Physikalische Chemie. Peter W. Atkins
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Folglich ändert sich die Enthalpie bei der Expansion nicht.
Die Größe, die man in dem beschriebenen Experiment misst, ist das Verhältnis der Temperatur- zur Druckänderung, ΔT/Δp. Wenn wir die Bedingung konstanter Enthalpie einbeziehen und den Grenzfall kleiner Δp betrachten, ist die gemessene Größe (∂T/∂p )H, also gerade der Joule–Thomson-Koeffizient μ. Mit anderen Worten: Physikalisch entspricht μ dem Verhältnis zwischen Temperatur- und Druckänderung bei der Expansion eines Gases unter isenthalpischen Bedingungen.
Heute bestimmt man μ auf indirektem Weg über die Messung des isothermen Joule–Thomson-Koeffizienten
des Anstiegs von H als Funktion von p bei konstanter Temperatur (Abb. 2-28). Ein Vergleich von Gl. (2-51) mit Gl. [2-52] zeigtdenZusammenhang zwischenden beiden Joule–Thomson-Koeffizienten:
(2.53)
Zur Messung von μT wird ein Gas kontinuierlich und bei konstantem Druck zunächst durch einen Wärmeaustauscher gepumpt, der es aufdie gewünschte Temperatur bringt, und gelangt dann durch eine poröse Trennwand (eine Drossel) in einen thermisch isolierten Behälter. Der plötzliche Druckabfall wird gemessen und die Abkühlung wird durch ein elektrisches Heizgerät unmittelbar hinter der Drossel kompensiert (Abb. 2-29). Die Energie, die das Heizgerät dafür verbraucht, wird ebenfalls gemessen. Diese Wärmemenge entspricht wegen ΔH = qp gerade der Enthalpieänderung des Gases. Da außerdem Δp bekannt ist, erhält man durch Extrapolation von ΔH/Δp auf Δp → 0 den Wert von μT, den man dann in μ umrechnen kann. Einige auf diese Weise gewonnene Werte zeigt Tabelle 2-10.
Tabelle 2-10 Inversionstemperaturen (Tl), Schmelz- (TSm) und Siedepunkte (TS) und Joule–Thomson-Koeffizienten (μ) bei 101.3 kPa und 298 K.*
Tl/K | TSm/K | Ts/K | μ/(K bar–1) | |
Ar | 723 | 83.8 | 87.3 | |
CO2 | 1500 | 194.7 | +1.10 | |
He | 40 | 4.2 | –0.060 | |
N2 | 621 | 63.3 | 77.4 | +0.25 |
* Weitere Werte im Tabellenteil am Ende des Buches.
Für reale Gase sind die Joule–Thomson-Koeffizienten ungleich null; je nach der Art des Gases (abhängig vom Verhältnis der zwischenmolekularen Anziehungs- und Abstoßungskräfte) und den Werten von Druck und Temperatur können sie negatives oder positives Vorzeichen haben (Abb. 2-30). Ein positives Vorzeichen bedeutet, dass für negatives dp auch dT negativ ist, d. h., dass sich das Gas bei Ausdehnung abkühlt. Auch Gase, die sich bei einer gegebenen Temperatur durch Expansion erwärmen (μ < 0), zeigen bei Temperaturen unter ihrer oberen Inversionstemperatur TI eine Abkühlung (μ > 0, siehe Tabelle 2-10 und Abb. 2-31). Wie Abb. 2-32 zeigt, besitzen Gase in der Regel zwei Inversionstemperaturen, eine obere und eine untere.
Abb. 2.28 Der isotherme Joule–Thomson-Koeffizient ist gleich der Steigung des Graphen der Enthalpie als Funktion des Drucks bei konstanter Temperatur.
Abb. 2.29 Skizze einer Messanordnung zur Bestimmung des isothermen Joule–ThomsonKoeffizienten. Die Wärmemenge, die (durch ein elektrisches Heizgerät) dem System zugeführt werden muss, um den Temperaturabfall infolge der Expansion auszugleichen, interpretiert man als ΔH und verwendet diesen Wert zur Berechnung von (∂H/∂p)t. Dieser Differenzialquotient wird dann, wie im Text beschrieben, in μ umgewandelt.
Abb. 2.30 Das Vorzeichen des Joule–Thomson-Koeffizienten μ hängt von den Prozessbedingungen ab: Innerhalb der farbig unterlegten Fläche ist μ positiv, außerhalb negativ. Die Funktionswerte T, diegenauauf der Grenze liegen, entsprechen der Inversionstemperatur des Gases bei dem jeweiligen Druck. Man kann ablesen, dass für einen gegebenen Druck die Temperatur unter einem bestimmten Wert liegen muss, wenn eine Kühlung erreicht werden soll; wenn die Temperatur allerdings zu weit absinkt, wird die Grenzlinie wieder überschritten, und es tritt erneut Erwärmung ein. Bei Druckverminderung unter adiabatischen Bedingungen bewegt sich das System entlang einer der Isenthalpen (Kurven konstanter Enthalpie). An den Schnittpunkten zwischen der Grenzlinie und den Isenthalpen ändert diese das Vorzeichen der Steigung.
Abb. 2.31 Inversionstemperaturen von drei realen Gasen: Stickstoff, Wasserstoffund Helium.
Abb. 2.32 Prinzipskizze des Linde-Verfahrens. Das Gas wird im Kreislaufgeführt; wenn es sich unterhalb seiner Inversionstemperatur befindet, kühlt es sich bei jeder Entspannung durch die Drossel ab. Mit dem gekühlten Gas kühlt man den unter hohem Druck befindlichen Gasanteil,