Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher Der Bergpfarrer

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Leutstetten verließ er die Autobahn und fuhr über die Landstraße weiter.

      Es war ein schönes Gefühl, wieder in der Heimat zu sein. Felix war das letzte Mal zur Beerdigung der Mutter hiergewesen. Danach hatte er alle Brücken hinter sich abgebrochen und sich ganz nach Amerika zurückgezogen, wo er sich schon vor ein paar Jahren eine Existenz aufgebaut hatte.

      Als er jetzt die alten Häuser wiedersah, fragte er sich, was wohl aus den Freunden von früher geworden war. Mit einundzwanzig Jahren hatte er sich aufgemacht, um drüben in den Staaten sein Studium fortzusetzen. Ein paar Jahre bestand ein lockerer Kontakt zu den alten Bekannten und Weggefährten, der dann jedoch allmählich einschlief und schließlich ganz abbrach.

      Geraume Zeit verweilte er am Grab der Eltern, bevor er weiterfuhr. Bis St. Johann waren es gut drei Stunden zu fahren. Als er das Ortsschild sah, klopfte sein Herz doch vor Aufregung.

      Onkel Franz!

      Nach seinem Besuch bei Rechtsanwalt Benson hatte Felix lange versucht, sich an den Halbbruder seiner Mutter zu erinnern, aber es wollte ihm nicht gelingen, sich ein Bild von dem Mann vorzustellen. Ganz vage fiel ihm ein, ein- oder zweimal dort zu Besuch gewesen zu sein, als er noch ein kleiner Bub war. Und jedesmal hatten die Besuche mit einem Streit geendet. Worum es dabei gegangen war, hatte er damals nicht verstanden, und später hatte seine Mutter nie wieder darüber gesprochen.

      Er hatte seinen Wagen angehalten und war ausgestiegen. Interessiert sah er sich um und erkannte einige der Häuser des Dorfes wieder, die er im Internet gesehen hatte. Natürlich auch die Kirche.

      Felix griff in die Jackentasche und holte einen Zettel hervor, auf den er sich den Namen des Geistlichen geschrieben hatte, mit dem er Kontakt aufnehmen sollte. Dieser Pfarrer Trenker war, wie ihm mitgeteilt wurde, von seinem Onkel beauftragt worden, als Nachlaßverwalter zu fungieren.

      Er beschloß, den Wagen stehen zu lassen und zur Kirche hinüberzulaufen. Als er über den geharkten Kiesweg schritt, war er gespannt darauf, was ihn letztendlich erwartete.

      *

      Nach dem Klingeln wurde die Tür zum Pfarrhaus geöffnet und ein Mann schaute ihn fragend an.

      »Bitt’ schön, kann ich Ihnen helfen?«

      Der Heimgekehrte sah den Mann unsicher an.

      »Ich… ich möchte Herrn Pfarrer Trenker sprechen«, antwortete er zögernd.

      »Der steht vor Ihnen, Herr…«

      »Thorwald, Felix Thorwald.«

      Irgendwie war er noch verunsicherter als zuvor. Dieser Mann war der Pfarrer von St. Johann? Bisher hatte er sich Geistliche immer anders vorgestellt. Der hier hatte eher Ähnlichkeit mit einem Hollywood-Star – so braungebrannt und sportlich, wie er da in der Tür stand.

      Sebastian lächelte insgeheim. Natürlich war ihm die Reaktion des Besuchers nicht entgangen. Aber sie war auch nichts Neues für ihn. Kaum ein Fremder, der ihn zum ersten Mal sah, mochte glauben, daß dieser schlanke, agile und großgewachsene Mann ein Diener Gottes war. Da hätte man Pfarrer Trenker wirklich eher in die Reihen prominenter Sportler oder Filmschauspieler einordnen können.

      »Herr Thorwald!« rief Sebastian indes. »Das ist aber eine Freud’. Ich hab’ ja gar net gewußt, daß Sie herkommen. Warum haben S’ denn net angerufen? Ich hätt’ Sie doch vom Flughafen abgeholt.«

      »Nicht nötig«, erwiderte der junge Mann. »Ich wollte mir ohnehin einen Leihwagen nehmen, um unabhängig zu sein.«

      »Verstehe«, nickte der Bergpfarrer und breitete dann die Arme aus. »Aber nun erstmal – herzlich willkommen. Treten S’ ein.«

      Er führte Felix durch den Flur und das Wohnzimmer hinaus in den Pfarrgarten.

