Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer

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Leander und die Stille der Koje - Thomas Breuer

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Polizeihauptmeister half seinem Zeugen wieder auf den Beifahrersitz, stieg dann selber auf der Fahrerseite ein, wendete den Wagen vor dem Tiergatter am Deich und raste so schnell, wie es die Dunkelheit zuließ, auf der Straße durch die Marsch in Richtung Wyk davon.

      Polizeioberkommissar Hinrichs zog sein Handy aus der Tasche und rief den Arzt Dr. Hecht an. »Uli? Torben hier. Du musst sofort zur Boldixumer Vogelkoje kommen. Hier ist die Kacke am Dampfen, aber so richtig. … Wie? … Nein, alles Weitere erkläre ich dir hier. Ich sage nur eins: Es geht um Mord!«

      4

      Heinz Baginski saß auf der Kante des Stuhles, auf dem er bereits die halbe Nacht zugebracht hatte, die Hände zusammen­gekrampft im Schoß, und zitterte am ganzen Körper. Vor ihm stand der Tisch, der ihn von dem zornbebenden Oberkommissar Hinrichs trennte. In der Ecke des Raumes neben der Tür zur Wachstube stand Polizeihauptmeister Jens Olufs mit verschränkten Armen und kämpfte gegen die Müdigkeit an, die ihm mit Bleigewichten an den Augenlidern zu hängen schien.

      »Noch mal von vorne«, befahl Hinrichs, wie er es seinerzeit auf der Polizeischule im Seminar »Psychologie des polizeilichen Verhörs« gelernt hatte. »Sie sind also verbotenerweise über den Zaun an der Rückseite der Vogelkoje geklettert.«

      »Genau«, bestätigte Baginski, der nicht hätte sagen können, wie oft er seine Geschichte schon erzählt hatte, mit matter Stimme. »Ich bin den Weg zum Kojenwärterhäuschen gegangen und von da zum Teich.«

      »Sie sind also nicht zuerst in das Häuschen gegangen?«

      »Nein, das habe ich doch schon gesagt.«

      »Warum nicht? War das Häuschen abgeschlossen?« Hinrichs begriff in dem Moment, in dem er die Frage stellte, wie genial sie war, denn wenn Baginski sie mit ja oder nein beantworten würde, dann hätte er ihn überführt.

      »Woher soll ich das wissen?«, entgegnete Baginski stattdessen gereizt.

      »Sie haben doch an der Türklinke gerüttelt«, wagte sich Hinrichs vor.

      »Nein, das habe ich nicht. Ich habe das Haus gar nicht beachtet, sondern bin sofort weiter zum Teich gegangen.«

      »Nachdem Sie an der Türklinke gerüttelt haben?« Mit mir nicht, Freundchen, dachte Hinrichs. Typen wie dich knacke ich mit links.

      Aber dieser Baginski war hartnäckig. »Ich habe nicht an der Türklinke gerüttelt, verdammt noch mal. Ich wollte Enten fotografieren, warum sollte ich da ins Häuschen gehen?«

      »Sagen Sie mir das. Warum sind Sie in das Häuschen gegangen? Haben Sie Licht gesehen? Haben Sie Geräusche gehört? Warum haben Sie Herrn Rickmers erschlagen? Hat er Sie erwischt, als Sie unerlaubt in die Vogelkoje eingebrochen sind?«

      »Ich habe den Mann nicht erschlagen«, wimmerte Baginski jetzt. Das war ein Albtraum. Er machte Kur-Urlaub auf Föhr, um sich zu erholen und einen drohenden Herzinfarkt abzuwenden, und stattdessen war er nun der Hauptverdächtige in einem Mordfall. Und all das nur, weil er sich auf nicht ganz vorschriftsmäßige Weise Zugang zu einer Vogelkoje verschafft hatte.

      »Wie ist es dann passiert?«, fuhr Hinrichs fort, der offenbar ein Geständnis erzwingen wollte. »Haben Sie Rickmers gestoßen? Ist er unglücklich gefallen? War alles nur ein Unfall? Nun, Herr Baginski, kann es nicht sein, dass alles nur ein Unfall war und Sie gar nicht wollten, dass Rickmers stirbt?« Genial. Bau ihm eine Brücke und warte ab, ob er hinübergeht. Und dann fasse nach. Hatte Baginski erst einmal den Unfall zugegeben, war es nur noch ein kleiner Schritt, um ihm den Mord nachzuweisen.

