Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer
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Читать онлайн книгу Leander und die Stille der Koje - Thomas Breuer страница 17
Als sie hinausgingen, grinste Dernau Brar Arfsten an, als wollte er sagen: ›So, nun tröste du mal schön die Witwe.‹
Der drehte sich zum Fenster und blickte starr hinaus in die Marsch, ohne den Abschiedsgruß der Polizisten zu erwidern. Auch Hilke Rickmers hatte es sehr eilig, die Haustür hinter ihnen zu schließen.
»Warte mal«, sagte Dernau und huschte um die Hausecke herum, um kurz darauf siegreich grinsend zurückzukommen. »Sag ich ja, sie liegen sich in den Armen.«
»Das muss nichts heißen. Er ist ein Freund ihres Mannes.«
»Klar, und Kinder bringt der Klapperstorch. Ist dir eigentlich aufgefallen, dass in Rickmers’ beruflichem Umfeld schon wieder eine Frau ins Spiel gekommen ist?«
»Diese Frau Olsen, ja. Sollte mich nicht wundern, wenn beide Ehepartner ihre Abwechslung gesucht haben. Aber wohin führt uns das? Arfsten hat wahrscheinlich ein Alibi.«
»Die Olsen vielleicht nicht«, hoffte Dernau.
Die Kommissare setzten sich in ihr Auto und fuhren zurück zur Wache.
Dort erwartete sie bereits Oberkommissar Hinrichs in schwerer Gemütserregung, die er trotz heftigen Bemühens nicht verbergen konnte. Dernau hatte sichtlich Spaß an der tiefroten Gesichtsfarbe des Inselpolizisten und daran, dass seine Stimme ziemlich gepresst klang, so als müsse er sich beherrschen, um nicht loszubrüllen.
»Was machen Sie denn schon wieder hier?«, fragte Bennings. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich ausruhen?«
»Ausruhen, ausruhen! Wie soll ich das denn machen, bei dem Theater hier auf der Insel?! Schließlich bin ich hier verantwortlich. Das Telefon steht nicht still«, erklärte er mühsam und wenig überzeugend. »Zuerst hat der Bürgermeister angerufen und wollte wissen, wer Nahmen Rickmers umgebracht hat. Er war stinksauer, als ich es ihm nicht sagen konnte. Sie sollen sofort zurückrufen, wenn Sie wieder da sind.« Er schob Bennings den Schwenkarm mit dem Telefon über den Schreibtisch und starrte ihn abwartend an.
»Später«, erklärte Bennings leichthin und schwenkte das Telefon wieder zurück.
»Aber, der Bürgermeister …«
»Tangiert mich im Moment extrem peripher«, stellte Bennings klar.
Als Dernau Hinrichs’ ratloses Gesicht bemerkte, übersetzte er beiläufig: »Geht ihm am Arsch vorbei.«
»Interessiert mich im Moment nur sehr am Rande«, korrigierte Bennings. »Sie waren dabei, uns Bericht zu erstatten. Also, fahren Sie fort.«
Hinrichs brauchte einen Moment, um die Unverschämtheit dem Bürgermeister gegenüber zu verarbeiten. »Gut«, begann er dann mühsam wieder und räusperte sich, »eben hat Hilke Rickmers angerufen. Sie war etwas, wie soll ich sagen …«
»Sauer?«, half Dernau grinsend aus.
»Genau«, brauste Hinrichs wieder auf, »weil Sie ihr ein Verhältnis mit Brar Arfsten unterstellt haben.«
»Das haben wir zwar so ausdrücklich nicht, aber ich finde es nett, dass sie es uns auf die Weise bestätigt«, kommentierte Bennings. »Noch etwas?«
»Ja, Arfsten hat kurz danach angerufen und mich gefragt, wann ich endlich etwas gegen diesen Wiese unternehme, wenn der jetzt schon unbescholtene Leute umbringt, nur weil sie nicht seiner Meinung sind.«
»Aha, und hat Ihnen Herr Arfsten auch die nötigen Beweise geliefert?«
»Äh, nein, nicht direkt.«
»Was hat er denn indirekt an Beweisen zur Hand?«
»Äh, nun ja, Drohungen, und … Tja, das weiß doch jeder, dass Wiese den Rickmers gehasst hat.«
»Soso, weiß das jeder? Das ist aber kein Beweis. Beim nächsten Mal weisen Sie Herrn Arfsten bitte darauf hin, dass üble Nachrede strafbar ist. Noch etwas?« Bennings drehte sich zu seinem Büro um, als erwarte er nicht wirklich weitere Neuigkeiten.
