Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Während des Winters betreute Nanni nur ihre Stammkundinnen, denn da war die elterliche Pension meist voller Gäste, und sie musste ihrer Mutter zur Hand gehen.
Frau Hagen, die Nanni besuchte, war eine alte Freundin ihrer Mutter, eine sehr feine und gebildete alte Dame, mit der Nanni sich gern unterhielt. Ihr Mann war Diplomat gewesen, und sie war viel in der Welt herumgekommen. Ihr Sohn, Karlheinz, war Nannis Jugendfreund gewesen, der an Kinderlähmung gestorben war. Ein gerütteltes Maß von Leid hatte die einsame Frau zu tragen, und die Stunden, in denen Nanni bei ihr war, waren die schönsten in ihrem Leben.
Die Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. »Nicht böse sein, Tante Tresi, dass ich erst heute komme, aber bei uns hat sich allerlei getan.«
»Annemarie hat mich schon angerufen, Kindchen. Ich habe mich schon gesorgt um dich«, sagte Frau Hagen, und Nanni fand, dass sie heute besonders erschöpft wirkte. »Viel kannst du nicht mit mir anfangen, Nanni. Mir scheint eine Grippe in den Gliedern zu stecken. Aber ich alte egoistische Frau wollte dich gern wieder einmal sehen.«
»Ich werde bald wieder mehr Zeit haben, Tante Tresi. Wenn Rubinchen gesund ist und ihr Vater kommt, wird er sie wohl mitnehmen oder nach Sophienlust bringen.«
Frau Hagen ließ ihren Blick in die Ferne schweifen. »Jan Campen – ich kann mich noch recht gut an ihn erinnern«, sagte sie gedankenverloren. »Eigentlich habe ich die beiden damals zusammengebracht. Wie seltsam das Leben doch spielt! Du kannst dich daran gewiss nicht mehr erinnern. Du warst ja noch im Internat. Jan Campen verbrachte hier einen Skiurlaub. Er wohnte bei mir. Ich hatte gern junge Menschen um mich, und damals war Karlheinz noch ein begeisterter Skiläufer. Meisterschaften wollte er gewinnen. Mein gutes Kind, nun wecke ich wieder traurige Erinnerung. Es tut mir leid.«
»Erzähl nur weiter, Tante Tresi. Ich habe nie wieder einen Jungen wie Karlheinz kennengelernt. Ich werde ihn nie vergessen.«
Frau Hagen streichelte ihre Wangen. »Es soll aber nicht der Anlass sein, dass du nie an ein eigenes Glück denkst, Nanni. Das Schicksal hat mir viel genommen, aber verbittert bin ich nicht, nur wehmütig. Ach ja, ich wollte doch erzählen, wie ich Jan Campen und Ruth zusammenbrachte. Ruth erledigte mir immer meine Besorgungen in der Stadt, und als sie an jenem Tag zurückkam, war ein Schneesturm wie neulich. Jan und Karlheinz waren noch nicht zurück vom Berg, und ich hatte natürlich Angst. Da blieb Ruth bei mir, und als die beiden dann kamen, versorgte sie die durchgefrorenen Burschen. Jan Campen muss das sehr gefallen haben, und er fragte mich, ob er Ruth nicht öfter sehen könne. Es war nicht einfach, denn Lilo hängte sich immer an sie. Sie dachte immer, sie würde sonst etwas versäumen. Sie haben sich dann schnell verlobt, die beiden, und als sie heirateten, war Karlheinz schon nicht mehr dabei.«
Ihre Stimme war immer leiser geworden. Auch Nanni spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Sie fühlte, dass die alte Dame in einer trübseligen Stimmung war, und das bereitete ihr Sorgen, denn Teresa Hagen verschonte ihre Umwelt sonst weitgehend mit ihren eigenen Problemen.
»Ich will dir nicht das Herz schwer machen, Kindchen«, sagte sie leise, »aber so langsam geht es auch mit mir zu Ende. Da wollte ich noch über einiges mit dir sprechen, Nanni. Du bist der einzige Mensch, der mir nahesteht. Du sollst alles bekommen, was ich hinterlasse.«
»Sprich doch bitte nicht davon, Tante Tresi«, sagte Nanni gequält.
