Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Nein«, antwortete er. »Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob ich es überhaupt annehmen werde. Anwalt Benson hat mir mitgeteilt, daß ich drei Wochen Zeit habe, mir die Sache zu überlegen. Mit dem Hof steht es nicht gut?«
»So ist es, in der Tat«, bestätigte Sebastian. »Trotzdem lohnt sich eine Investition.«
Felix Thorwald hob die Hand.
»Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche«, bat er. »Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich überhaupt mit einem Bauernhof anfangen soll. Ich bin Fachmann für Computer, entwickle Software und verdiene damit sehr viel Geld. Eigentlich bin ich nur hergekommen, um mir den Hof einmal anzusehen.«
Er zuckte die Schultern.
»Wenn sich vielleicht ein Käufer findet – das wäre eine andere Sache«, fuhr er fort. »Mein Freund und Kollege drüben in den Staaten, er träumt schon lange von einer Firma. Wenn ein Verkauf des Hofes genug bringt, daß wir uns selbständig machen können, dann hätte meine Reise hierher ihren Zweck erfüllt. Aber es müßte schon eine beträchtliche Summe sein, schließlich kämen dann ja noch bestimmte andere Verpflichtungen auf mich zu. Ich denke da an Bankschulden, Erbschaftssteuer und Ähnliches.«
Sebastian verbarg seine Enttäuschung. Natürlich hatte er gehofft, Felix Thorwald würde das Erbe antreten, um den Hof zu bewirtschaften. Gleichzeitig mußte er ihm aber Recht geben. Einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen oder mit Computern zu arbeiten, das war schon ein Unterschied. Er konnte es dem jungen Mann nicht verübeln, wenn er so dachte. Und die Aussicht, durch den Verkauf des Hofes Startkapital für eine eigene Firma zu haben, war natürlich verlockend.
Allerdings – ein Käufer war weit und breit nicht in Sicht. Vorerst zumindest nicht.
»Ich denk’, das Beste wird’s sein, Sie ruh’n sich erst einmal von dem Flug aus«, schlug Sebastian Trenker vor. »Ich geb’ Ihnen den Brief Ihres Onkels, und wenn S’ später möchten, fahr’ ich mit Ihnen zum Hochberghof hinauf.«
»Einverstanden«, nickte Felix. »Dabei fällt mir ein – ich habe überhaupt noch kein Zimmer. Sankt Johann scheint ja ein recht gefragter Urlaubsort zu sein. Mir ist es nicht gelungen, von Amerika aus etwas zu reservieren. Überall hieß es: ›Ausgebucht‹. Wissen Sie vielleicht, wo ich noch unterkommen könnte?«
»Selbstverständlich bleiben S’ hier im Pfarrhaus«, antwortete der Seelsorger. »Es sind genug Gästezimmer da, und meine Frau Tappert freut sich über jeden Esser mehr am Tisch.«
*
Die Haushälterin hatte das Zimmer schon hergerichtet, als Sebastian den Besucher hinaufführte. Bevor der Bergpfarrer wieder hinunterging, überreichte er Felix den Brief seines Onkels.
Der junge Mann stand am Fenster, den Brief in der Hand, und schaute hinaus. Die Berge schienen zum Greifen nah. Hier sah alles ganz anders aus, als in dem kleinen Ort in Amerika, der ihm zur zweiten Heimat geworden war, und einen Moment lang überlegte er, ob er hier heimisch werden könnte.
Unbewußt hatten seine Finger mit dem Umschlag gespielt. Das Knistern des Papiers holte ihn aus seinen Gedanken. Felix setzte sich auf das Bett und riß das Kuvert auf. Der Brief war in krakeliger Handschrift abgefaßt, und er hatte Mühe, die Buchstaben zu entziffern. Franz Bachmann hatte ihn so geschrieben, wie er vermutlich auch gesprochen hatte.
Liebe Vroni,
ich weiß net, ob dieser Brief Dich jemals erreichen wird, da ich ja noch net einmal eine Anschrift von Dir hab’. Wenn ich ihn dennoch schreib’, dann aus dem Grund, daß ich eingeseh’n hab’, Dir damals Unrecht getan zu haben. Es hat lang’ gebraucht, bis ich es erkannt hab’, aber wahrscheinlich ist’s jetzt für die Reue zu spät.
