Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer
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Читать онлайн книгу Leander und die Stille der Koje - Thomas Breuer страница 15
»Warum hat sich Ihr Mann denn überhaupt an so einem merkwürdigen Ort aufgehalten?«
»Nun, wegen der Enten doch, nehme ich an. Mein Mann war oft in der Vogelkoje, schließlich war er Interessent.«
»Er wollte die Vogelkoje kaufen?«, fragte Dernau erstaunt.
»Wieso kaufen?« Hilke Rickmers schüttelte verständnislos den Kopf.
»Nun, Sie sagten, er sei daran interessiert gewesen.«
»Nicht interessiert, Interessent. Das heißt, er war einer der Männer, die Anteile an der Koje haben und dort Enten fangen dürfen.«
Bennings und Dernau verstanden sichtlich kein Wort.
»Also«, erklärte Hilke Rickmers, »das ist so: Die Vogelkojen gehören nicht der Allgemeinheit oder einem einzelnen Besitzer, sondern sie gehören einem Kreis von Männern, die gleiche Anteile an den Fangquoten haben. Dafür teilen sie sich auch die Kosten der Instandhaltung. Diese Männer heißen traditionell Interessenten. Der Anteil ist erblich. Nahmen hat ihn von seinem Vater geerbt, und unser Sohn wird ihn nun von Nahmen erben.«
»Dann hatte Ihr Mann also jederzeit freien Zugang zu der Koje?«, fragte Bennings.
»Natürlich. Jeder Interessent hat seinen eigenen Schlüssel.«
»Also wollte Ihr Mann letzte Nacht Enten fangen, oder was?«, hakte Dernau etwas schnodderig nach.
»Das weiß ich auch nicht. Er war oft spät abends in der Koje. Was er da genau zu tun hatte, weiß ich nicht. Ich sagte Ihnen doch, ich interessiere mich nicht für die Jagd. Und gestern Abend hatte er einen Termin. Wenn der in der Koje stattgefunden hat, weiß vielleicht einer seiner Jagdfreunde etwas darüber.«
»Frau Rickmers«, fragte Bennings, »haben Sie einen Verdacht, wer etwas gegen Ihren Mann gehabt haben könnte?«
Hilke Rickmers wollte antworten, biss sich dann aber auf die Lippe und schüttelte den Kopf.
»Bitte, Frau Rickmers, wir sind auf Ihre Informationen angewiesen. Schließlich kennen wir uns mit den Verhältnissen hier auf der Insel nicht aus. Sagen Sie uns, was Sie denken.«
Hilke Rickmers schwieg mit gesenktem Blick.
»Sie haben doch einen Verdacht!«
In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Hilke Rickmers ergriff die Chance und sprang auf. Als sie die Tür öffnete, hörten die Kommissare sie laut aufschluchzen.
Dann vernahmen sie eine beruhigende Männerstimme. »Hilke, es tut mir so leid. Wie konnte das nur passieren?«
Hilke Rickmers schien sich wieder gefasst zu haben, denn sie antwortete nicht auf die Frage, sondern sagte in beherrschtem Ton: »Komm rein, ich habe Besuch von der Polizei.«
Sekunden später kam sie gefolgt von einem Mann mittleren Alters, der trotz seiner eleganten Kleidung etwas grob wirkte, zurück ins Wohnzimmer.
»Das sind die Kommissare Bennings und … entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen.«
»Dernau.«
»Und das ist Brar Arfsten, ein guter Freund meines Mannes«, fuhr sie fort.
Bennings erhob sich und reichte Arfsten die Hand, Dernau nickte ihm mit verschränkten Armen zu.
»Wir sprachen gerade über Ihren Verdacht, Frau Rickmers«, setzte Bennings erneut an.
»Ich habe keinen Verdacht geäußert«, erklärte Hilke Rickmers in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sich mit dem Erscheinen Brar Arfstens etwas grundlegend verändert hatte.
