Mit Killern darf man nicht handeln: 7 Strand Krimis. Conrad Shepherd
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„Das würde ich nicht so sehen. Schließlich habe ich Gott auf meiner Seite. Allerdings hat die Stiftung für einige ihrer Programme sehr viel an Geld aufbringen müssen und gleichzeitig gingen die Spendengelder zurück, sodass wir leider zu Sparmaßnahmen gezwungen waren.” Er beugte sich über den Tisch, nachdem er noch einen tiefen Schluck aus seinem Kaffeebecher genommen hatte. Er schien mich mit dem stechenden Blick einer tief liegenden Augen geradezu zu durchbohren, so intensiv sah er mich an. „Wissen Sie, was mich immer am meisten innerlich berührt, wenn es um Drogen geht?”
Ich hob die Augenbrauen. Die abrupte Veränderung des Tonfalls, in der mein Gegenüber sprach, irritierte mich etwas. „Was?”, fragte ich.
„Die Kinder. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?”
„Erklären Sie es mir.”
„Wissen Sie, ein Erwachsener kann tun und lassen, was er will. Jeder darf nach seinem Glück streben. Aber es ist leider nicht verboten, geradewegs sein Unglück zu suchen. Aber wenn jemand Kinder hat, dann richtet er nicht nur sich selbst zu Grunde, sondern zieht die Kleinsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft in diesen Dreck hinein. Bei allem Mitleid mit Ihrem Herrn Nöllemeyer oder wie nochmal sein Name auch gewesen sein mag. Aber ich denke, vor allem an seine Kinder. Und für die ist ein toter Vater vielleicht weniger bedrohlich als ein Drogensüchtiger.”
„Eine harte Aussage”, mischte sich Rudi ein.
Omienburg verzog das Gesicht zu dem besonderen, etwas schief wirkenden Lächeln, das für die Züge dieses Mannes einfach sehr charakteristisch war. „So hart wie die Wirklichkeit.” Sein Gesicht wirkte jetzt kantig und wurde von schroffen Linien durchzogen. Wie in Stein gemeißelt sah er aus und in diesen Zügen war eine Unerbittlichkeit zu erkennen, wie ich sie im ersten Moment von diesem freundlich wirkenden Mann nicht erwartet hätte. Es musste wohl eine Nebenwirkung seines Jobs sein, der ihn auf einzigartige Weise mit dem Leid von Drogenabhängigen und ihren direkten Angehörigen in Berührung brachte. „Das Kind eines Drogenabhängigen kann sich nicht gegen die traumatischen Umstände wehren, in die es hineingeboren wird”, fuhr Omienburg fort. „Aber das Trauma bleibt ein Leben lang. Die ersten Jahre sind prägend für alles, was danach kommt.” Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich könnte Ihnen da Dinge erzählen, die selbst Sie nicht hören wollen.”
„Sie hören doch sicher, was in der Szene so geredet wird”, meinte ich und wollte Omienburg damit wieder etwas näher an unser Thema heranbringen. Und das war noch immer in erster Linie die Frage, wer Friedhelm Nöllemeyer umgebracht hatte und weshalb das geschehen war.
„Natürlich. Und Sie können davon ausgehen, dass ich die Ohren immer offen habe - schon im Interesse unserer Arbeit.”
„Was wird über die Fälle mit dem falschen Kokain so gesagt, Gieselher?”, hakte ich nach. „Ich nehme an, dass die Leute, um die Sie sich kümmern, dazu eine Meinung haben.”
Omienburg lächelte verhalten. „Das glauben Sie wirklich? Da muss ich Sie enttäuschen. Denen ist das vollkommen gleichgültig. So wie ihnen auch alles andere in ihrem Leben immer gleichgültiger wird. Ihre Kinder zum Beispiel.”
„Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass es die Kokain-Konsumenten völlig kalt lässt, dass ihnen vielleicht jemand etwas ganz anderes unterjubelt”, stieß Rudi hervor.
