Angriff der Tapferkeit. Морган Райс
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Читать онлайн книгу Angriff der Tapferkeit - Морган Райс страница 10
„Gwen, meine liebe Schwester“, sagte Kendrick und lächelte sie an. Sie konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören. „Erzähl uns, was geschehen ist.“
Gwen schüttelte den Kopf. Sie war zu müde, um alles zu erzählen.
„Andronicus“, sagte sie mit heiserer Stimme, die mehr wie ein Flüstern klang. Sie räusperte sich. „Ich habe versucht… mich ihm zu ergeben… im Tausch für die Stadt… habe ihm vertraut. So dumm…“
Sie schüttelte wieder ihren Kopf und Tränen liefen ihr über die Wangen.
„Nein, das war sehr nobel“, korrigierte sie Kendrick und drückte ihre Hand. „Du bist von uns allen hier die Mutigste.“
„Du hast getan, was jeder große Anführer getan hätte“, sagte Godfrey und trat näher.
Sie schüttelte den Kopf.
„Er hat uns hereingelegt…”, sagte sie, „und mich angegriffen. Er hat McCloud auf mich gehetzt.“
Gwen konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, als sie die Worte ausgesprochen hatte. Sie wusste, dass sich das für einen Herrscher nicht ziemte, aber sie konnte nichts dagegen tun.
Kendrick drückte ihre Hand und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Sie wollten mich umbringen…“, stammelte sie, „aber Steffen… hat mich gerettet…“
Die Männer sahen Steffen, der loyal neben ihr stand, respektvoll an. Er senkte den Kopf.
„Was ich getan habe, war zu wenig und kam zu spät“, sagte er bescheiden. „Ich war nur einer gegen viele.“
„Dennoch hast du unsere Schwester gerettet und dafür stehen wir ewig in deiner Schuld“, sagte Kendrick.
Steffen schüttelte den Kopf.
„Meine Schuld gegenüber Eurer Schwester ist viel grösser“, gab er zurück.
Gwen kamen die Tränen.
„Argon hat uns beide gerettet“, erwiderte sie.
Kendricks Blick verfinsterte sich.
„Wir werden Rache für dich nehmen“, sagte er.
„Ich sorge mich nicht um mich“, sagte sie. „Es ist die Stadt… unser Volk… Silesia… Andronicus… Er wird angreifen…“
Godfrey tätschelte ihre Hand.
„Mach dir darüber jetzt keine Gedanken“, sagte er. „Ruh dich aus. Wir werden uns um diese Dinge kümmern. Du bist jetzt in Sicherheit.“
Gwen spürte, wie ihre Augenlider wieder schwer wurden. Sie wusste nicht, ob sie wach war oder träumte.
„Sie muss schlafen“, sagte Illepra und trat schützend zwischen sie und die Männer.
Gwendolyn nahm alles nur noch schattenhaft wahr und verlor wieder das Bewusstsein. In ihrem Geist blitzen Bilder von Thor und von ihrem Vater auf. Es fiel ihr schwer zu unterscheiden, was Realität und was ein Traum war, und sie bekam nur Bruchstücke der Unterhaltung mit, die um sie herum geführt wurde.
„Wie ernst sind ihre Verletzungen?“, hörte sie eine Stimme sagen. Vielleicht war es Kendrick.
Sie spürte, wie Illepra ihr mit der Hand über die Stirn strich. Und die letzten Worte, die sie hörte, bevor sie endgültig davondriftete, waren Illepras: „Ihre körperlichen Verletzungen sind nicht schwer, aber die Wunden an ihrer Seele sind tief.“
Als Gwen wieder aufwachte, hörte sie das Knistern eines Feuers. Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war. Sie blinzelte mehrmals und sah sich in dem spärlich beleuchteten Raum um. Die Männer waren gegangen. Die einzigen Leute im Raum waren Steffen, der auf einem Stuhl neben ihrem Bett saß, Illepra, die über sie gebeugt dastand und eine Salbe auf ihr Handgelenk auftrug, und eine weitere Person. Er war ein freundlich aussehender alter Mann, der sie besorgt ansah. Er kam ihr bekannt vor, doch sie war sich nicht sicher. Sie fühlte sich so müde, viel zu müde, als hätte sie eine Ewigkeit nicht geschlafen.
„Mylady?“, sagte der alte Mann und beugte sich über sie. Er hielt etwas Großes in beiden Händen und auf den zweiten Blick erkannte sie, dass es ein ledergebundenes Buch war.
„Ich bin es, Aberthol“, sagte er. „Dein alter Lehrer. Kannst du mich verstehen?“
Gwen schluckte, nickte langsam und versuchte die Augen ein Stück weit offen zu halten.
„Ich habe stundenlang darauf gewartet, dich zu sehen“, sagte er. „Ich habe gesehen, wie du dich im Schlaf herumgewälzt hast.“
Gwen nickte langsam. Sie erinnerte sich und war dankbar, dass er hier war.
Aberthol öffnete sein großes Buch und sie konnte das Gewicht auf ihrem Schoß spüren. Sie hörte das Rascheln der dicken Seiten, als er sie umblätterte.
„Das ist eines der wenigen Bücher, die ich retten konnte“, sagte er, „bevor sie das Haus der Gelehrten niedergebrannt haben. Es sind die vierten Annalen der MacGils. Du hast es gelesen. In ihnen verbergen sich Geschichten von Eroberungen, Siegen und Niederlagen – doch auch andere Geschichten. Geschichten von großen Anführern, die verwundet wurden. Wunden des Körpers und Wunden des Geistes. Jede vorstellbare Art von Verletzungen, Mylady. Und deswegen bin ich gekommen. Selbst die besten Männer und Frauen haben die unvorstellbarsten Behandlungen, Verletzungen und Folter erleben müssen. Du bist nicht alleine. Du bist eine Speiche im Rad der Zeit. Da gab es zahllose andere, die viel Schlimmeres erleiden mussten als du – und viele, die überlebt haben und große Anführer geworden sind.
„Schäme dich nicht“, sagte er und griff ihre Hand. „Das ist es, was ich dir sagen will. Schäme dich niemals. Du solltest keine Scham hegen, sondern nur Ehre und Stolz auf das, was du getan hast. Du bist die größte Herrscherin, die der Ring je gesehen hat. Und das was geschehen ist, macht dich in keinem Fall schlechter.“
Gwen war tief gerührt von seinen Worten und eine Träne rollte ihr über die Wange. Seine Worte waren genau das, was sie jetzt brauchte, und sie war so dankbar dafür. Ihr Verstand sagte ihr, dass er recht hatte.
Doch es fiel ihr schwer, es zu fühlen. Sie hatte das Gefühl, dass ein Teil von ihr für immer beschädigt war. Sie wusste, dass dem nicht so war, doch sie konnte das Gefühl nicht abschütteln.
Aberthol lächelte, während er ein kleineres Buch hervorzog.
„Erinnerst du dich an das hier?“, fragte er und schlug den ledernen Einband auf. „Das war deine ganze Kindheit lang dein Lieblingsbuch. Die Legenden unserer Väter. Da gibt es eine ganz besondere Geschichte und ich dachte mir, ich könnte sie dir vorlesen, um dir etwas die Zeit zu vertreiben.“
Gwen war gerührt von seiner Geste, aber sie konnte nicht mehr. Traurig schüttelte sie den Kopf.
„Ich danke dir“, sagte sie mit erstickter Stimme, während eine weitere Träne über ihre Wange lief. „Aber ich kann nicht…“