Das magische Wien. Gerhard Kunze

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Das magische Wien - Gerhard Kunze

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Tortur“ konnte man nachlesen, und wann man dem frei in der Luft hängenden Gefangenen zusätzlich Gewichte anbinden durfte. Selbst der Umgang mit Hexen und Zauberern war in dem Büchlein exakt geregelt.

      Dass die Folter oder die sogenannten „strengen Fragen“ schließlich verboten wurden, ist Joseph von Sonnenfels (1732–1817) zu verdanken. Der österreichische Schriftsteller (150 Bücher) und Universitätsprofessor erreichte durch Publikationen und Interventionen ein Umdenken bei Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II., sodass die Herrscher die Tortur schließlich verboten – eine Pioniertat für Europa und ein Beweis dafür, wie Gedanken Veränderungen herbeiführen.

      Sonnenfels bediente sich dabei, vielleicht unbewusst, einer magischen Technik, die jeder für sein eigenes Leben anwenden kann. Diese lautet: Formuliere deine Wünsche exakt als bereits erreichtes Ziel und schreibe dieses am besten auf. Versetze dich geistig in die Situation des erreichten Zieles und lass die Zeit arbeiten. Dann kann das Universum dir zu Diensten sein und auf unvorhersehbare Weise deinen Wunsch erfüllen. Gedanken wie „ich möchte haben“ werden sich auch erfüllen, allerdings wirst du im Zustand des „ich möchte haben“ verbleiben. Damit ist nichts erreicht. Mit anderen Worten: Gute Gedanken erfüllen sich – schlechte auch. Richtige Gedanken wirken wie ein Magnet auf Eisen: Sie ziehen das an, was sie enthalten. Aber: Jede Erfindung, jedes Kunstwerk, jede Aktion muss zuerst im Kopf vorhanden sein. Sonnenfels lieferte ein klassisches Beispiel: Er beschrieb in einem Buch eine Welt ohne Folter und wurde nicht müde, diesen Zustand zu vertreten, obwohl die Gerichte, Politiker und sogar die Kaiserin dagegen waren, die Folter aufzulassen. Schließlich wurden seine Vorstellungen erfüllt. Seine Gedanken haben gesiegt.

      Diese Praxis wird heute speziell beim Training von Spitzensportlern, Schauspielern und Topmanagern angewendet und längst nicht mehr als „magisch“ bezeichnet. Mittlerweile ist sie als Mentaltraining anerkannt. Der Kernsatz lautet: Die Siege beginnen im Kopf, die Verluste auch – also denke dich als Sieger, dann wirst du auch einer sein.

      Mit seinen Publikationen nahm Joseph von Sonnenfels den modernen kritischen Journalismus vorweg. Er war mit Ludwig van Beethoven befreundet, der ihm die Klaviersonate in D-Dur op. 28 widmete. Der Schriftsteller wurde Berater bei Hofe, Präsident der Akademie der bildenden Künste, Freimaurer und Oberhaupt der Wiener Illuminaten. Sein Denkmal steht am Rathausplatz, ein zweites ist Teil des Maria-Theresia-Denkmals in Wien auf dem Maria-Theresien-Platz an der Wiener Ringstraße, und im 1. Bezirk gibt es die Sonnenfelsgasse. Diese drei Stellen gelten als starke Kraftorte, die es wert sind, aufgesucht zu werden.

       Strenge Sitten und Lachverbot

      Nach dem Tod von Karl VI. (1685–1740), Maria Theresias Vater, sahen die Verwandten, die in anderen Ländern regierten, begehrlich auf das Erbe und forderten Länder ein. Friedrich II. von Preußen (1712–1786) verlangte für die Anerkennung Maria Theresias als Herrscherin die Provinz Schlesien und marschierte gleich dort ein. Damit löste der damals noch junge „Alte Fritz“ die Österreichischen Erbfolgekriege aus. Österreich verlor Schlesien und begann seine Armee zu modernisieren. In Wiener Neustadt wurde 1751 die Theresianische Militärakademie gegründet, die älteste Militärakademie der Welt, die sogar den geheimen habsburgischen Wahlspruch „AEIOU“ im Wappen trägt.

      „Mach er mir tüchtige Officirs und rechtschaffene Männer daraus“ sagte Maria Theresia damals zum Ersten Kommandanten Feldmarschall Leopold Joseph von Daun (1705–1766). Ihren Generälen, die noch gerne theatralische Belagerungen mit pompösen Aufmärschen durchführten, empfahl die Kaiserin, „den Feind zu überraschen und mit List und Brutalität zu besiegen“ – Erkenntnisse moderner Kriegsführung, die sie sich beim nächtelangen Kartenspielen angeeignet hatte.

