Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Es war erstaunlich, wieviel sie beide essen konnten. Trotz der großen Anzahl nahmen die belegten Brote rapide ab. Aber es schmeckte auch einfach herrlich, in der freien Natur, nach der ersten Etappe ihres Aufstiegs.
»Darf ich eine Frage stellen?«
Daniela nickte.
»Nur zu.«
»Na ja, vielleicht geht’s mich ja auch nix an«, sagte Sebastian Trenker. »Aber ich mach’ mir so meine Gedanken. Sie kommen ja nun schon viele Jahre hierher, und ich frag’ mich schon lang’, warum nie ein Begleiter dabei ist. Gibt’s keinen Mann, mit dem Sie Ihr Leben teilen wollen? Ich mein’, Sie sind doch eine attraktive Frau, da wird’s an Verehrern doch net mangeln.«
Natürlich wußte er von der Beziehung zwischen ihr und dem jungen Waldnerbauern, und seine Frage zielte eigentlich darauf hinaus, zu erfahren, ob zwischen den beiden immer noch das Band der Liebe hielt.
Die junge Lehrerin mußte lächeln, ja, Verehrer – gute Frage. Gestern hatte sie noch sehr lange überlegt, wie sie mit dem überraschenden Auftauchen Claus Rendels umgehen sollte. Vielleicht konnte der Geistliche ihr in der Angelegenheit einen guten Rat geben.
»Nein, an Verehrern – oder vielmehr an einem – mangelts net«, antwortete sie. »Aber der ist besonders hartnäckig.«
»Das klingt aber net danach, als ob Ihnen an ihm gelegen ist.«
Sie nickte.
»Das haben S’ richtig erkannt«, sagte sie. »Allerdings bin ich an dieser Situation net ganz unschuldig.«
Daniela berichtete, was sie schon gestern nachmittag Ria Stubler erzählt hatte. Wie es seine Art war, hörte Sebastian zu, ohne sie zu unterbrechen.
»Ein Gefangener der Liebe«, griff er dann auf, was Claus zu ihr gesagt hatte. »Die Liebe kann tatsächlich ein Gefängnis sein, aus dem man net wieder herauskommt. Besonders, wenn sie net erwidert wird.«
»Wie kann ich ihm denn bloß klarmachen, daß ich seine Gefühle net erwid’re?« fragte sie verzweifelt.
»Ich weiß, ich hätt’s gar net erst soweit kommen lassen dürfen. Aber es ist nun einmal gescheh’n, und ich kann’s net rückgängig machen.«
»Da haben S’ leider recht, Daniela. Was ich Ihnen da raten kann: Treffen S’ sich mit ihm und versuchen S’ die Angelegenheit in einem vernünftigen Gespräch zu klären. Vielleicht war die Idee Ihres Kollegen, Ihnen einfach hinterher zu fahren, gar net so schlecht. Zu Haus’, da seh’n S’ sich jeden Tag in der Schule. Da bleibt keine rechte Zeit, um sich auszusprechen. Hier sind S’ von allen Problemen, die der Beruf mit sich bringt, gelöst. Die Stimmung ist eine ganz andr’e, und man sieht die Dinge mit and’ren Augen. Versuchen S’, mit dem Herrn Rendl wie mit jemandem umzugeh’n, den S’ respektieren und mögen, der aber dennoch begreifen muß, daß seine Gefühle net erwidert werden.«
»Ach, Hochwürden, wenn’s nur so einfach wär’. Sie kennen Claus net. Im Beruf ist er ein nüchtern denkender Mensch, aber wenn er vor mir steht, dann hab’ ich manchmal den Eindruck, einen phantasierenden Halbwüchsigen vor mir zu haben. Dann ist er keinem klaren Wort zugänglich. Es kommt mir fast so vor, als höre er mir überhaupt net zu.«
Sebastian hob die Arme.
