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»Die Frau von Claudieuse«, antwortete der Bauer in einem von Ehrerbietung durchdrungenen Ton, »fand ich in der Scheune neben dem Herrn Grafen kniend, beschäftigt, seine Wunden mit frischem Wasser zu waschen. – Auch die beiden kleinen Fräulein waren bei ihr.«
Herr Sénéchal schauderte.
»Sollte hier ein Verbrechen geschehen sein?« murmelte er.
»Das ist gewiß.«
»Von wem? Zu welchem Zweck?«
»Ach, wer weiß!«
»Herr von Claudieuse ist sehr heftig, das ist wahr, sehr jähzornig, aber er ist der beste, rechtschaffenste Mensch, wie jedermann weiß –«
»Jedermann!«
»Er hat dem Lande immer nur Gutes erwiesen.«
»Niemand dürfte das Gegenteil behaupten!«
»Was die Gräfin betrifft –«
»Oh!« rief der Bauer mit Inbrunst, »die Frau Gräfin ist eine Heilige!«
Der Bürgermeister suchte sich seine Schlußfolgerungen. »Der Schuldige«, kombinierte er, »wäre also ein Fremder? Wir werden überlaufen von Vagabunden und durchziehenden Bettlern. Es vergeht kein Tag, wo nicht deren etliche in der Meierei erscheinen, um Reiseunterstützung zu bitten, Leute mit Galgengesichtern!«
Kopfschüttelnd bestätigte der Bauer: »Das war auch meine Meinung. Und – was Ihnen zum Beweise dienen mag – darum habe ich unterwegs gedacht, daß ich vielleicht gut daran täte, sobald der Arzt in Kenntnis gesetzt wäre, auch die Polizei zu benachrichtigen ...«
»Das ist unnötig«, unterbrach Herr Sénéchal den andern, »das ist eine Sorge, die mir zufällt. In zehn Minuten werde ich beim Staatsanwalt sein ... Und nun vorwärts, schont Euer Pferd nicht und sagt Frau von Claudieuse, daß wir folgen.«
Während seiner ganzen langen Amtstätigkeit war der Bürgermeister von Sauveterre noch nie so jählings aus seiner Ruhe aufgerüttelt worden.
Er verlor den Kopf darüber nicht mehr und nicht weniger als an jenem andern verhängnisvollen Tage, an dem ihm unversehens neunhundert Mann Mobilgarde zugewiesen wurden, die er mit Kost und Wohnung versehen sollte. – Ohne die Hilfe seiner Frau wäre er nie in seine Kleider gekommen.
Doch war er bereit, als der Bediente wieder erschien.
»Bei Gott«, dachte er bei sich selbst, »wenn ich nur den Daubigeon zu Hause finde!«
Herr Daubigeon, der ehemals kaiserlicher Staatsanwalt, dann ein solcher der Republik gewesen, war einer von Herrn Sénéchals besten Freunden.
Er war ein Mann von etwa vierzig Jahren, mit schlauem Blick und lächelnden Mienen, der sich in den Kopf gesetzt hatte, Junggeselle zu bleiben, und sich dessen gern zu rühmen pflegte.
Man fand aber in Sauveterre, daß weder sein Wesen noch sein Äußeres sein gestrenges Amt verriet.
Übrigens war er allgemein geachtet, nur warf man ihm heftig seine optimistische Philosophie und seine Gutmütigkeit vor, besonders aber seine Nachlässigkeit bei den Untersuchungen, eine Nachlässigkeit, die in strafbare Schwäche ausartete und dem Verbrechen Vorschub leistete.
Er selbst warf sich vor, »das heilige Feuer« nicht zu besitzen und, wie er sich ausdrückte, der kalten Themis soviel Zeit als möglich zu rauben, um sie liebenswürdigeren Musen zu widmen.
Als »aufgeklärter Sammler« hatte er eine Passion für schöne Bücher, für seltene Ausgaben alter Werke, für kostbare Einbände, schöne Sammlungen von Stichen, und der größte Teil seiner zehntausend Francs jährlicher Rente wurde für diese seine »geliebten Scharteken« verausgabt.
Als Gelehrter »der alten Schule« widmete er den lateinischen Dichtern Vergil, Juvenal und namentlich Horaz eine Verehrung, welche sich in fortwährenden Zitaten kundtat.
Aus dem Schlaf emporgeschreckt, wie alle Welt, eilte dieser würdige und elegante Herr sich anzukleiden, um Erkundigungen einzuziehen, als seine alte Wirtschafterin ganz entsetzt hereinstürzte, um Herrn Sénéchals Besuch zu melden.
»Er trete ein«, rief er, »er trete ein!«
»Denn«, fuhr er fort, als der Bürgermeister kaum in der Türe erschienen war, »Sie werden mir doch Nachricht bringen, was all der Tumult, das Geschrei, das Trommelgewirbel zu bedeuten hat!
... ›Clamorque virum, clangorque tubarum!‹«
»Ein fürchterliches Unglück ist geschehen«, stieß Herr Sénéchal heraus in einem Ton, daß jedermann hätte schwören mögen, er selbst sei der Betroffene.
Das war auch so sehr Herrn Daubigeons Eindruck, daß er alsbald ausrief: »Was gibt es, mein teurer Freund? Quid? Mut, zum Henker! Erinnern Sie sich der Mahnung des Dichters, im Mißgeschick eine immer gleichmütige Seele zu bewahren!
› Aequam, memento, rebus in arduis Servare mentem ...‹«
»Der Graf von Claudieuse stirbt vielleicht in diesem Augenblick als Opfer eines feigen Mordversuches.«
»Oh!...«
»Die Trommel, die Sie vernehmen, vereinigt die Feuerwehrleute, die ich alsbald abschicken will, um das in Valpinson ausgebrochene Feuer zu löschen, und daß ich zu dieser Stunde bei Ihnen erscheine, geschieht aus amtlichen Gründen, um Ihnen das Verbrechen anzuzeigen und alsbald Gerechtigkeit zu fordern.«
Das war mehr als genug, um alle Zitate auf den Lippen des Staatsanwalts ersterben zu lassen.
»Genug«! rief er erschreckt. »Kommen Sie, wir wollen unsere Maßregeln treffen, daß die Schuldigen uns nicht entrinnen!«
Als sie in der Rue nationale ankamen, war diese belebter als sonst am hellen Tage; denn Sauveterre ist einer jener unbedeutenden Amtsbezirke, wo Zerstreuungen so selten vorkommen, daß jeder Anlaß zur Aufregung begierig ergriffen wird.
Schon war die traurige Begebenheit bekannt und besprochen worden. Anfangs hatte man gezweifelt, aber man war überzeugt, als man das Kabriolett des Doktors Seignebos in Begleitung eines reitenden Bauern in vollem Galopp vorbeieilen sah.
Die Feuerwehrleute ihrerseits hatten keine Zeit verloren.
Kaum wurde des Bürgermeisters und Herrn Daubigeons Ankunft auf dem Neumarkt angezeigt, als der Hauptmann Parenteau