Moonlight Romance Staffel 3 – Romantic Thriller. Scarlet Wilson
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Er war nahe daran zu verzweifeln. Auch wenn sein Blut nach anderem Blut gierte, er musste warten, denn er durfte nichts riskieren. Er hatte eine Verantwortung gegenüber seiner immer stärker schwindenden Sippe. Sie brauchten Blutauffrischung, um für ausreichend Nachkommenschaft zu sorgen. Fremdblut war vonnöten, Fremdblut, das aus anderen Weltregionen als dem Balkan stammte.
Also verstaute er die Tarnkleidung wieder dort im Bug, wo er sie hervorgeholt hatte. Eine der nächsten Nächte musste es sein.
*
›Jonny‹ Schwandorff war verunsichert. Als er am Morgen noch halb im Schlaf aus dem Kabinenfenster blickte und sich von der Donau umgeben sah, wusste er im Augenblick nicht, wo er sich befand. Die Erkenntnis, dass er auf der Fahrt nach Osten, hin noch Rumänien, befand, unterwegs war, traf ihn wie der Blitz. Und gleichzeitig spürte er wieder jenes Ziehen, das Sehnsuchtsgefühl, das ihn veranlasst hatte, diese Reise zu buchen.
Seltsamerweise verband er in seiner Phantasie sofort die Tatsache, dass er sich auf der »Danubia Queen« befand, mit dem Namen Angelika Neubert. Er war gewiss kein Frauenheld, auch wenn alle, die ihn sahen, davon ausgingen. Denn dass er gut, vielleicht sogar blendend aussah, das hatte er schon mehrfach zu hören bekommen. Doch jedes Mal, wenn ihm eine sanfte Frauenstimme süße Worte ins Ort geflüstert hatte, war seine Reaktion instinktive Abwehr gewesen. Nicht, dass er hübsche Frauen nicht gemocht, sie nicht gerne gesehen oder im Arm gehalten hätte, sein instinktives Zurückweichen, sobald es ernst wurde, war ihm selbst nicht erklärbar, jedoch harte Realität.
Bei dieser jungen Frau, gerade einmal 23 Jahre alt, wie sie ihm zu vorgerückter Stunde gestern Abend gestanden hatte, mit einem verschmitzten Lächeln verraten hatte, war es anders, das fühlte er. Sie war hübsch, hatte ein frisches, aufgewecktes Wesen, verstand sich anzuziehen und verfügte über gute Umgangsformen – alles Dinge, auf die seine verstorbenen Eltern immer großen Wert gelegt hatten. Im Sinne der Tradition, natürlich, die es zu pflegen galt.
Für ihn war ausschlaggebend, dass diese junge Frau ganz offensichtlich etwas besaß, worüber andere nicht verfügten; etwas, das er nicht definieren konnte, das ihn nicht nur nicht in die Flucht trieb, sondern ihn vielmehr fast magisch anzog. Er begann zu pfeifen, was er seit langen Jahren nicht mehr getan hatte; ein Lied, das der Pianist gestern Abend gespielt hatte. Allein schon die Tatsache, dass es ihm im Gedächtnis geblieben war, war bereits ausgesprochen bemerkenswert.
Mit einem Schlag fühlte er sich froh, wenngleich jenes Gefühl der Sehnsucht nach etwas, was er nicht benennen konnte, hartnäckig in ihm blieb. Er beschloss, sich intensiver um Angelika zu kümmern. Und mit diesem Vorsatz machte er sich fertig für das Frühstück.
Als er im Restaurant ankam, waren Angelika und Xenia bereits anwesend und bedienten sich am Büffet.
Schwandorff wurde freudig begrüßt und Angelika beeilte sich, ihm gegenüber einen Platz zu bekommen. Ja, er gefiel ihr, warum sollte sie sich das nicht vor sich selbst eingestehen?
Draußen zeigte die österreichische Landschaft keine wesentlichen Unterschiede zum deutschen Ufer. Inge Faszl war inzwischen auch eingetroffen. Sie strahlte vor Freude, offenbar genoss sie diese Fahrt. Sie berichtete, dass am Schwarzen Brett, neben der Rezeption, ein Vortrag angekündigt war, auf dem die Reiseleiterin die nächsten Stationen der Reise sowie die Ausflugsmöglichkeiten vorstellten wollte.