Weißt’, wenn ich manchmal am Abend hier allein’ sitz’, dann wünsch’ ich mir schon, Du wärst wieder da, so wie früher, als alles noch in Ordnung war zwischen uns. Du hattest recht mit Deinen Vorwürfen. Ja, ich hab’ Dich um Dein Erbe betrogen.
Ich gesteh’ es hier, reumütig und beschämt.
Mein Vater hat den Hof von uns’rer Mutter, die leider viel zu früh von uns gegangen ist, geerbt, und eigentlich hättest Du nach seinem Tod den Hof bekommen sollen. So, wie er es zu Lebzeiten immer gesagt hat. Als Vater dann so plötzlich starb, bekam ich Angst, Du könntest mich net mehr hier haben wollen. Inzwischen warst’ ja selber verheiratet, hattest sogar schon ein Kind, den kleinen Felix.
Ja, Vroni, ich hab’ gesündigt und das Testament uns’res Vaters gefälscht, indem ich meinen Namen einsetzte. Für Dich blieb nur der Pflichtteil übrig. Ich erinner’ mich noch gut, wie oft es darüber zum Streit zwischen uns kam, bis Du dann schließlich ganz fortgeblieben bist. Damals war ich froh darüber. Heut’ wünsch’ ich mir, ich hätt’ niemals so gehandelt. Einsam bin ich geworden, ohne Dich, und wenn mein Leben einmal zu End’ geht, dann wird wohl niemand an meinem Grab weinen. Du bist ja die einzige Verwandte, die ich noch hab’ – nein, die ich hatte, denn ich hab’ dich ja verloren.
Einzig die Hoffnung, daß ich Dir eines Tages diesen Brief doch noch zukommen lassen kann, tröstet mich. Dann, Vroni, wird alles wieder gut zwischen uns. Ich wünsche mir so sehr, daß wir uns wieder vertragen können, und vor allem, daß Du mir verzeihen kannst.
Ich denk’ sehr oft an Dich und Deine Familie,
Dein Bruder Franz.
Felix Thorwald ließ den Brief sinken.
So war das also damals, dachte er. Der Bruder hat die Schwester um das Erbe betrogen. Jetzt konnte er verstehen, warum seine Mutter nie viel über ihre Familie gesprochen hatte.
Wie sehr mußte sie in all den Jahren darunter gelitten haben.
Felix versuchte, sich ein Bild von Franz Bachmann zu machen, und überlegte, ob er dem alten Mann, über dessen Tod hinaus, verzeihen konnte.
Was wäre wohl aus mir geworden, wenn Mutter damals den Hof geerbt hätte? Wäre ich dann auch später einmal nach Amerika gegangen? Oder würde ich heute ein Bauer sein?
Der junge Mann schmunzelte bei dem Gedanken. So recht vorstellen konnte er es sich nicht.
Aber wer konnte das schon so genau wissen?
Die Frage nach der Vergebung stellte er sich indes umsonst. Einzig Veronika Thorwald wäre in der Lage gewesen, ihrem Bruder zu verzeihen. Felix selber fühlte nichts gegenüber seinem verstorbenen Onkel. Nichts außer Mitleid, jetzt, nachdem er den Brief gelesen hatte. Er wollte Franz Bachmann gerne glauben, daß er bereute, was er getan hatte. Allerdings war die Einsicht um Jahre zu spät gekommen.
Ein Klopfen an der Tür riß Felix aus seinen Gedanken. Er sah auf die Uhr und stellte überrascht fest, daß bereits über eine Stunde vergangen war. Offenbar hatte er sich so sehr in den Brief vertieft, daß er gar nicht bemerkte, wie schnell die Zeit verging.
»Haben S’ sich ein bissel ausgeruht?« erkundigte sich Sebastian.
Sein Besucher fuhr sich mit einer müden Bewegung über das Gesicht. Nach dem langen Flug hatte er schon mit der Müdigkeit zu kämpfen. Allerdings hatte ihn die Reise in die Vergangenheit seiner Mutter davon abgehalten, dem Verlangen, sich hinzulegen, nachzugeben.
»Ich glaube, so richtig gut schlafen werde ich bestimmt erst heute abend«, antwortete er lächelnd.
Der