Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer

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Leander und die Stille der Koje - Thomas Breuer

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Sie mal, Herr Bennings«, dröhnte der auch sofort los. »Was treiben Sie eigentlich auf meiner ruhigen Insel? Eben hat sich der Bauernvorsitzende bei mir beschwert, dass Sie sich benehmen wie eine Besatzungsarmee.«

      »Woher weiß Herr Arfsten – ich nehme doch an, dass er der besagte Vorsitzende ist – woher weiß er denn, wie sich eine Besatzungsarmee benimmt?«, erkundigte sich Bennings in ruhigem Ton.

      »Was? Was soll das denn heißen? Wollen Sie mich jetzt auch noch verarschen? Sie konfrontieren unbescholtene Bürger mit Ihren abstrusen Vorwürfen und wollen jetzt auch noch frech werden?«

      »Also, Herr Bürgermeister, nur, damit das ganz klar ist und wir uns in Zukunft nicht falsch verstehen: Was Sie abstruse Vorwürfe nennen, nenne ich Verdachtsmomente, und Ihr unbescholtener Bürger steht immerhin auf der Liste meiner Verdächtigen. Und frech wird hier im Moment nur einer, nämlich Sie.« Bennings’ Stimme nahm an Lautstärke zu. »Was fällt Ihnen ein, mich so anzukaspern? Ich bin nicht Ihr Untergebener, mein Dienstvorgesetzter ist der Polizeipräsident in Flensburg, und dann kommt der Innenminister in Kiel. Der Wyker Bürgermeister steht in dieser Hierarchie ja wohl eher ganz unten und kommt in der Kette der Polizeivorgesetzten überhaupt nicht vor, oder täusche ich mich da? Haben Sie sonst noch Fragen? Ich erwarte nämlich einen weiteren Verdächtigen zum Verhör und lasse mich ungern in meiner Arbeit behindern.«

      »Das ist unerhört, Sie … Das haben Sie nicht umsonst gemacht, das sage ich Ihnen, ich werde mich über Sie …«

      Bennings legte den Hörer auf und hatte sichtlich Mühe, sich wieder zu beruhigen. »Was bilden sich diese Provinzfürsten hier eigentlich ein?«, fragte er gequetscht.

      »Ruhig, Brauner, ruuuuhig!«, antwortete Dernau besänftigend. »Brrrrrr!«

      In dem Moment wurde es draußen in der Wachstube laut. Sekunden später führte Oberkommissar Hinrichs einen stämmigen Mann mittleren Alters mit grauen Haaren und einem ebensolchen Vollbart in Handschellen in das Büro.

      »So«, tönte er. »Da wäre dann der Verdächtige Wiese. Wollte sich der Festnahme widersetzen, da musste ich andere Maßnahmen ergreifen.« Stolz deutete er auf die Handschellen.

      »Sind Sie für diese Schweinerei verantwortlich?«, schimpfte Wiese und hob seine gefesselten Hände an.

      »Sagen Sie mal, Hinrichs, sind Sie eigentlich irre?«, donnerte Bennings los. »Nehmen Sie dem Mann sofort die Handschellen ab, sonst können Sie was erleben!«

      »Aber … aber …«

      »Los!«, brüllte Bennings und stützte sich drohend mit beiden Händen auf seinen Schreibtisch.

      Hinrichs fummelte die Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Handschellen auf.

      »Und jetzt raus! Oder warten Sie. Herr Wiese, möchten Sie einen Kaffee oder etwas anderes? Herr Hinrichs holt Ihnen alles, was Sie möchten. Herr Hinrichs hat nämlich jetzt einiges wiedergutzumachen. Herr Hinrichs kann froh sein, wenn Sie keine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn einlegen. Ich an Ihrer Stelle würde das nämlich machen.«

      »Ein Cappuccino wäre mir recht«, antwortete Wiese grinsend. »Aber mit Milch, nicht mit Sahne. Die Figur, Sie verstehen?«

      »Cappuccino haben wir nicht«, erklärte Hinrichs trotzig.

      »Dann holen Sie einen. Es gibt doch bestimmt ein Café hier in der Nähe«, antwortete Dernau und schob den Oberkommissar aus dem Büro. »Und wehe, der Cappuccino ist kalt, wenn Sie ihn servieren!«

      Oberkommissar Hinrichs setzte seine Mütze auf und trottete fluchend davon.

      »Bitte entschuldigen Sie das Vorgehen unseres … Kollegen«, sagte Bennings freundlich und wies auf einen Stuhl.