Schwandorff hatte wenig Lust, sich den Frauen anzuschließen, denn auch Frau Schmitz-Wellinghausen hatte inzwischen Interesse an der Veranstaltung bekundet. Für den Immobilienmakler auf Selbstfindungstrip, wie er das für sich selbst nannte, gab es Wichtigeres. Er hatte sich von Zuhause Unterlagen zur Familiengeschichte mitgenommen; er wollte der Vergangenheit nachspüren, vielleicht kam er zu einer Erklärung für dieses seltsam-ziehende, geradezu unwiderstehliche Sehnen. Sehnen wonach? Wenn er es gewusst hätte, hätte er darauf reagieren können. So aber war er ein Suchender.
Als er in diesem Sinne auf die Frage antwortet, ob er die Damen begleiten wollte, erhielt er eine Antwort, die ihn zugleich erstaunte, aber auch erfreute. Denn damit hatte er keineswegs gerechnet.
Frau Faszl, die alte Dame mit dem Schrottauto, die offenkundig so wenig Wert auf ihren Adelstitel legte und die seinen Taxifahrer in Passau so genervt hatte, sagte: »Das finde ich sehr interessant. Familiengeschichten können sehr aufschlussreich sein. Ich habe gewisse Erfahrungen sammeln können während meiner Tätigkeit in der Wetzlarer Bibliothek. Auch historischer Natur. Wenn ich Ihnen behilflich sein kann, will ich Ihnen gerne zur Seite stehen, sofern meine bescheidenen Kenntnisse ausreichen.«
»Das Angebot nehme ich sofort an«, erwiderte Schwandorff und reichte ihr über den Tisch hinweg die Hand. »Am liebsten sofort! Aber nein, Sie wollen doch auch …«
»Darauf kann ich gerne verzichten, Ihre Unterlagen sind sicherlich spannender. Die jungen Damen können mir ja nachher berichten.«
Das geäußert in Richtung von Angelika und Xenia, an deren Stelle Frau Schmitz-Wellinghausen mit einem »Aber gerne!« zusagte.
*
Dr. Hans-Jürgen Beuteler, Allgemeinmediziner in Wien und leidenschaftlicher Kreuzfahrer, hatte sich für diese Saison auf der »Danubia Queen« verpflichten lassen und die Betreuung seiner Patienten zu Hause einer jungen Kollegin überlassen, die auf der Suche nach einer frei werdenden Praxis war und bis dahin als »Springerin« arbeitete. Für Beuteler war es die insgesamt zehnte Fahrt mit diesem Kreuzfahrtschiff und er hatte sich bei Kapitän Stojanow einen Termin geben lassen. Es gab einiges zu besprechen.
Stojanow hatte das Ruder dem Ersten Steuermann der »Danubia Queen«, Arpad Gustow, überlassen.
»Machen Sie es sich gemütlich, Doktor«, forderte der Kapitän Beuteler auf. »Gustow ist ein zuverlässiger Mann. Wir können in Ruhe alles besprechen, was anliegt.«
»Nun, Kapitän, am dringendsten scheint mir zu sein, endlich jenen Zwischenfällen auf den Grund zu gehen, ehe die Passagiere durch das Gerede, das immer wieder zu hören ist, beunruhigt werden. Auf den letzten Fahrten ist so einiges passiert, was wir bis jetzt nicht – auch nicht in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden – aufklären konnten.«
»Sie meinen den Todesfall? Oder die Bisse, die einige der Gäste vorweisen konnten? Oder auch jenes geheimnisvolle Gespenst, so nannten das auf der letzten Reise einige Passagiere, das nächtens durch das Schiff geistern soll?«
Der Kapitän deutete auf den Tisch. »Aber bedienen Sie sich doch bitte.« Stojanow wusste, dass Dr. Beuteler einen guten Sliwowitz über alles schätzte. In seiner Heimat Bulgarien gab es davon eine große Auswahl; er hatte eines der besten Zwetschgenwasser mitgebracht, die es seiner Meinung nach auf dem Balkan gab.
»Danke!« Der Arzt bediente sich nur zu gerne; der Kapitän freilich lehnte mit dem Hinweis: »Bin im Dienst.«
»Die Sache ist die«, begann Beuteler, »Ich habe in Wien einen – sagen wir mal – Spezialisten für Unerklärliches konsultiert. Es ist dieser berühmte Parapsychologe Professor Frederic Hansjakob, ein Schüler des großen Freiburger Spezialisten Hans Bender, der leider nicht mehr lebt. Mein Gewährsmann ist auf eine verblüffend einfache Erklärung gestoßen, die so auf der Hand liegt, dass ich mich ärgere, nicht selbst darauf gekommen zu sein.«
»Wenn es das ist, was ich in Sofia in Erfahrung bringen konnte, dann bin ich bereits bestens darauf vorbereitet. Denn auch ich habe recherchiert, weil ich mir so meinen Gedanken mache. Aber lassen Sie hören!«