Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Wenn diese beiden sich beruflich so weiterentwickelten, wie Markus es erwartete, dann konnte er endlich daran denken, seinem Leben eine ruhigere Wendung zu geben.
»So nachdenklich?«
Vronis Stimme unterbrach seine Gedanken.
»Ach, es geht einem schon einiges durch den Kopf«, antwortete er durch den Lärm.
»Und dabei vergißt’ ganz das Tanzen.«
Der leichte Vorwurf war nicht zu überhören. Markus lächelte und stand auf.
»Na, dann komm.«
Herrlich war es, in seinen Armen über das Parkett zu schweben, am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn der Tanz nie enden würde.
Genauso wie sein Bruder, war auch Markus ein sehr guter Tänzer. Formvollendet und sicher führte er das Madel, und Vroni überließ sich ihm ganz.
Es war ganz klar, daß damit noch nicht Schluß war. Dem ersten Tanz folgten der zweite, der dritte, ein vierter.
»Himmel, du bist ja unermüdlich«, japste der Bauingenieur in gespielter Erschöpfung. »Jetzt muß ich erst einmal was trinken.«
Sie gingen an die Sektbar und erfrischten sich. Tobias, der sie die ganze Zeit, am Tisch sitzend, beobachtet hatte, spürte, wie der Stachel der Eifersucht tief in ihm wühlte. In diesem Moment fühlte er zum ersten Mal Ärger über den Bruder. Für ihn war es ganz klar, daß Markus nur mit Vroni spielte, der verliebte Blick, den er dem Madel zuwarf, konnte nicht ernst gemeint sein.
In zwei Wochen reist er wieder ab, dachte der Bauernsohn. Und wer weiß, wann wir ihn wiedersehen? Will er da eine unglückliche Liebe zurücklassen?
Zorn stieg in ihm auf, als er sah, wie die beiden an der Sektbar standen. Selig lehnte Vroni sich an den jüngeren Bruder und hatte nur Augen für ihn. Markus hatte seinen Arm um sie gelegt und hielt sie fest an sich gepreßt.
Himmelherrgott, kann’s sein, daß ich dich verlier’, noch bevor’s überhaupt beginnt?
Vor Tagen noch war Tobias sicher gewesen, auf Vroni verzichten zu wollen, wenn es feststand, daß Markus ihr Auserwählter sei, und zwischen den beiden alles geklärt wäre. Doch in diesem Moment fühlte er nur die Eifersucht und den Zorn auf den Jüngeren, der einfach daherkam und sich das Madel schnappte, dem Tobias’ ganze Liebe galt.
Schuld an diesem Zustand war wohl auch der reichliche Biergenuß. Es waren kaum zwei Stunden vergangen, daß sie den Saal betreten hatten, aber in dieser recht kurzen Zeit hatte er vier Maß und mehrere Obstler getrunken. Ungewöhnlich viel, mehr als es sonst seine Art war.
Jemand hieb ihm die Hand auf die Schulter.
»He, Tobias, was ist mit dir los?« rief Florian Staadtler durch den Lärm. »Verträgst’ nix mehr?«
Der Bauernsohn hob den Kopf und starrte den anderen aus glasigen Augen an. Dann wandte sich sein Blick der Sektbar zu, und sein Herz schien einen Aussetzer zu machen, als er sah, wie Vroni und Markus sich küßten…
*
»Du hast mir immer noch net verraten, an wen du nun dein Herz verloren hast?« sagte Markus und lächelte Vroni dabei an.
Zwei Glas Sekt hatten sie getrunken, und der Bauingenieur ermahnte sich innerlich, zurückhaltender zu sein. Eine Maß und ein Obstler am Tisch, jetzt der Sekt! Er war es nicht mehr gewohnt, soviel Alkohol zu trinken. Auf der Baustelle war er strikt verboten – übermäßiger Genuß von Schnaps konnte, in diesem Klima, tödlich für einen Europäer sein. Ud nur selten trank er abends zum Essen ein Glas Wein.
Vroni erwiderte sein Lächeln, aber bei ihr wirkte es eher verlegen. Sie lehnte sich an ihn, und er legte seinen Arm um sie.
»Na, heraus mit der Sprache!«
Markus stellte sein leeres Glas auf den Tresen zurück. Seit dem Nachmittag, an dem er Vroni zum ersten Mal darauf angesprochen hatte, ahnte er, daß er der Auserwählte war.
War etwas dabei, wenn er sie jetzt küßte?
Warum net? Es gab keinerlei verwandtschaftliche Beziehung zwischen ihnen, die einen Kuß verboten hätten, und hübsch sah sie allemal aus. Viel schöner, als jede andere Frau, mit der er in seinem Leben bisher zu tun gehabt hatte.
Aber war es wirklich richtig, es zu tun? Weckte er damit nicht noch tiefere Gefühle und besonders Wünsche, die zu erfüllen er nicht bereit war? Nicht bereit sein konnte?
Unter den gegebenen Umständen war es ihm unmöglich, sich zu diesem Zeitpunkt zu binden. Überhaupt sah es seine Lebensplanung noch lange nicht vor. Wenn er einmal den Sprung in die Chefetage geschafft hatte, möglicherweise Teilhaber geworden war, ja, dann war es etwas anderes. Aber bis dahin…?
Sei’s drum! Diesen bittenden Augen, dem lockenden Mund – welcher Mann konnte da widerstehen?
Es schien, als habe Markus Anstetter in diesem Moment sein ganzes Denken ausgeschaltet. Er beugte sich zu Vroni hinunter, und als ihre Lippen sich trafen, jubilierte es in ihr auf.
Endlich, endlich, endlich, dachte Vroni Behringer, als sie Markus’ zärtlichen Kuß spürte. In diesem Moment war sie der glücklichste Mensch auf der Welt, und nichts und niemand hätte sie jetzt von ihm trennen können.
Auch nicht der Gedanken an Tobias.
Der Bauernsohn sah die beiden Verliebten an der Sektbar stehen, und es war, als lege sich eine eiserne Klammer um sein Herz. Die Brust wurde ihm eng, und einen Moment war er unfähig, zu atmen.
Schwerfällig richtete er sich auf, stemmte sich von der Tischplatte ab und wankte los. Zuerst hatte es den Anschein, als wollte er zur Sektbar gehen, doch dann drehte er sich um und torkelte dem Ausgang zu.
Sebastian hatte ihn die ganze Zeit im Blick. Es hatte eine Tanzpause gegeben, und so konnte der Bergpfarrer auch sehen, was sich an der Sektbar abspielte. Als er jetzt Tobias zum Ausgang wanken sah, stand er auf und folgte ihm. In diesem Zustand konnte er ihn unmöglich alleine lassen!
Der Bauernsohn hatte gerade die Straße betreten, als Sebastian ihn einholte.
»Tobias, wart’ einen Moment«, rief er.
Durch den Wechsel von der warmen, rauchigen Atmosphäre auf dem Saal in die frische Luft war er noch benommener geworden. Tobias Anstetter hatte Mühe, sich an der Hauswand festzuhalten. Er drehte den Kopf in Richtung des Rufers.
»Tut… tut mir leid, Hochwürden«, lallte er, als er den Geistlichen erkannte. »Ich…, ich hab’ wohl ein bissel zu viel getrunken.«
»Das kann vorkommen«, antwortete Sebastian und hakte ihn unter. »Komm, ich fahr’ dich nach Haus’.«
Tobias wollte protestieren.
»Ich