Finite-Elemente-Methoden im Stahlbau. Matthias Krauß
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Die Unterschiede zwischen der geometrisch linearen und nichtlinearen Theorie werden mithilfe von Tabelle 1.3 erläutert. Bei der geometrisch nichtlinearen Theorie wird das Gleichgewicht am verformten System formuliert und es werden dabei große Verformungen berücksichtigt. Mit dieser Theorie erhält man genaue Lösungen, die aber auch einen hohen Rechenaufwand erfordern. Mit der geometrisch nichtlinearen Theorie können sehr große Verformungen zutreffend berechnet und beschrieben werden, die jedoch im Zusammenhang mit Baukonstruktionen schon aus Gründen der Gebrauchstauglichkeit i. A. nicht auftreten und daher in der Regel ohne Bedeutung sind. Im Stahlbau wird daher eine „Theorie II. Ordnung“ eingesetzt, die eine Näherung der geometrisch nichtlinearen Theorie darstellt. Dabei werden das Gleichgewicht am verformten System formuliert und aufgrund von Linearisierungen näherungsweise nur mäßige Verformungen berücksichtigt. Die Skizzen in Tabelle 1.3 vermitteln anschaulich die Unterschiede bei den Verformungen. Darüber hinaus werden mit den letzten Zeilen Hinweise für theoretische Grundlagen gegeben. Sie beschreiben, wie die Verzerrungen bestimmt werden, wobei Spannungen mit den „wirklichen Verzerrungen“ ermittelt werden und die „virtuellen Verzerrungen“ zur Formulierung der virtuellen Arbeit in den Abschnitten 2.4.2 und 4.3 dienen. Die Zusammenhänge zwischen linearen, linearisierten und nichtlinearen Beziehungen werden in Abschnitt 1.7 veranschaulicht.
Im Zusammenhang mit geometrisch nichtlinearen Berechnungen ist zu erwähnen, dass die Nachweise in den geltenden Vorschriften, wie z. B. DIN EN 1993-1-1, auf einer Linearisierung nach Theorie II. Ordnung basieren. Diese Näherung ist daher die Grundlage für die vorschriftengerechte Ermittlung von Verformungen, Schnittgrößen und Verzweigungslasten (Eigenwerten). In der Regel sind Berechnungen nach Theorie II. Ordnung im Hinblick auf baupraktische Anwendungsfälle ausreichend genau, da die Verformungen bei Tragwerken aus Stahl normalerweise relativ klein sind. In seltenen Ausnahmefällen können jedoch auch geometrisch nichtlineare Berechnungen erforderlich sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn große oder sogar sehr große Verformungen auftreten. Beispiele dazu sind Kunstwerke, die sich im Wind bewegen und bei denen sich die Einzelteile stark verformen.
Zusammenfassend soll hier Folgendes festgehalten werden:
• Nach wie vor wird die Nachweismethode 1 gemäß Tabelle 1.1 am häufigsten verwendet. Für die Systemberechnungen wird dabei linearelastisches Werkstoffverhalten angenommen, auf dieser Grundlage Schnittgrößen und Spannungen ermittelt und dann Spannungsnachweise geführt.
• Vermehrt kommt auch Nachweismethode 2 zum Einsatz, bei der die Tragfähigkeit bis zum Erreichen des ersten Fließgelenkes gesteigert werden kann.
• Bei stabilitätsgefährdeten Stahlkonstruktionen werden das geometrisch nichtlineare Problem linearisiert und die Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung berechnet. Diese Linearisierung wird auch bei der Ermittlung von Verzweigungslasten (Eigenwerten) verwendet.
1.5 Bezeichnungen und Annahmen
Im Folgenden werden Bezeichnungen und Annahmen zusammengestellt, die für Stabtragwerke benötigt werden. Teilweise gelten sie auch für Flächentragwerke und die FE-Untersuchung von Querschnitten. Zu diesen Themen werden in den Kapiteln 6 und 7 weitere Bezeichnungen und Annahmen ergänzt. Grundlage für die Bezeichnungen sind DIN 1080 und DIN EN 1993.
Größen im globalen X-Y-Z-Koordinatensystem
Stabtragwerke werden in Stabelemente eingeteilt, die in den Knoten miteinander verbunden sind. Gemäß Bild 1.2 können auch innerhalb der Stabelemente Knoten angeordnet werden (Zwischenknoten). Knoten werden im globalen X-Y-Z-Koordinatensystem (KOS) durch ihre Koordinaten Xk, Yk und Zk gemäß Bild 1.4 definiert. Darüber hinaus werden auf dieses KOS alle globalen Verformungs- und Lastgrößen in den Knoten bezogen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist der Index k bei diesen Größen in Bild 1.4 weggelassen worden.
Bild 1.4 Definition von Verformungs- und Lastgrößen im globalen X-Y-Z-Koordinatensystem
Die Verformungsgrößen im globalen KOS werden durch einen Querstrich gekennzeichnet, der über den Größen steht. Dieser Querstrich wird auch bei Vektoren und Matrizen verwendet, sofern sie für das globale KOS gelten.
Größen in lokalen x-y-z-Koordinatensystemen
Stabelemente werden auf lokale x-y-z-KOS bezogen und als Stabachse die x-Achse durch den Schwerpunkt S definiert. Die Achsen y und z sind die Hauptachsen des Querschnitts. Gemäß Bild 1.5 werden einige Verschiebungs- und Schnittgrößen auf den Schwerpunkt S und andere auf den Schubmittelpunkt M (y = yM, z = zM) bezogen. Für die Wölbkrafttorsion wird eine normierte Wölbordinate ω verwendet.
Bild 1.5 Stab im lokalen Koordinatensystem mit Verschiebungs- und Schnittgrößen
Koordinaten, Ordinaten und Bezugspunkte
x | Stablängsrichtung im lokalen KOS |
y, z | Hauptachsen in der Querschnittsebene (lokales KOS) |
ω | normierte Wölbordinate |
S | Schwerpunkt |
M | Schubmittelpunkt |
Verschiebungsgrößen
u, v, w | Verschiebungen in x-, y- und z-Richtung (lokales KOS) |
φx = ϑ | Verdrehung um die x-Achse |
φy ≅ −w′ | Verdrehung um die y-Achse |
φz ≅ −v′ | Verdrehung um die z-Achse |
ψ ≅ ϑ′ | Verdrillung der x-Achse |