Die Kriminalbeamten blickten sich kurz an, dann wandte sich Bennings an Arfsten. »Und Sie, Herr Arfsten? Können Sie sich vorstellen, welchen Grund jemand gehabt haben könnte, Ihren Freund zu töten?«
Jetzt blickten sich Arfsten und Hilke Rickmers kurz an, dann brach es aus ihm heraus: »Natürlich habe ich das. Das können nur diese Spinner gewesen sein, dieser Wiese und seine Verbrecherbande.«
»Langsam, Herr Arfsten. Wir sind nicht von der Insel und kennen uns deshalb nicht aus. Wer ist Wiese, und von was für einer Bande reden Sie da?«
»Na, diese Elmeere-Spinner. Und Wiese ist der Vorsitzende von dem Verein. Die richten hier noch alles zugrunde mit ihrer sogenannten Renaturierung. Und wir Bauern gucken in die Röhre. Aber das haben die sich so gedacht. Jetzt ist der Bogen überspannt.«
»Sie müssen uns das erklären, Herr Arfsten. Wie gesagt, wir sind nicht von hier.« Bennings war immer noch die Ruhe selbst, während Dernau sichtlich unruhig wurde; aber sein Einsatz war noch nicht gekommen, noch war Bennings an der Reihe.
Brar Arfsten und Hilke Rickmers sahen einander erneut an, als wären sie sich darin einig, dass diese Typen vom Festland allesamt nichts taugten. Hilke Rickmers machte nun einen fast entspannten Eindruck, so als habe sie mit dem Erscheinen Arfstens die Regie für alles Weitere abgegeben.
»Gut«, sagte Arfsten gnädig. »Dann noch mal ganz langsam zum Mitschreiben. Wir Bauern haben auf einer Insel nur eine begrenzte Fläche zur Verfügung, die wir landwirtschaftlich nutzen können. Wenn dann diese Ökospinner kommen und das bisschen Land aufkaufen, unter Wasser setzen und verwildern lassen, damit sich dort Gänse und anderes Flatterzeug fröhlich vermehren können, bleibt für die Landwirtschaft nichts mehr übrig. Das bedroht unsere Existenz und die Versorgungssicherheit der Insel.«
»Aha«, reagierte Bennings, um die Richtung des Gespräches wieder in die Hand zu nehmen. »Und dieser Herr Wiese ist so ein Ökospinner?«
»Genau. Der sammelt Spenden von ahnungslosen Urlaubern, die ganz begeistert sind von so viel Natur und dann auch noch Mitglieder in seinem Verein werden. Und von dem Geld kauft er eine Fläche nach der anderen auf. Demnächst gehört denen die ganze Insel und wir können sehen, wo wir bleiben.«
»Wer verkauft ihm das Land denn, wenn es sich um knappes Bauernland handelt?«
»Sagen Sie mal, Sie verstehen wirklich absolut gar nichts von Ackerbau und Viehzucht, was?«, empörte sich Arfsten, wurde aber gleich wieder zahmer, als sich Dernau einen Schritt auf ihn zu bewegte. »Auf Föhr hat es früher über hundert Landwirte gegeben. Naturgemäß fast alles kleine Höfe. Aber von so einem Kleinbetrieb kann heute niemand mehr existieren, also wandern die Bauern ab aufs Festland oder funktionieren ihre Höfe um zu Ferienhöfen. Für die paar Ponys, mit denen die dann Urlauberbälger durch die Gegend führen, brauchen sie nicht mehr als eine Weide. Dann werden die übrigen Acker- und Weideflächen halt zum Kauf angeboten. Will sich ja niemand mehr die Finger dreckig machen, wenn man statt der Kühe heute die Touristen so viel leichter melken kann. Und dann kommt Elmeere und kauft das Land auf.«
»Warum kaufen Sie die Flächen nicht, ich meine die Landwirte, die weitermachen wollen?«
»Weil wir keine milden Spender haben, die uns das Geld dafür geben. Wir können nicht jeden Preis zahlen. Außerdem muss das Land dann ja auch bestellt werden, und dazu braucht man Leute.«
»Das heißt also, das Land ist für euch Landwirte eh zu viel«, erklärte