Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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riß er sich davon los und hörte dem bewußt zu, was der Seelsorger sagte. Robert Feldmann merkte erst jetzt, wie sehr dieser Mann, der inzwischen oben auf der Kanzel stand und zu der Gemeinde sprach, ihn in den Bann schlug. Er hatte keine Ahnung, wer der Pfarrer von St. Johann war, bei seinem ersten Besuch der Kirche, war er ihm nicht begegnet, doch das, was er zu sagen hatte, und besonders wie er es sagte, unterschied diesen Geistlichen von allen anderen, die Robert bisher kennengelernt hatte, und er betrachtete ihn interessiert, während er den Worten noch aufmerksam lauschte.

      Der junge Werbefachmann war von dem Hirten auf der Kanzel fasziniert. Schon vom Aussehen her entsprach er gar nicht der landläufigen Meinung, die man gemeinhin von einem Landpfarrer hatte. Groß und schlank, was man auch trotz der Soutane erkennen konnte, stand er dort oben, das Gesicht leicht gebräunt, offen und sympathisch. Er lächelte zwischendurch, und die Besucher der Abendmesse hingen, nicht anders, als Robert auch, an seinen Lippen.

      Für einem Moment schmunzelte der Werbefachmann – sollte die Kirche jemals eine Werbekampagne nötig haben, dann war dieser Pfarrer genau der richtige Mann, um sie zu präsentieren, dachte Robert.

      Doch dann rief er sich zur Ordnung und folgte weiterhin aufmerksam der Predigt.

      *

      Sebastian Trenker ahnte nichts von den Gedanken des jungen Mannes, der in der letzten Bankreihe saß. Wohl aber hatte er den verspäteten Kirchenbesucher wahr­genommen, als Robert Feldmann nach Beginn der Messe leise eingetreten war.

      Wie es seine Art war, hatte Sebastian seine Predigt mit launigen Worten gehalten und mit bildhaften Schilderungen unterstrichen. Für ihn sollte Kirche in erster Linie Spaß machen, und die Leute herkommen, weil sie es gerne wollten und nicht, weil sie sich dazu gezwungen fühlten. Beim Bergpfarrer gab es nicht die Androhung des Fegefeuers, auch wenn so manches seiner Schäfchen darunter war, das sich ab und zu ein paar deutliche Worte gefallen lassen mußte. Doch sprach Sebastian den Betreffenden nie direkt an, sondern wählte seine Worte so, daß derjenige schon wußte, daß er gemeint war.

      Am Ende der Messe stand der Seelsorger in der Tür und verabschiedete seine Gemeinde. Jedem einzelnen reichte er die Hand und fand ein gutes Wort für ihn.

      Robert Feldmann war, in Gedanken versunken, auf seinem Platz geblieben. Mit seinem Problem beschäftigt, nahm er nur am Rande wahr, wie sich das Gotteshaus leerte. Unversehens stellte er fest, daß er der einzige war, der sich immer noch in der Kirche befand. Er erhob sich und wollte hinausgehen, als der Geistliche ihn ansprach.

      »Sie dürfen gern’ noch bleiben, wenn Ihnen danach ist«, sagte Sebastian Trenker zu ihm.

      Er war von der Tür zurückgekehrt und lächelte Robert freundlich an.

      »Das würd’ ich wirklich gern«, nickte der Angesprochene und setzte sich wieder.

      Seit jenem dunklen Tag in seinem Leben, war es ihm zur Gewohnheit geworden. Sehr oft besuchte er zuhause die Kirche, wo er sich still hinsetzte und nachdachte. Und heute war es ihm ein besonderes Bedürfnis.

      Nur daß er jetzt nicht in erster Linie an Melanie Wehmann dachte, sondern an Franzi Burger…

      Sebastian war in die Sakristei gegangen und hatte die Soutane ausgezogen. Als er zurückkam und Robert sah, setzte er sich zu ihm in die Kirchenbank.

      »Sie machen Urlaub in Sankt Johann?«

      Eigentlich war es mehr eine Feststellung, als eine Frage. Da er ihn vorher noch nie gesehen hatte, war es klar, daß der Besucher nur ein Tourist sein konnte.

