das Protokoll einen sofortigen nuklearen Gegenschlag vor, der zu einem nuklearen Inferno geführt hätte. Petrow verwunderte jedoch, dass das System einen Angriff von nur fünf Interkontinentalraketen meldete und schloss, dass es sich um einen Fehlalarm handeln müsse. Er weigerte sich, den Gegenschlag auszuführen, was kurzerhand zu seiner Verhaftung führte. Später stellte sich aber heraus, dass Reflexionen von Sonnenstrahlen in den Wolken von den Computern als Raketen klassifiziert worden waren. Für Petrow war es die schwierigste Entscheidung seines Lebens, aber seine Intuition hatte ihn nicht getäuscht und die Menschheit gerettet. Seine Heldentat wurde erst Jahrzehnte später bekannt und von der Öffentlichkeit mit Ehrungen bedacht, da sie bis dahin der Geheimhaltung unterlag. Die ganze Geschichte findet man in der Doku „Die größte Bombe der Welt“ [9].
Natürlich bekam ich als Kind von diesem militärischen Zwischenfall noch weniger mit als von dem Reaktorunglück in Tschernobyl. Es war ja zum Glück auch nichts passiert. Aber das atomare Wettrüsten ging weiter. Gab es im Jahrzehnt vor meiner Geburt auf beiden Seiten jeweils rund tausend atomare Sprengköpfe für diese Raketen, so wuchs die Anzahl in den 70er- und 80er-Jahren bis auf fast zwanzigtausend an. Der Wahnsinn gipfelte in dem von Ronald Reagan angekündigten SDI-Projekt, bei dem die USA das Ziel verfolgten, mit weltraumgestützten Laserwaffen feindliche Raketen und Satelliten abschießen zu können. Dieses Ziel war sowohl technisch als auch