      »Neinneinnein! Ich habe den Mann doch gar nicht gesehen. Als ich in die Vogelkoje gekommen bin, war da noch gar keiner. Ich bin direkt zum Teich gegangen, und da bin ich eingeschlafen, und dann habe ich einen Schrei gehört und bin zum Häuschen gelaufen. Da haben mich zwei Leute umgerannt, und dann habe ich die Leiche gefunden. Ich habe mit dem Mord nichts zu tun. Ich bin einfach nur ein Zeuge!«

      »Woher wissen Sie denn, dass da keiner war, wenn Sie doch angeblich gar nicht nachgesehen haben?«, lauerte Hinrichs mit dem Grinsen eines Fuchses, denn jetzt hatte er ihn!

      Baginski sank nun auf dem Tisch zusammen, den Kopf auf seine Arme gelegt, und schluchzte laut auf. »Ich habe nicht nachgesehen! Ich bin unschuldig«, nuschelte er resigniert.

      »Chef«, mischte sich Olufs nun ein, wurde aber mit einem ruppigen Handzeichen sofort zum Schweigen gebracht.

      Das wäre doch gelacht, wenn er, Oberkommissar Torben Hinrichs, dieses Weichei nicht knacken würde. Wenn die Kollegen von der Kripo ihren Fuß auf die Insel setzten, wollte er ihnen den Mörder präsentieren. Diese arroganten Fuzzies brauchte er nicht. Das war seine Insel hier.

      »Also, Herr Baginski, jetzt noch mal ganz von vorn«, beharrte Hinrichs mit einem beruhigenden Unterton.

      Als der Morgen graute, sank Heinz Baginski völlig erschlagen auf der Pritsche des einzigen Zellenraumes in der Zentralstation zusammen. Hinrichs hatte ihn vorläufig festgenommen, nachdem das Verhör erfolglos verlaufen war. Jetzt waren die beiden Polizisten auf dem Weg zur Vogelkoje. Zum Glück hatten sie irgendwann einen Anruf bekommen, der sie dorthin beordert hatte. Nun hatte Baginski ein paar Stunden Zeit, um sich zu erholen, und dann würde er einen Rechtsanwalt verlangen, der ihn hier herausholte. Das war doch einfach alles lächerlich, was hier abging!

      Erschöpft fiel Heinz Baginski in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

      Henning Leander steuerte zunächst wie jeden Morgen die Bäckerei Hansen in der Mittelstraße an, bevor eine Touristenschlange entstand, die sich wie immer weit in die Fußgängerzone erstrecken würde, und kaufte die üblichen zwei Brötchen für sein Frühstück: einen Kornkracher und ein Dünenkrusti. Die fünf Verkäuferinnen hinter der Theke bereiteten sich offenbar mental auf den nahenden Ansturm vor, der sie während der gesamten Saison immer zwischen halb neun und halb elf Uhr überrollte. Sie wirkten irgendwie in sich gekehrt, als lauschten sie wie einst Boris Becker vor einem großen Match einem inneren Yogi.

      Dann führte Leanders Weg wie üblich über den Sandwall auf die Mittelbrücke. Vor dem Frühstück musste er jeden Morgen einen Blick auf das Wattenmeer geworfen und einen Ausblick auf das Wetter gewonnen haben, sonst fing der Tag irgendwie nicht richtig an. Das war zu einem derart verfestigten Ritual geworden, dass sich Leander gar nicht mehr vorstellen konnte, wie es jemals anders hatte sein können, obwohl er gerade erst ein gutes halbes Jahr auf der Insel Föhr lebte und derartigen Luxus früher überhaupt nicht gewohnt gewesen war.

      Die Mittelbrücke war leer an diesem Morgen, und über dem Meer glitzerte die Sonne durch den Dunst. Die Hallig Langeneß wirkte seltsam entrückt. Die Ebbe war vorbei, das Wasser lief gerade erst wieder auf, so dass der Strand für die Badegäste momentan recht uninteressant war. Auch auf dem Sandwall herrschte zwischen den Bäumen, die die Grünflächen beschatteten, die Ruhe vor dem Sturm. Jens Hoss, genannt Bubu, der Inhaber des Buchladens, der in der Langform Bunter Buchladen hieß, hatte bereits seine Karten- und Zeitungsständer auf den Gehweg geschoben, saß nun draußen auf dem Fenstersims und konzentrierte sich auf das belegte Brötchen, das er allmorgendlich beim Bäcker holte. Er grüßte zu Leander herüber, als der den Steg verließ und auf die Mittelstraße zusteuerte.

      Bei Metzger Friedrichs kaufte Leander die Wurst für seine Brötchen: Zwei Scheiben Hähnchen in Aspik und zwei Scheiben Mortadella, mehr brauchte er für sich alleine nicht. Wie übersichtlich sich sein Leben gestaltete, seit er allein wohnte! Er erinnerte sich an die Klagen seiner Frau Inka, die nie wusste, was sie vom Metzger holen sollte und vor allem wie viel, denn bei den beiden Kindern konnte

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