      »Nehmen S’ Platz, Herr Thorwald. Meine Haushälterin kocht uns gleich einen guten Kaffee. Und – als ob sie’s geahnt hätt’ – einen Apfelkuchen hat sie heut’ morgen auch gebacken.«

      Er sah den Besucher forschend an.

      »Oder möchten S’ lieber was Deftiges? Ein verspätetes Mittag-essen?«

      Felix Thorwald schüttelte den Kopf.

      »Vielen Dank, wirklich nicht. Ich habe im Flugzeug gegessen. Aber zu einem Stück deutschen Apfelkuchen sage ich nicht nein. So etwas gibt’s drüben in Amerika nicht so häufig. Zwar haben sich ein paar deutsche Bäcker dort niedergelassen, aber die muß man suchen.«

      »Schön«, sagte der Geistliche, »dann gibt’s heut’ abend ein kleines Festessen zu Ihrem Empfang.«

      Während Sebastian in die Küche eilte, um Sophie Tappert zu bitten, Kaffee zu kochen, saß Felix auf der Terrasse des Pfarrgartens und schaute sich um.

      Generationen von Seelsorgern hatten schon in diesem Haus gewohnt, das im Laufe der Zeit immer wieder mal umgebaut und verändert wurde. Und sie hatten in all den Jahren diesen herrlichen Garten angelegt, in dem es grünte und blühte. Allerdings war es jetzt, zum Sommeranfang, auch die schönste Jahreszeit, und nicht mehr lange, dann konnten die herrlichsten Früchte gepflückt werden. Erd- und Himbeeren, die alten Obstbäume trugen schwer an ihren Äpfel und Birnen,

      Zwetschgen und Kirschen. Die Blumenbeete leuchteten in allen erdenklichen Farben.

      »Wunderschön haben Sie es hier«, sagte Felix, als Sebastian zurückgekehrt war. »Ich habe auch ein kleines Haus in Amerika, aber mein Garten ist längst nicht so schön.«

      Er zuckte die Schultern.

      »Na ja, die Arbeit läßt mir nicht viel Zeit«, fügte er hinzu.

      Die Haushälterin kam heraus, in den Händen ein Tablett mit Kaffee und Kuchen. Der Bergpfarrer machte Felix mit Sophie Tappert bekannt. Während sie es sich schmecken ließen, erkundigte er sich nach dem Beruf seines Besuchers.

      »Entschuldigen S’ meine Neugier«, bat der Seelsorger. »Aber ich möchte mir natürlich ein Bild von Ihnen machen. Ich weiß ja nix von Ihnen, Herr Thorwald.«

      »Kein Problem, Hochwürden«, entgegnete der junge Mann und erzählte von sich.

      Irgendwie merkwürdig, dachte er zwischendurch, da sitze ich hier einem Mann gegenüber, von dem ich vor einer halben Stunde nur den Namen kannte, und spreche über mich und mein Leben. Aber dieser Pfarrer Trenker hat etwas an sich, das es mir leicht macht.

      »Und von Ihrem verstorbenen Onkel haben S’ gar nix gewußt?« fragte Sebastian, nachdem Felix auf den Grund seines Hierseins zu sprechen gekommen war.

      »Doch. Eigentlich schon. Allerdings muß ich es unbewußt verdrängt haben. Erst als ich bei dem Anwalt in New York war, fiel es mir nach und nach wieder ein. Meine Mutter hatte nie ein gutes Verhältnis zu ihrem Halbbruder.«

      Der Bergpfarrer nickte.

      »Ja, da gab es wohl einen dunklen Punkt in der Vergangenheit Ihrer Familie«, sagte er nachdenklich. »Franz Bachmann hat mir in seiner letzten Stunde einen Brief anvertraut, den er an Ihre Mutter zwar geschrieben, aber nie abgeschickt hatte. Der Brief liegt in meinem Arbeitszimmer. Sie bekommen ihn später. Zuerst hab’ ich da allerdings eine Frage…«

      Felix hob den Kopf.

      »Ja?«

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