Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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Der Bus hatte seine Fahrt verlangsamt und bog auf den Parkplatz des Hotels ein, in dem die Reisegruppe Quartier bezog. Dort stand schon eine Menge dienstbarer Geister bereit, um sich um das Gepäck der Reisenden zu kümmern, nachdem der Busfahrer, ein paar Kilometer vor St. Johann, ihr Kommen telefonisch im Löwen angekündigt hatte.

      Sepp Reisinger, der Wirt und Inhaber vom Hotel »Zum Löwen«, begrüßte die Gäste persönlich. Im Gänsemarsch ging es zum Haus, und rasch wurden die Schlüssel verteilt.

      Eines der Hausmädchen brachte ihn zu seinem Zimmer. Robert Feldmann sah sich zufrieden um. Neben dem eigentlichen Schlafraum gab es ein kleines Bad. Der Sechsundzwanzigjährige packte seinen Koffer aus und ging dann nach nebenan, um sich zu erfrischen. Eiskaltes Wasser ließ er über das Gesicht laufen und schaute sich dann im Spiegel an.

      Müde und abgespannt sah er sich darin. Das lag allerdings nicht an der relativ kurzen Reise von München hierher, sondern vielmehr an seinem seelischen Zustand.

      Nach einem tiefen Seufzer zog er sich um und ging wieder hinunter. Die anderen Teilnehmer der Fahrt hatten sich ebenfalls erfrischt und saßen bereits bei einer Tasse Kaffee und einem Stückchen Kuchen.

      Auf den Kuchen verzichtete Robert, den Kaffee hingegen ließ er sich schmecken. Ihm am Tisch gegenüber saß eine junge Frau, in Begleitung ihrer Eltern. Schon auf der Herfahrt hatte sie versucht, den gutaussehenden jungen Mann in ein Gespräch zu verwickeln. Es war offenkundig, daß ihr der sympathische Mitreisende gefiel. Allerdings war sie an Roberts ableh-nender Haltung gescheitert…

      Nicht, daß er unfreundlich gewesen wäre. Doch seine kurzen Antworten zeigten ihr, daß sie sein Interesse nicht hatte wecken können. Und auch jetzt sah sie mit enttäuschter Miene, daß er sie, außer mit einem freundlichen Kopfnicken, nicht weiter beachtete.

      Schon bald, nachdem er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, gab Robert seinen Zimmerschlüssel an der Rezeption ab und trat hinaus auf die Straße. Strahlender Sonnenschein lag über St. Johann, und alle Menschen schienen gute Laune zu haben. Robert Feldmann ging ohne zu wissen wohin, durch das idyllische Dorf, mit seinen typischen Lüftlmalereien an den schindelgedeckten Häusern, und wußte nicht, ob er den Freunden, die ihn zu diesem Urlaub gedrängt hatten, wirklich dankbar sein sollte, oder nicht.

      Besonders Wolfgang Fahringer, sein längster und engster Freund, der auch das Drama um Melanie kannte und ihm in den schwersten Stunden beiseite gestanden hatte, war es, der darauf bestand, daß Robert endlich einmal die Arbeit ruhen lassen sollte.

      »Deine Schufterei lenkt dich nur von deinen Problemen ab«, argumentierte er. »Aber es löst es nicht. Und schon gar net bringt es dir das Madel zurück!«

      Nach langem hin und her mußte Robert einsehen, daß Wolfgang recht hatte. Zwei Jahre waren es jetzt her, und in all dieser Zeit hatte er nicht einen Tag Urlaub gemacht, sondern sich in die Arbeit gestürzt, und selbst an den Wochenenden und Feiertagen, wenn andere frei machten, konnte man ihn im Büro antreffen.

      Dabei hätte er diese Schufterei gar nicht nötig gehabt. Von Anfang an lief seine Firma, ein kleines Werbeunternehmen, auf Hochtouren. Durch gute Beratung und originelle Ideen war es Robert Feldmann schnell gelungen, sich einen Stamm treuer Kunden aufzubauen, und das Unternehmen auf solide Beine zu stellen.

      Nein, nötig hatte er die Arbeit nicht, aber sie half ihm zu vergessen…

      *

      Während des Rundgangs durch das Dorf, hatte er beiläufig mit einem Blick die Kirche gestreift, deren schlanker Turm in den Himmel strebte. Jetzt fand er sich unversehens davor.

      Schon von außen war sie ein imposantes Bauwerk, doch als er eintrat, stockte ihm unwillkürlich der Atem. Die Baumeister mußten wahre Künstler gewesen sein und hatten bei der Ausstattung des Gotteshauses nicht gegeizt. Rot, Blau und Gold waren die vorherrschenden Farben, bunte Fensterbilder, mit Motiven aus dem Alten Testament und herrlicher Kirchenschmuck legten Zeugnis ab, von der tiefen Religiosität der Altvorderen, die oft ihr Letztes gegeben hatten, zur Lobpreisung des Herrn.