»Dann stellen S’ ihn mir doch mal vor«, meinte er. »Damit ich mir selbst ein Bild von ihm machen kann.«
Sie wanderten weiter. Ihr Ziel war die Jenneralm. Da oben lebte Maria Hornauser, zusammen mit Tochter, Schwiegersohn und Enkelkind. Aber bis dorthin hatten sie noch ein gutes Stück vor sich.
*
»Hochwürden, ich dank’ Ihnen ganz herzlich«, verabschiedete die junge Lehrerin sich am Abend von Sebastian Trenker.
»Es war mir eine Freude«, wehrte der Geistliche ab. »Vielleicht mögen S’ am Montag noch einmal mit kommen. Dann soll’s ein Stück den Kogler hinaufgehen.«
»O ja, da komm’ ich gern mit«, stimmte Daniela begeistert zu.
Sie winkte Sebastian zu und ging zur Pension. Auf der anderen Straßenseite schlurfte eine gebeugte Gestalt. Ein alter Mann in zerschlissenen Kleidern. Das graue Haar lugte zerzaust unter einem abgewetzten Hut hervor, und der wildwuchernde Rauschebart hätte dringend einmal gestutzt werden müssen. Als der Alte Daniela erblickte wechselte der die Straßenseite und kam herüber.
»Grüß Gott, schöne, junge Frau«, begrüßte der Brandhuber-Loisl sie.
Dabei machte er ein geheimnisvolles Gesicht.
»Haben S’ Verwendung für einen Kräutertee?«
Daniela schmunzelte und schüttelte den Kopf. Natürlich kannte sie ihn, immer wieder hatte der selbsternannte Wunderheiler von St. Johann versucht, ihr seine obskuren Heilmittel anzudrehen, wenn sie hier Urlaub machte.
»Ist aber reine Natur«, beharrte er, als sie weitergehen wollte. »Das bekommen S’ in keiner Apotheke, und es hilft gegen alle Leiden.«
Er grinste.
»Auch wenn’s in der Liebe net so recht klappen will… Eine Tasse von meinem Wundertee, und der Mann Ihrer Träume liegt Ihnen zu Füßen.«
Ob er auch einen Tee hat, der das Gegenteil bewirkt? überlegte sie. Vielleicht würde ja ein Aufguß davon bewirken, daß Claus Rendel sie in Ruhe ließ.
»Dank’ schön, Herr Brandhuber«, sagte sie. »Aber ich glaub’ net, daß es für das Problem, das ich hab’, ein Mittel gibt.«
Amüsiert ging sie weiter. Ria Stubler bemerkte, daß Daniela immer noch schmunzelte, als die Lehrerin in der Pension ankam.
»Wie ich seh’ geht’s dir gut«, stellte die Wirtin fest.
»Ich hab’ gerad’ den Brandhuber-Loisl getroffen«, erzählte Daniela. »Natürlich hat er versucht, mir was von seinem Tee zu verkaufen.«
»Du hast dich doch hoffentlich net darauf eingelassen?«
»Nein, natürlich net.«
»Ich möcht’ bloß wissen, wann der Herr Pfarrer diesem Scharlatan das Handwerk legt«, schimpfte Ria. »Was der schon alles angerichtet hat!«
»Na ja, wirklich schaden tut er ja niemanden, und Hochwürden hat mir mal erzählt, daß die Salben und Tees, die der Alte verhökert, harmlos sind. Sie helfen zwar net, aber sie sind auch net schädlich. Und die Leut’ haben doch selbst schuld, wenn’s auf den alten Quacksalber hereinfallen.«
»Wie steht’s, hast Hunger?« wechselte Ria das Thema. »So eine Tour ist doch wirklich anstrengend.«
»Ach, es geht. Wir haben prima auf der Jenneralm zu Mittag gegessen.«
»Gut, dann warten wir noch ein bisserl mit dem Abendbrot.«
Daniela nickte.
»Ich lauf’ erst mal hinauf und zieh mich um.«