Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 119
Toni Wiesinger stutzte – Eisenmangelanämie, im Volksmund Blutarmut genannt, sollte die Ursache für Florian Brunners Erkrankung sein?
Natürlich war es möglich. Eisenmangel führte zu einer Unterversorgung der roten Blutkörperchen, die als Sauerstoffträger dienten. Die Folge davon war, daß der Kranke sich ständig schlapp und müde fühlte, kaum in der Lage war, einen achtstündigen Arbeitstag zu überstehen.
Nur, warum war keiner der Ärzte, die Florian Brunner behandelt hatten, auf solch eine Diagnose gekommen?
»Tja, Herr Kollege, das kann eine ganz einfache Erklärung haben«, sagte Professor Bernhard. »Wenn nämlich der Patient zuvor wirklich an einer Virusinfektion erkrankt war, kann es durchaus vorkommen, daß dadurch das wahre Krankheitsbild verfälscht wird. Das sollten Sie morgen, in Ihrer Anamnese überprüfen. Aber machen Sie den Kollegen keine Vorwürfe. Mir selbst ist es einmal passiert, daß ich die Ursache bei einem Patienten nicht richtig erkannt habe. Der Fall war ähnlich, wie der, den Sie jetzt behandeln. Durch die falsche Medikation wurden die Viren nicht wirklich getötet, sondern sozusagen nur in einen Tiefschlaf versetzt, aus dem sie immer wieder erwachten. Das ging munter so weiter, bis ich endlich dahinter kam, daß der Patient mir eine schwere Grippe, einhergehend mit einer Lungenentzündung, verschwiegen hatte. Die Influenza war nie richtig auskuriert worden, und die Antikörper im Blut vermehrten sich rasend schnell. Man kann zwar sagen, daß es nicht meine Schuld war, weil der Patient mir nicht alles erzählt hatte, aber eigentlich hätte ich von selbst drauf kommen, und entsprechend nachhaken müssen.«
Toni Wiesinger war erstaunt, daß der Professor so freimütig über den Fehler sprach, der ihm da unterlaufen war. Andererseits hatte er seinen Doktorvater als einen Mann kennengelernt, der zu allem, was er tat und sagte, stand. Das immense Fachwissen, und seine Fähigkeit, von den eigenen Fehlern zu lernen, und dieses Wissen an andere weiterzugeben, hatte Ulrich Bernhard zu der Koryphäe auf dem Gebiet der internistischen Medizin gemacht, die Achtung und Anerkennung bei Kollegen und Patienten in aller Welt genoß.
»Ich denk’, dann sollte ich die Medikation um ein Eisenhaltiges Präparat erweitern«, sagte der Dorfarzt. »Ganz offenbar scheint hier ja zu wenig Interferon gebildet zu werden.«
»Richtig«, stimmte der Professor zu, »dieses Glykoprotein hemmt die Vermehrung der Viren. Auch eine zusätzliche Folsäuregabe kann wirklich nicht schaden.«
Toni hatte sich entsprechende Notizen gemacht.
»Dann dank’ ich Ihnen ganz herzlich, Herr Proffessor. Ich denk’, daß es wirklich gar net mehr nötig ist, daß Sie unbedingt herkommen. Ich kann Sie ja telefonisch auf dem Laufenden halten.«
»Nein, nein«, antwortete Ulrich Bernhard. »Freilich komm’ ich zu Ihnen. Auch wenn es nicht unbedingt wegen des jungen Mannes ist, den ich bei Ihnen in den besten Händen weiß. Aber ich wollte ja schon lange mal sehen, wie mein bester Schüler, dem eine ganz andere Welt offen gestanden hätte, wie dieser be-gnadete Arzt so versteckt in den Bergen lebt. Ich habe alle meine Termine abgesagt und werde übermorgen in St. Johann eintreffen. Deshalb bitte ich Sie, mir ein Zimmer in einem Hotel zu reservieren.«
Toni Wiesinger hatte unwillkürlich geschmunzelt, als er seinen Doktorvater so reden hörte. Professor Bernhard hatte ihm oft vorgehalten, daß er, Toni, nicht seinem Ratschlag gefolgt, und an eine der großen Universitätskliniken gegangen war.