      Robert setzte sich in eine Kirchenbank und schaute nachdenklich vor sich hin. Über eine Stunde verweilte er so und war mit seinen Gedanken bei der großen Liebe seines Lebens. Dann stand er auf und ging hinaus. Inzwischen war es später Nachmittag geworden. In zwei Stunden wurde das Abendessen gereicht. Zeit genug also, sich umzuziehen und darüber Gedanken zu machen, was er mit seinen zwei Wochen Urlaub anfangen sollte.

      Daß er sich für St. Johann entschieden hatte, lag in erster Linie daran, daß der Angestellte des Reisebüros, in dem er gebucht hatte, ihm versicherte, daß der Ort nicht so von Touristen überlaufen sei, wie die bekannten Urlaubsziele in den bayerischen Alpen, er aber dennoch über all die Annehmlichkeiten verfügte, die ein zahlender Gast erwartete.

      Man konnte Wandern, Reiten und Schwimmen. Bergtouren unternehmen oder Ausflüge in die nähere Umgebung. Wobei sich der, in nur wenigen Kilometer Entfernung liegende, Achsteinsee anbot, wo man Schwimmen, Surfen und gar Segeln konnte.

      Besonders der Hinweis, daß es sich bei St. Johann um einen ruhigen Ort handelte, hatte den Ausschlag gegeben. Das Wandern in den Bergen hatte Robert schon früher geübt. Allerdings war er in den letzten Jahren nicht mehr dazu gekommen. Das letzte Mal, erinnerte er sich, hatte er, zusammen mit den Eltern, vor sechs Jahren Urlaub gemacht. Das war in den Allgäuer Alpen gewesen. Damals hatten sie eine Sennerhütte besucht, und Robert glaubte immer noch den unvergleichlichen Geschmack des Bergkäses auf der Zunge zu haben, den sie damals gekostet hatten. Bestimmt gab es hier, rund um St. Johann, viele Almen, auf denen immer noch das Vieh graste, und wo aus der frischen Milch Käse gemacht wurde.

      Nach dem Abendessen zog Robert sich bald auf sein Zimmer zurück. Dort studierte er Wanderkarten und Informationsmaterial, das er sich von der Rezeption mitgenommen hatte. Eine große Tour kam wohl nicht in Frage, dazu war er zu wenig geübt. Er suchte sich eine kleine Route aus, die er gehen wollte, und bestellte für den nächsten Morgen eine Brotzeit für unterwegs. Wandererkleidung hatte er mitgebracht und dazu gehörte auch ein Paar kräftige Stiefel.

      Zufrieden löschte er das Licht und legte sich zeitig schlafen. Die schönsten Momente in den Bergen erlebte man in aller Frühe, wenn die anderen noch schliefen, wußte er aus Erfahrung von damals.

      *

      Robert Feldmann saß am Rande der Almwiese und sah ins Tal hinunter. Am frühen Morgen hatte er sich auf den Weg gemacht. Damals, als er noch mit den Eltern gewandert war, hatte sein Vater ihm beigebracht, daß die Zeit zwischen Dämmerung und Sonnenaufgang die beste war. Man wanderte noch nicht in sengender Hitze, und wenn der Tag eben erst erwachte, nahm man viele Schönheiten der Natur am ehesten wahr.

      Im Hotel hatte man ihm gerne eine reichliche Brotzeit zubereitet und mit auf den Weg gegeben. Noch vor all den anderen Gästen war Robert aufgestanden und losmarschiert. Jetzt, knapp zwei Stunden später, saß er mit dem Rücken an einen Baumstumpf gelehnt, und legte eine erste Rast ein. Der junge Mann hatte die Augen geschlossen, und eine herrliche Ruhe umgab ihn. Fernab vom Streß und der Hektik der Großstadt, nur die Geräusche der Natur waren zu hören – der Schrei eines Steinadlers hoch über sich, ein leises Rascheln in nächster Nähe, als ein marderähnliches Tier durch das Gras huschte, den lockenden Ruf eines balzenden Vogels.

      Natur pur, wie man sie nur noch in einer Gegend wie dieser fand.

      Robert Feldmann trank seinen Kaffeebecher leer und schraubte ihn wieder auf die Thermoskanne. Anhand der Wanderkarte, die er aus dem Hotel mitgenommen hatte, orientierte er sich über seinen jetzigen Standort. Noch am Abend zuvor hatte er die Route festgelegt. Da seine letzte Wanderung schon ein paar Jahre zurück lag, verzichtete er darauf, die »Ochsentour« zu gehen,

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