Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer
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Читать онлайн книгу Leander und die Stille der Koje - Thomas Breuer страница 13
»Abteilungsleiter also. Das hört sich so an, als sei er schon eine relativ große Nummer auf der Insel gewesen«, hakte Bennings nach. »Er war ja dann quasi der Chefjäger hier, oder?«
»Das kann man wohl so nennen. Im letzten Jahr hat er sich sogar auf einen Posten im Vorstand der Kreisjägerschaft auf dem Festland beworben. Und das hätte er auch geschafft, wenn da nicht dieses Theater wäre.«
»Welches Theater?«
»Na ja, hier auf der Insel gibt es seit ein paar Jahren Streit zwischen den Bauern und so ein paar Öko-Spinnern. Das ist ein Verein, der mit Spendengeldern Land aufkauft und es unter Wasser setzt, damit die Möwen genug Nistplätze haben. Klar, dass das den Bauern stinkt. Da müssen wir ansetzen, oder bei diesem Baginski, wenn Sie mich fragen.«
»Und was hatte Rickmers mit dem Streit zwischen den Umweltschützern und den Bauern zu tun? War er hauptberuflich Landwirt?«
»Nee, aber die Jäger dürfen in der Nähe der Flächen, die von diesem Verein gekauft werden, nicht mehr jagen, weil die Möwen und das ganze andere Viehzeugs von den Schüssen vertrieben wird. Je mehr Land dieser Verein aufkauft, desto weniger Weide- und Jagdflächen gibt es. Ist doch logisch, dass das Ärger gibt.«
»Gut, Herr Hinrichs, schreiben Sie mir den Namen des Vereins und seines Vorsitzenden auf. Noch eine Frage zu Rickmers: War er nur als Jäger eine große Nummer, oder zählte er auch sonst zur High Society hier auf der Insel?«
»Klar, Nahmen war hier nicht irgendwer. Das Geld hatte zwar eigentlich nicht er, sondern die Hilke, seine Frau, aber der drehte damit am großen Rad, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Eigentlich verstehe ich das nicht«, gab Bennings zu.
»Na ja, auf seinen Partys waren nur die reichen Leute, die auch die politische Richtung hier vorgeben. Einmal im Jahr hat er eine Entenjagd ausgerichtet, zu der auch einflussreiche Leute vom Festland kamen – Kiel, wenn Sie verstehen, was ich meine. Da durfte dann jeder schießen, egal ob er Jäger war oder nicht. Das ist zwar eigentlich nicht ganz legal, aber wir wollen hier keinen Ärger, deshalb haben da alle weggeschaut.«
»Mit ›alle‹ meinen Sie vor allem sich selbst, oder? Und? Haben Sie auch gestern Abend weggeschaut, als Sie die Leiche abtransportiert haben? Wollten Sie den großen Nahmen Rickmers schützen?«
Hinrichs lief rot an, sagte aber nichts.
»Was verheimlichen Sie uns?«, donnerte Dernau jetzt los.
Hinrichs sprang auf, lief nach nebenan und kam mit einer Speicherkarte zurück. »Das ist die Karte aus der Kamera von diesem Baginski. Ich habe ihn angewiesen, Fotos zu machen, und die sind da drauf. Gucken Sie doch selbst, ob ich Ihnen irgendetwas verheimliche!«
»Schon gut, Kollege«, besänftigte Bennings ihn. »Mein Kollege Dernau hatte eine schwere Kindheit. Nehmen Sie ihm sein schlechtes Benehmen nicht übel. Und jetzt schreiben Sie mir bitte alle Namen und Adressen von den Leuten auf, die mit Nahmen Rickmers zu tun hatten. Danke für Ihre Mithilfe.«
Als Hinrichs sich wegdrehte, um das Büro zu verlassen, hakte Dernau nach: »Sagen Sie mal, Hinrichs, so ein Hegeringleiter, kann der von dem Job eigentlich leben?«
»Quatsch!« Hinrichs grinste verächtlich über so viel Dummheit. »Natürlich nicht. Nahmen Rickmers hat eine Fleischereikette geleitet; das heißt, er war der Geschäftsführer in der Firma seiner Frau. Die hat ja keine Ahnung vom Geschäft, hat die Läden von ihrem Vater geerbt. Fleischerei Bendicks, die haben in jedem Dorf hier ihre Läden und auf Amrum auch. Ich glaube, die handeln sogar auf dem Festland mit Fleisch, seit Nahmen den Laden führt.«
»Danke, Herr Hinrichs.« Dernau grinste genauso arrogant zurück. »Sehen Sie, Sie sind ja doch zu was nütze, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht merkt.«
Hinrichs verließ wortlos das Zimmer und zog die Tür krachend hinter sich ins Schloss.