      Wiese nahm Platz und grinste. »Der ist so blöd, dass ihn nicht mal mehr die Schweine beißen, aus Angst, sie könnten sich an Schweinepest infizieren. Obwohl BSE sogar noch näherliegend ist. Oder war das jetzt Beamtenbeleidigung?«

      »Nur wenn das jemand hört. Hast du etwas gehört?«, erkundigte sich Bennings bei Dernau.

      »Hätte ich das, müsste ich es positiv kommentieren«, antwortete der.

      »Nun, Herr Wiese«, wechselte Bennings das Thema, »dann kommen wir mal zur Sache …«

      Der geschmähte Oberkommissar hatte inzwischen die Zentral­station verlassen, ohne seinen grinsenden Untergebenen in der Wachstube Beachtung zu schenken. Sicher, er hätte sich über die Anordnung dieser Idioten aus Flensburg hinwegsetzen und Groth oder Jensen schicken können, um den Cappuccino zu holen. Aber insgeheim war er froh, für einige Zeit außer Hör- und Sichtweite zu gelangen, um ungestört nachdenken zu können.

      So eine beschissene Situation hatte es in seiner bisherigen Laufbahn nur sehr selten gegeben, und bisher war alles immer halb so wild gewesen, weil nie etwas davon abgehangen hatte. Jetzt aber war das anders. Hinrichs wartete seit Monaten auf die ausstehende Beförderung zum Hauptkommissar. Eigentlich hätte er sie schon bekommen müssen, als er Dienststellenleiter geworden war, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund war er nur zum Oberkommissar befördert worden.

      Hinrichs hatte zu keiner Zeit Zweifel an seiner Befähigung für diesen Posten gehegt, im Gegenteil, er fühlte sich zu noch Höherem berufen. Aber Ture Jacobsen, sein Bürgermeister, hatte behauptet, trotz seiner privaten Beziehungen ins Innen­ministerium in Kiel nicht mehr herausholen zu können. Sicher lag das allein an Jacobsens beschränktem Einfluss. Er selbst, Torben Hinrichs, hatte ja gar keine Chance gehabt, sich entsprechend zu profilieren. Was geschah auf so einer verschlafenen Nordseeinsel denn schon groß, dass man in Kiel auf ihn aufmerksam werden konnte? Wie sollte er sich durch erfolgreiche Arbeit selbst empfehlen können, wenn nicht einmal ein gescheiter organisierter Fahrraddiebstahl auf Föhr aufgezogen wurde?

      Der Mord an Nahmen Rickmers war seine Chance, oder besser, er hätte seine Chance sein können, zu beweisen, was in ihm steckte. Wie beherzt hatte er doch gleich nach dem Auffinden des Toten in der Vogelkoje gehandelt! In dieser für die meisten Polizisten einfach nur unüberschaubaren Situation hatte er sein Revier im Griff gehabt und zwischen den Vorschriften und der Fürsorgepflicht seinen Insulanern gegenüber geschickt abgewogen. Jeder andere Depp hätte die Leiche einfach so liegen gelassen, wie er sie vorgefunden hatte. Da hätten die Festlandskollegen doch gleich falsche Schlüsse gezogen oder, falls sie richtige gezogen hätten, ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Stellung des Toten das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

      Diese Formulierung, die Hinrichs da gerade durch den Kopf gegangen war, gefiel ihm, weil sie seine ganze Verachtung für die unsensible Art der beiden Flensburger Kripo-Leute enthielt. Während er an den Schwimmstegen des Yachthafens vorbeischlenderte, glitt ein Grinsen über Hinrichs’ Gesicht, und für einen Moment war er fast schon wieder versöhnt mit seinem Schicksal.

      Doch als er darüber nachdachte, dass Bennings und Dernau ihm geradezu die Chance auf eine Beförderung kaputtmachten, stieg die kalte Wut wieder in ihm hoch. Was bildeten sich diese Idioten eigentlich ein? Niemals würden sie hinter die Geheimnisse der Insel kommen, kein Mensch würde mit ihnen so reden wie mit einem einheimischen Polizisten, den die Insulaner als einen der ihren wahrnahmen, als denjenigen, der Recht und Ordnung in ihrem Sinne aufrechterhielt und dabei auch einmal fünf gerade sein ließ. Er, Torben Hinrichs, wog genau ab, bevor er das Gesetz gegen einen seiner Fehringer anwandte. Da konnte es auch schon einmal bei einer Verwarnung bleiben, wenn eigentlich nach den Buchstaben des Gesetzes eine Anzeige fällig war. Da drüben zum Beispiel, der Krabbenkutter, der jetzt am Yachthafen vorbeituckerte und dabei weit in die Schutzzone 1 vordrang, obwohl

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