»Warum nicht? Man kann die Zeit nicht aufhalten. Ich bin ganz ruhig, das sollst du wissen. Meine Lieben warten schon lange auf mich. Wäre Karlheinz bei uns geblieben, wärest du eines Tages wohl meine Schwiegertochter geworden, und ich hätte das Glück genießen können, Enkel zu haben. Das Schicksal wollte es anders. Aber weil ich dich so lieb habe, will ich nicht, dass du aus einem nüchternen Testament erfährst, dass du meine Erbin sein wirst. Du sollst nämlich keine Verpflichtungen darin sehen, Karlheinz immer die Treue zu halten. Ich meine, dass Jahre genug vergangen sind und dass du Anspruch auf Glück hast.«
»Es lässt sich nicht erzwingen, Tante Tresi. Es muss von selbst kommen«, sagte Nanni.
»Ach, man muss manchmal auch etwas dazu tun. Wie viel Menschen verbauen sich das Glück aus Rücksicht auf andere, vielleicht auch Selbstlosigkeit und manchmal wohl auch aus Unglauben. Man muss an das Glück glauben und manchmal auch dafür kämpfen. Ich weiß selbst nicht, warum ich das sage. So manches geht mir jetzt durch den Sinn. Ach was, erzähl mir jetzt lieber von Rubinchen. Gesehen hätte ich das Kind schon gern einmal.«
Nanni erzählte zunächst von Rubinchen, dann von den Schoeneckers, damit Frau Hagen auf frohere Gedanken gebracht wurde.
»Ja, das ist eine schöne, beglückende Lebensaufgabe«, sagte sie. »Aber es gehört viel Mut dazu und Selbstaufopferung.«
»Und dennoch haben sie es verstanden, auch in ihrer eigenen Familie eine vollkommene Harmonie zu erhalten.«
Während Nanni erzählte, bewegte sie die Arme und Beine der alten Dame in sanftem Rhythmus, aber sie spürte, wie kraftlos diese schon war.
*
Mittags war Jans Maschine mit halbstündiger Verspätung in München gelandet. Jede Minute der Verzögerung hatte seine Ungeduld gesteigert. Dann fand er auch noch einen Taxifahrer, der eine so weite Fahrt strikt ablehnte, weil er schon auf sein freies Wochenende vorbereitet gewesen war, und ihm einen Zug empfahl, der bereits in einer Stunde vom Hauptbahnhof fahren würde. Damit käme er bei dem Wochenendverkehr, wo alles in die Berge ströme, ohnehin schneller zum Ziel.
Er erreichte den Zug gerade noch und blieb bis zur nächsten Station allein im Abteil. Dann stieg eine sehr elegante junge Dame ein. Sie maß ihn mit einem kurzen abschätzenden Blick, setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine graziös übereinander.
Aus ihrer Tasche kramte sie ein goldenes Zigarettenetui. »Würden Sie bitte haben Feuer?«, fragte sie mit deutlichem Akzent. Er tippte auf Amerikanerin, die sich jedoch die Eleganz einer Pariserin angeeignet hatte.
Er holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche und knipste es an. Als sie sich vorbeugte, fielen ihr die Illustrierten, die auf ihren wohlgeformten Knien gelegen hatten, zu Boden.
Jan bückte sich, und seine Augen wurden starr, denn auf dem Titelbild war unverkennbar seine Tochter Rubinchen zu sehen.
»Verzeihung, dürfte ich diese Zeitschrift einmal ansehen?«, fragte er höflich.
»Bitte schön«, erwiderte die junge Dame lächelnd, ihn unter halbgeschlossenen Lidern betrachtend.
Seine Tochter als Titelbild auf einer Illustrierten! Schlug Lilo etwa auch daraus Kapital? Stimmt wirklich alles, was Nanette von Willbrecht ihm geschrieben hatte?
»Ein süßes Kind, nicht wahr?«, fragte sein Gegenüber. »Ein ganz großes Talent. Ihretwegen fahre ich in diesem Zug.«
In Jans Kopf tickte es. Sollte der Zufall ihm mehr an Auskünften bescheren, als er auch nur im Entferntesten hatte ahnen können? Mit einigem diplomatischen Geschick müsste er eigentlich mehr aus ihr herausbekommen. Er war gewiss nicht eitel, aber er wusste recht gut, dass er seine Wirkung auf Frauen nicht verfehlte, wenn er seinen Charme spielen ließ.
»Ich finde es immer ein wenig bedauerlich, wenn kleine Kinder sich schon so produzieren«, bemerkte er beiläufig.
Die junge Dame lachte hellauf. »Ach, das macht ihnen doch Spaß, und sie verdienen schon