„Für einen kurzen Moment hält vielleicht die Angst an, dass man selbst eines Tages davon betroffen sein könnte”, erklärte Omienburg. „Aber das ist schnell vorbei. Und es schreckt auch niemanden ab. Genauso wenig, wie es wirkt, wenn wir den Betroffenen Bilder von ruinierten Organen und erschreckende körperlichen Veränderungen zeigen, die durch manche Drogen bewirkt werden.”
16
Wir fuhren noch einmal zum Polizeipräsidium.
Ladberger war noch dort. Wir fanden ihn im Dienstzimmer von Hauptkommissar Gustavv. Beide wirkten ziemlich ratlos.
„Ich soll Ihnen von Ihrem Kollegen Kommissar Nesch etwas ausrichten”, sagte Herr Gustavv an uns gerichtet.
Ich goss mir einen Kaffee ein. „Und was?”
„Ein Informant hat sich bei ihm gemeldet. Er will ihn treffen und meint, das könnte die Wende bringen.”
„Was für eine Wende?”
„Na im Hinblick auf Kerimov! Dass wir den Sack endlich zumachen und den Kerl aus dem Verkehr ziehen können.”
„Wissen Sie, was das für ein Informant ist?”, fragte Rudi.
Sowohl Ladberger als auch der Kollege Gustavv schüttelten unisono den Kopf.
„Das soll jemand sein, den Nesch von früher kennt und der darauf besteht, sich nur mit ihm zu treffen”, sagte Herr Gustavv.
„Er hätte uns darüber informieren müssen”, sagte ich.
„Das hat er doch”, gab Gustavv zurück. „Durch uns. Er hat gesagt, er hätte versucht, Sie beide anzurufen, aber anscheinend waren Sie nicht erreichbar.”
Ich sah auf mein Smartphone. Es war keine eingegangenen Nachrichten und kein verpasster Anruf verzeichnet. Rudi sah mich an. Er hatte denselben Gedanken wie ich.
„Der wollte uns nicht erreichen”, meinte er. „Wahrscheinlich hat es ihm von Anfang an nicht gepasst, dass die Ermittlungen durch zwei BKA Kriminalinspektoren von außen geleitet werden.”
„Warten wir einfach mal ab, was dabei herauskommt”, meinte ich.
„Ganz so locker würde ich das nicht sehen”, ermahnte mich Rudi. „Wir werden mit Kommissar Nesch ein paar Takte reden müssen, nachdem er sich mit seinem Informanten getroffen hat.”
Mein Smartphone klingelte. Ich nahm das Gerät ans Ohr.
„Hallo Harry”, meldete sich Dr. Lin-Tai Gansenbrink, die Mathematikerin und IT-Spezialistin unseres Ermittlungsteam Erkennungsdiensts in Quardenburg. „Ich will jetzt zwar nicht behaupten, dass ich den Fall für Sie gelöst habe, aber ich bin auf ein paar Zusammenhänge gestoßen, die Sie vielleicht in Ihre Überlegungen mit einbeziehen sollten.”
„Dann schießen Sie los, was haben Sie herausgefunden?”
„Ich möchte Ihnen zunächst erklären, was ich überhaupt gemacht habe. Man könnte es mit einer Art Aktenstudium der bisherigen Todesfälle nennen. Allerdings eine spezielle Art von Aktenstudium, die sich von der Vorgehensweise jedes BKA-Ermittlers und jedes Polizisten auf der ganzen Welt mit Sicherheit ganz erheblich unterscheidet.”
Eigentlich interessierten mich mehr die Ergebnisse, zu denen Lin-Tai gelangt war und weniger der Weg dorthin. Aber Lin-Tai war und blieb eben Wissenschaftlerin. Und da ist die Gewichtung der Interessen manchmal eben genau umgekehrt.
„Vielleicht können Sie es kurz auf einen Nenner bringen”, schlug ich vorsichtig vor.
„Natürlich kann ich das. Aber ich glaube, um die Ergebnisse einzuschätzen, ist es absolut notwendig, dass Sie verstehen, was ich gemacht habe, Harry.”
„Verstehen ist in diesem