      Als der Erbfolgekrieg beendet, die Heeresreform im Gange war und der darauf folgende Siebenjährige Krieg noch nicht begonnen hatte, blieb Zeit, um auch im Landesinneren „wichtige“ Reformen umzusetzen. Als Erstes fiel der Blick der Kaiserin auf die Sitten im Land, denn die waren ihr zu liederlich und verkommen. Also nahm sie sich ein Beispiel an ihrem Ahnherrn Ferdinand I., der rund 200 Jahre zuvor eine Keuschheitskommission gegründet hatte, die aber irgendwie vergessen und von seinem Sohn Kaiser Maximilian II. (1527–1576) nicht weitergeführt wurde. Diese Instanz ließ Maria Theresia 1752 wieder aufleben: „Öffentliche Ärgernisse“ und „anstößiges Beisammensein von Männern und Frauen“ sollte unterbunden werden, Homosexuelle und „unzüchtige Weibspersonen“ wurden verfolgt. Bei Prostitution gab es Geldstrafen, Auspeitschung, Zwangsarbeit und sogar Ausweisung – donauabwärts ins Banat (heute ein Teil von Rumänien, Serbien und Ungarn). Man erzählt sich, dass Maria Theresia vor allem durch die Untreue ihres Gatten Franz Stephan zur Weiterführung dieser Kommission inspiriert wurde. „Schändliche Spione, die man Keuschheitskommissare nannte, waren die unerbittlichen Quälgeister aller hübschen Mädchen“, berichtete Giacomo Casanova, der damals in Wien weilte und selbst mit den Sittenwächtern zusammenstieß: Als er sich einmal hinter einem Busch erleichterte, wurde er wegen „Wildpinkeln“ verwarnt, später vorgeladen und schließlich des Landes verwiesen. Da nützten ihm auch Verbindungen zu höchsten Kreisen nichts. Der italienische Schriftsteller und Abenteurer, der ursprünglich Priester werden wollte und seine kirchliche Laufbahn aufgab, nachdem er bei seiner Predigt in der Kirche San Samuele in Venedig betrunken von der Kanzel gefallen war, musste Österreich verlassen.

      Doch Casanova hatte es immer noch besser als die Figuren vom Donnerbrunnen am Neuen Markt in Wien – die fielen nämlich ebenfalls der Keuschheitskommission zum Opfer, wurden 1773 wegen ihrer Nacktheit „verhaftet“ und sollten sogar eingeschmolzen werden. Der damit beauftragte Bildhauer Johann Martin Fischer erkannte aber ihren künstlerischen Wert, restaurierte und versteckte sie. 1802 wurden die Figuren dann wieder aufgestellt. Wer sich an diesem Brunnen aufhält, wird feststellen, dass eine sehr starke mystische Kraft von ihm ausgeht, der belebend auf den gesamten menschlichen Organismus wirkt.

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      Die kunstvollen Figuren des Donnerbrunnens am Hohen Markt in Wien erregten Maria Theresias Keuschheitskommission.

      Maria Theresias Keuschheitskommission tobte 50 Jahre und brachte die dunkelsten Seiten der Menschen zum Vorschein: allgegenwärtige Verdächtigungen, Verfolgungen, Verleumdungen und Verrat ohne Ende, hervorgerufen durch ein Gesetz voll böser Worte, die nach den Regeln der schwarzen Magie Gestalt annahmen, ein grausames Eigenleben entwickelten und sich verbreiteten. Im Justizministerium wurden die Spitzelakte in einem großen Raum bis 1927 aufbewahrt, dann holten sich die Flammen beim Brand des Justizpalastes die Akten mit den bösen Worten und schickten sie zurück in die Hölle. Doch die schwarze Magie ist nicht tot – in den über 250 Jahren, die seit ihrer Gründung vergangen sind, kam die Keuschheitskommission immer wieder zurück, mit wechselnden Namen, aber stets in menschenverachtender Gestalt. Geleitet wurde sie vom Palais Niederösterreich aus, in der Herrengasse in der Wiener Innenstadt. Verhöre, gynäkologische Untersuchungen und Schläge mit Ruten erfolgten in der Schranne am Hohen Markt 10–12. Züchtlinge wurden auch zum Gassenkehren verurteilt. Der Hohe Markt „war einer der ältesten Richtplätze der Stadt. Hier hat man Verurteilte geköpft und gerädert. Übeltäter konnten auch an den Pranger gebunden werden, wo an ihnen Prügelstrafen und Auspeitschungen vollzogen wurden“, schreibt die Autorin und Fremdenführerin Gabriele Buchas und meint: „Diese Hinrichtungsplätze sind die Schattenplätze unserer Geschichte.“ Wenn man von den menschlichen Tragödien, die sich an Orten wie dem Hohen Markt in der Wiener Innenstadt abgespielt haben, weiß und in der Lage ist, mit der unaufgelösten, diffusen Aura dort umzugehen, kann man diese durchaus als kräftigend empfinden. Denn die Schwingungen an Plätzen, an welchen Leid und Qual alltäglich waren und stets reichlich Blut floss, sind stark – sehr stark, weshalb auch viel Energie produziert wird, die man positiv nutzen kann. Wenn das immer wieder geschieht, wird eine neue Harmonie und Ordnung an diesem Platz wachsen. 78 Jahre nach Gründung dieser schändlichen Kommission fand die Uraufführung

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