»Sie wohnen selbstverständlich bei uns im Haus«, antwortete er. »Meine Frau und ich freuen uns auf Ihren Besuch.«
*
»Mein Name ist Brenner«, sagte die Arzthelferin, freundlich lächelnd, zu Florian und bat ihn in das Untersuchungszimmer.
Christel Brenner hatte schon bei dem alten Dorfarzt gearbeitet, und Toni Wiesinger war froh gewesen, daß sie sich bereit erklärt hatte, bei ihm zu bleiben, als er die Praxis übernahm.
Der junge Mann war in gespannter Erwartung vom Pfarrhaus herübergekommen. Es ging ihm heute so gut, daß er meinte, gar keinen Arzt mehr konsultieren zu müssen. Allerdings kannte er diese Augenblicke, denen meistens welche folgten, an denen er vor Schlappheit gar nicht aus dem Bett kam. Dann fühlte er sich wie gerädert, hatte keinen Appetit und konnte bestenfalls ein paar Schlucke trinken.
»Diese Phasen sind typisch für den Verlauf Ihrer Erkrankung«, erklärte Dr. Wiesinger.
Florian hatte all die Prozeduren, die er schon kannte, über sich ergehen lassen. Blutdruck- und Pulsmessung, in Ruhestellung und nach einer Viertelstunde Strampelei auf dem Ergometer, EKG, Blutabnahme. Jetzt saß er im Sprechzimmer und wartete geduldig auf die ersten Ergebnisse.
»Allerdings ist es eine Täuschung, der Ihr Körper unterliegt, indem er Ihnen nur vorgaukelt, daß es Ihnen gutgeht«, fuhr der Arzt fort. »Dennoch glaub’ ich, Ihnen Hoffnung machen zu können.«
In Florians Gesicht zeigte sich keine Regung. Zu oft hatte er diese Worte gehört, nur um am Ende dann doch enttäuscht zu werden. Toni meinte zu wissen, was in dem jungen Mann vorging.
»Ich will Ihnen auch erklären, was Professor Bernhard und mich zu einer gänzlich anderen Diagnose hat kommen lassen«, fügte er deshalb hinzu. »Zuvor hab’ ich jedoch eine Frage. Hatten Sie eventuell, kurz bevor Sie so langwierig erkrankten eine Virusinfektion?«
Florian Brunner überlegte.
»Ja«, nickte er nach einer Weile, »die hatte ich...«
Er erzählte, daß er ein paar Wochen bevor es ihm zum ersten Mal so richtig schlecht ging, von einem Urlaub zurückgekehrt war, den er vorzeitig hatte abbrechen müssen. Grund war eine Grippe...
»Ich vermute, daß diese Virusinfektion net richtig auskuriert wurde«, meinte der Arzt. »Wir haben bei einer ersten Untersuchung Ihres Blutes einen erheblichen Eisenmangel festgestellt, und die Zahl der roten Blutkörperchen ist alarmierend niedrig.«
Der junge Mann erschrak.
»Sie meinen..., Leukämie...?«
Dr. Wiesinger schüttelte den Kopf.
»Nein, eine Anämie«, erwiderte er. »Genauer gesagt, eine Eisenmangelanämie. Landläufig wird sie Blutarmut genannt.«
Toni erklärte, was es damit auf sich hatte, und was der Professor ihm dazu gesagt hatte.
»Sei’n S’ Ihrem Hausarzt also net bös’, daß er es net gleich erkannt hat«, bat er für den unbekannten Kollegen um Entschuldigung. »Aber Sie seh’n ja, selbst einem so berühmter Arzt, wie Professor Bernhard kann so etwas passier’n.«
Florian Brunner atmete tief durch.
»Dann sehen Sie durchaus Chancen, daß ich wieder ganz gesund werde?« fragte er.
Dabei konnte er den Zweifel, der in dieser Frage mitschwang, nicht ganz unterdrücken.
»Durchaus«,