Finite-Elemente-Methoden im Stahlbau. Matthias Krauß
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1.2 Verfahren zur Schnittgrößenermittlung
Bekanntlich können die Schnittgrößen in statisch bestimmten Systemen mithilfe von Gleichgewichtsbedingungen und Schnittprinzipien ermittelt werden. Dies ist bei statisch unbestimmten Systemen nicht möglich und man benötigt daher andere Lösungsverfahren, wie z. B. das Kraftgrößenverfahren, das das klassische Verfahren der Baustatik ist. Es ist für die Handrechnung gut geeignet und sehr anschaulich, da es dem ingenieurmäßigen Verständnis unmittelbar zugänglich ist. Der Nachteil ist jedoch, dass man für die unterschiedlichen baustatischen Systeme stets einen neuen Lösungsansatz entwickeln muss und es darüber hinaus für viele Aufgabenstellungen gänzlich ungeeignet ist.
Bild 1.1 zeigt als Beispiel einen einfach statisch unbestimmten Biegeträger. Beim Kraftgrößenverfahren muss daher eine unbekannte Kraftgröße bestimmt werden. Danach kann der Momentenverlauf unter Verwendung der Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden. Ausgangspunkt des Verfahrens ist stets die Wahl eines statisch bestimmten Hauptsystems. Da man dabei mehrere Möglichkeiten hat, sind die beiden Systeme in Bild 1.1 ausgewählte Beispiele. Allgemein werden drei Verfahren für die Schnittgrößenermittlung unterschieden:
• Kraftgrößenverfahren
• Weggrößenverfahren → FEM
• Übertragungsmatrizenverfahren → FEM
Während beim Kraftgrößenverfahren die Kraftgrößen die Unbekannten des entstehenden Gleichungssystems sind, sind es beim Weggrößenverfahren die Weggrößen, d. h. die Verschiebungen und Verdrehungen, weshalb es auch Verformungsgrößenverfahren genannt wird. Wenn man die baustatischen Systeme in finite Elemente (Stabelemente) einteilt, ist das Weggrößenverfahren in hervorragender Weise für eine verallgemeinerte Formulierung geeignet und daher universell in einem weiten Anwendungsbereich einsetzbar. Ingenieurmäßig anschaulich ist es nicht und es ist stark mathematisch-mechanisch ausgerichtet, weil häufig große Datenmengen zu verarbeiten und große Gleichungssysteme zu lösen sind. Dies hängt natürlich vom statischen System und der FE-Modellierung ab.
Bild 1.1 Unbekannte Größen beim Kraftgrößen-, Weggrößen- und Übertragungsmatrizenverfahren für ein ausgewähltes Beispiel
Bild 1.1 zeigt beispielhaft die Anwendung des Weggrößenverfahrens. Unbekannte Größen sind bei diesem Verfahren die Verformungsgrößen in den Knoten, d. h. beim untersuchten Biegeträger die Verschiebung w und die Verdrehung φ. Pro Knoten treten also zwei Unbekannte auf. Für das Beispiel ergeben sich dann unter Berücksichtigung der geometrischen Randbedingungen eine bzw. 19 Unbekannte. Bei der FE-Modellierung mit zehn Elementen treten relativ viele Unbekannte auf (19). Vorteilhaft ist dabei aber, dass keine weiteren Handrechnungen erforderlich sind, weil verfahrensbedingt alle Zustandsgrößen (Biegemomente, Querkräfte, Durchbiegungen, Verdrehungen) in den Knoten, d. h. praktisch im gesamten Träger, berechnet werden.
Aufgrund des numerischen Aufwandes ist die weite Verbreitung der FEM unter Verwendung des Weggrößenverfahrens eng mit der stürmischen Entwicklung leistungsfähiger Computer verbunden. Noch bis etwa 1985 war es eine wichtige Aufgabe, Tragwerke so durch finite Elemente zu modellieren, dass der begrenzte Speicherplatz ausreichte und Rechenzeiten nicht ausuferten. Heutzutage sind derartige Überlegungen nur noch bei außergewöhnlichen Tragwerken und Berechnungen von Bedeutung. Andererseits stellt man häufig bei statischen Berechnungen fest, dass mit übertrieben feinen FE-Modellierungen oder ungeeigneten finiten Elementen „überflüssig viel Papier erzeugt wird“. Wie Bild 1.1 zeigt, kann es durchaus sinnvoll sein, Einfeldträger mit einem FEM-Programm zu berechnen, weil vom Programm direkt alle Größen für die erforderlichen Nachweise ermittelt werden und man mit geringem Aufwand die entsprechenden Seiten für die statische Berechnung ausdrucken kann.
Als drittes Verfahren ist in der obigen Aufzählung das Übertragungsmatrizenverfahren aufgeführt. Es wird auch Reduktionsverfahren genannt und eignet sich für durchgehende Stabzüge, wie z. B. Durchlaufträger. Unbekannte des entstehenden Gleichungssystems sind die unbekannten Schnitt- und Weggrößen am Beginn des Stababzuges (siehe auch Bild 1.1), so dass sich bei Stäben maximal sieben Unbekannte ergeben. Entsprechend gering ist der Bedarf an Speicherplatz und Rechenzeit. Man hat mit dem Übertragungsmatrizenverfahren früher häufig Vollwandträgerbrücken bemessen, da sich selbst bei Durchlaufträgern über mehrere Felder nur zwei Unbekannte ergeben (Hauptträger, Abtragung der Vertikallasten). EDV-Programme, die dieses Verfahren verwenden, sind heutzutage selten. Es findet sich aber teilweise in aktuellen FEM-Programmen für Stäbe und Stabwerke, wobei jedoch zuerst mit einer relativ groben Einteilung in finite Elemente nach dem Weggrößenverfahren gerechnet wird. Anschließend werden die einzelnen Stäbe meist in fünf bis zehn Elemente aufgeteilt und detaillierter mit dem Übertragungsmatrizenverfahren untersucht. Weitere Einzelheiten zu diesem Verfahren finden sich in Abschnitt 3.13.
1.3 Elementtypen und Anwendungsbereiche
Bei Berechnungen mit der FEM werden Tragwerke durch möglichst zutreffende baustatische Systeme (Stabwerke, Platten, Scheiben usw.) idealisiert und dann in geeigneter Weise in finite Elemente eingeteilt, s. Bild 1.3. Man unterscheidet:
Bild 1.2 Elementtypen und mögliche Knotenfreiwerte
Bild 1.3 Beispiele zur Diskretisierung unterschiedlicher Problemstellungen des Stahlbaus mit finiten Elementen
• Linienelemente (gerade oder gekrümmt)
• Flächenelemente (eben oder gekrümmt)
• Volumenelemente (quaderförmig oder mit gekrümmten Oberflächen)
In Bild 1.2 sind entsprechende Elemente beispielhaft dargestellt. Sofern Stäbe oder Stabwerke untersucht werden, kann es in einigen Anwendungsfällen sinnvoll sein, die Stabquerschnitte mithilfe der FEM zu untersuchen.
Dabei werden je nach Aufgabenstellung