»Sagen Sie mal, Herr Kollege, was ist eigentlich los hier auf der Insel?«, erkundigte sich Dernau mit lauerndem Unterton. »Was ist das für ein Kampf zwischen Rickmers, Arfsten und Wiese?«
»Ach, der Wiese zerstört die Existenzgrundlage der Bauern hier – kauft ihr Land auf und setzt es unter Wasser. Und ständig erstattet er irgendwelche Anzeigen, weil angeblich ein Landwirt mit Druckkanonen die Gänse aufscheucht oder ein Jäger über Elmeere-Flächen Vögel abschießt. Gestern musste der beste Zuchtbulle seines Nachbarn auf einer seiner Flächen abgeschossen werden, nur weil er die Vögel aufgescheucht hat. Und letzte Woche soll sogar jemand einen Anschlag auf ihn verübt haben.«
»Was denn für einen Anschlag?«, erkundigte sich Bennings und wandte sich wieder dem Inselpolizisten zu.
»Irgendjemand hat ihn angeblich in der Marsch in den Graben gedrängt. So ein Quatsch! Ich sage Ihnen, der ist einfach selber in den Graben gefahren.«
»Warum sollte er das denn machen?«
»Um seine Gegner anschwärzen zu können. Glauben Sie mir, das ist so einer. Die kommen vom Festland hierher und müssen sich irgendwas beweisen, und das auf unsere Kosten.«
»Herr Wiese ist nicht von der Insel?«, hakte Bennings nach.
»Nein, der kommt vom Festland«, wiederholte Hinrichs. »Hat hier eine Pension geerbt und ein paar Appartements gebaut und ruht sich jetzt auf dem Geld aus. Ein Schmarotzer, der noch nie richtig gearbeitet hat, wenn Sie mich fragen.«
»Gut, da Sie ja offenbar keine Ruhezeit benötigen, fahren Sie jetzt los und holen mir diesen Wiese her. Immerhin ist er unser einziger konkreter Anhaltspunkt bisher.«
»Wer? Ich? Warum ich?«, stotterte Hinrichs.
»Weil Sie der Oberkommissar sind und ich der Hauptkommissar, und weil ich, der Hauptkommissar, Ihnen, dem Oberkommissar, das sage«, erklärte Bennings seelenruhig.
»Sie haben mir gar nichts zu sagen«, begehrte Hinrichs auf. »Ich bin der Kripo nicht unterstellt. Holen Sie sich den Kerl doch selber.«
»Da hat er jetzt auch wieder recht«, stimmte Bennings an Dernau gewandt ironisch zu.
»Der hat doch nur Schiss«, stellte Dernau hämisch grinsend in Bennings’ Richtung fest.
»Herr Hinrichs, es wäre nett, wenn Sie unsere Arbeit unterstützen und uns den Verdächtigen zuführen könnten. Sie können gerne einen Ihrer Kollegen mitnehmen, wenn Sie alleine zu viel Angst vor dem skrupellosen Mörder haben«, meinte der beiläufig.
Hinrichs murmelte etwas Unverständliches, das alles andere als freundlich klang, gab seinen Widerstand jedoch auf, nahm seine Jacke und winkte seinem Kollegen Groth, der ihm geduckt zum Streifenwagen folgte.
»Gib mir mal das Telefonbuch«, forderte Bennings Dernau auf. »Dann werde ich jetzt den Boss der Insel anrufen.« Er angelte sich das Telefonbuch aus Dernaus Hand über den Schreibtisch heran, blätterte auf die Amtsseite und wählte die Nummer des Bürgermeisterbüros.