      »Ja«, antwortete Robert, »und ich muß sagen, daß es ein wunderschönes Fleckchen Erde ist.«

      »Es freut mich, daß es Ihnen bei uns gefällt. Ich bin Pfarrer Trenker.«

      »Robert Feldmann«, stellte er sich vor.

      Sie unterhielten sich eine Weile, und der junge Werbefachmann merkte, daß es ihm überhaupt nicht schwerfiel, sich dem Geistlichen zu öffnen. Bereitwillig erzählte er, woher er stammt, was sein Beruf war und wie er ausgerechnet auf St. Johann als Ur-

      laubsort gekommen war.

      »Wenn’s Ihnen mal gar zu langweilig werden sollte, dann finden S’ auch in der näheren Umgebung ein paar reizvolle Plätzchen, die zu besuchen sich lohnt«, erklärte der Seelsorger.

      »Oh, ich hab’ heut’ morgen schon eine Tour auf die Kandereralm unternommen«, berichtete Robert.

      »Ach, dann haben S’ den Thurecker-Franz ja bereits kennengelernt.«

      »Ja. Allerdings wär’s beinah’ net dazu gekommen…«

      Sebastian Trenker machte ein erstauntes Gesicht.

      »Nanu…?«

      Robert erzählte von seinem Unfall und der Rettung durch das Madel.

      »Ja, besonders nach einem Unwetter können die Wege manchmal recht tückisch sein«, nickte der Geistliche. »Und davon hatten wir in der letzten Woche reichlich. Inzwischen hat sich das Wetter ja wieder gebessert, und die Aussichten für die nächsten Tage sagen nur Sonnenschein voraus. Daß die Franzi vorbeikam, war ja wirklich Glück. Eigentlich wohnt sie ja net auf der Hütte, sondern hilft nur ihrem Onkel aus.«

      »Ich bin auch wirklich froh, daß es net schlimmer ausgegangen ist«, meinte der junge Mann. »Schließlich möcht’ ich ja noch ein paar Touren unternehmen.«

      »Übermorgen will ich zum Kogler hinauf«, sagte Sebastian. »Wenn’s Ihrem Fuß wirklich bessergeht, und Sie sich die Tour zutrau’n, dann können S’ sich gern’ anschließen.«

      Ein freudiges Lächeln glitt über Roberts Gesicht.

      »Dieses Angebot nehm’ ich mit Freuden an«, nickte er. »Den Fuß spür’ ich schon gar net mehr, und wenn Sie die Tour vorschlagen, kann ich wohl davon ausgeh’n, daß Sie sich da oben auskennen.«

      Der gute Hirte von St. Johann schmunzelte. Daß man ihn wegen seiner Leidenschaft den Bergpfarrer nannte, sagte er nicht. Er versicherte Robert aber, daß er sich in den Bergen recht gut auskenne.

      »Dann ist’s abgemacht«, freute sich der Werbefachmann und reichte ihm die Hand. »Vielen Dank, für Ihre Einladung. Ich werd’ morgen wieder in die Abendmesse kommen. Vielleicht können wir hinterher die Einzelheiten besprechen?«

      Sebastian nickte und begleitete ihn zur Tür. Während Robert Feldmann den Kiesweg hinunterging, sah der Geistliche ihm nach. Er hatte selten einen so offenen und herzlichen jungen Mann kennengelernt, und doch war es ihm, als zeige sich ein nachdenklicher oder auch trauriger Zug in dem sympathischen Gesicht.

      Gab es ein Schicksal oder schweres Los, mit dem der junge Besucher nicht fertig wurde?

      Im Laufe der Jahre hatte Sebastian Trenker eine Menschenkenntnis entwickelt, auf die er sich verlassen konnte und die ihn nur selten trog. Und auch jetzt hatte er das Gefühl, daß schon bald etwas auf ihn zukam, das sein ganzes seelsorgerisches Können in Anspruch nehmen würde, um einem Menschen zu helfen.

      Nachdenklich ging er zum Pfarrhaus hinüber. Wenn seine Vermutung stimmte, dann würde er während der gemeinsamen Bergtour mehr darüber herausfinden – und versuchen, Robert Feldmanns Problem zu lösen.

      *

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