»Gut«, begann Bennings, »auch wenn wir noch keine Beweise haben, bin ich sicher, dass er uns etwas verheimlicht. Wir halten ihn bei den Ermittlungen so kurz wie möglich und lassen ihn nur noch die Kontakte herstellen. Keine wichtigen Informationen an die Inselpolizei, die nicht nach außen dringen sollen, bevor wir wissen, wem wir hier trauen können, okay?«
Dernau nickte grinsend. Solche Spielchen machten ihm Spaß. Er würde diesen Hinrichs an der Leine führen und selbst bestimmen, wie lang sie war und wann er das Stachelhalsband anlegte.
Die Tür öffnete sich, und der Leiter der Spurensicherung betrat den Raum. »Mann, Mann, Mann«, stöhnte er und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Was für eine Sauerei. Da suche ich lieber im Matsch nach Spuren als in so einer Syph-Bude.«
»Das hört sich gut an, dann hat eure Wunderlampe also etwas gefunden«, entgegnete Dernau. »Leg los, Aladin, was habt ihr?«
»In der Hütte sind überall Blutspuren«, berichtete Paul Woyke. »Das muss aber nicht alles Menschenblut sein, könnte auch von Enten oder anderem Viehzeugs stammen, das wird die Untersuchung im Labor zeigen. Aber der Hammer war das, was überall gelb aufleuchtete, als wir den Blaufilter vorgesetzt haben: Auf dem Bettzeug waren massenhaft Spermaflecken.«
»Dann haben die Enten dort wohl heftig gevögelt, bevor sie abgemurkst wurden«, sagte Dernau und grinste umso breiter, je länger er über seinen Witz nachdachte und letztlich auch den Kojenwärter in seinen geistigen Film mit einbezog.
»Oder der Tote«, überlegte Bennings.
»Auf jeden Fall muss in der Hütte häufiger High Life sein«, fuhr Paul Woyke fort, griff nach Dernaus Kaffeetasse und warf einen Stapel Fotos auf den Tisch. »Das Sperma kann auch nicht von einem Kerl alleine sein. Frisch waren außerdem nur zwei Spuren, die anderen waren älter und verkrustet. Ich sage ja: Syph-Bude. Da fängst du dir schon vom Hingucken aus hundert Metern Entfernung etwas.«
Bennings beugte sich über die Fotos und betrachtete sie der Reihe nach, bevor er sie an Dernau weiterreichte. Die Bilder zeigten das Feldbett im Kojenwärterhäuschen, das im Licht der Spektrallampe regelrecht mit gelben Farbklecksen überzogen war.
»Dazu gibt es unzählige Fingerabdrücke, die wir mit Cyanoacrylat sichtbar gemacht haben«, fuhr Paul Woyke fort, der Dernaus spezielles Interesse an allem, das mit Kriminaltechnik zu tun hatte, gerne ausführlich bediente. »Im Labor werden wir versuchen, sie mit einem neuen Verfahren mit dem Blut und dem Sperma zu vergleichen. Wir können nämlich inzwischen aus dem Fett der Fingerabdrücke Rückstände von Drogen, Medikamenten und so weiter extrahieren. Die Flecken überall dazwischen haben wir mit dem Gelbfilter sichtbar gemacht: Scheidensekret. Von wie vielen Frauen die sind, werden wir noch herausfinden. Die schwarzen Flecken auf dem Boden neben dem Bett sind Blut. Das ist eine Menge Arbeit, kann ich euch sagen. Wenn wir Pech haben und noch mehr finden, sind wir die nächsten zwei Wochen rund um die Uhr beschäftigt. Aber zuerst einmal müssen alle Spuren in der Hütte gesichert werden. Das Laken geht ohnehin komplett ins Labor. Das Beste wisst ihr aber noch gar nicht: Wir haben Hautspuren unter den Fingernägeln des Toten gefunden. Er muss den Täter gekratzt haben. Näheres erfahren wir aus der KTU. Ich hab meine Jungs in der Vogelkoje alleine weitermachen lassen und bin zu diesem Doktor Hecht nach Boldixum gefahren. Der Tote liegt in seinem Behandlungszimmer und blockiert ihm die ganze Praxis. Gleich nachher lasse ich ihn abholen, damit der Doc weiterarbeiten kann.«
»Kannst du schon etwas zur Todesursache sagen?«, hakte Bennings nach.
»Erschlagen, mit einem stumpfen, runden Gegenstand,