Das magische Wien. Gerhard Kunze
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Gensi, der Clown vom Zirkus Roncalli, ist begeistert von Maria Theresia und widmete ihr ein Ständchen auf der Geige.
Das galt ebenso für das 1752 von „allerhöchster Stelle“ verordnete „Extemporierverbot“, das klare „Nein“ zu aus dem Stegreif gesprochenen Theaterauftritten. Damit wollte Maria Theresia erreichen, dass die Darsteller bei Wiener Volksstücken auf der Bühne nur „genehme Worte“ sprachen und keine „anstößige Gestick“ zeigten. Die Stücke mussten schriftlich eingereicht werden, man hat außerdem eine eigene Zensurkommission eingerichtet. Vor allem deftige Komödien mit Angriffen auf die Obrigkeit durch den Volkshelden Hanswurst, über den so viel gelacht wurde, sollten verschwinden. In den Stücken durften auch keine traurigen Begebenheiten mehr vorkommen. Die Wiener Theaterfreunde fanden es aber dennoch zum Weinen. Später forderte Joseph II. per Dekret sogar einen „Wiener Schluss“: Am Burgtheater mussten deshalb Stücke wie „Romeo und Julia“, „Hamlet“ und Co. umgeschrieben werden, sie bekamen ein Happy End. Werke von Schiller wurden zur Gänze vom Spielplan verbannt. Auch Joseph von Sonnenfels war der Meinung, der Hanswurst gehörte verboten. Er setzte sich mit kühnem Wortschwall mitten in den Fettnapf im inzwischen als „Hanswurststreit“ immer heftiger gewordenen Konflikt Kasperl gegen Sonnenfels, der mit dem Wurstl als strahlend-lachenden Sieger in die Geschichte einging. Maria Theresia erntete mit dem „Extemporierverbot“ nur Spott und Hohn, da der Hanswurst nicht totzukriegen, wie fast 200 Jahre später Heinz Conrads so überzeugend singen würde: „Den Wurschtl kaun kana daschlogn … [Den Hanswurst kann niemand erschlagen], er wurschtlt sich durch – er wurschtelt sich raus – und schaut er vielleicht – ganz verwurschtlt auch aus.“ Die Magie der Volksbühne ist unüberwindbar, bis heute, auch wenn manche abgehobenen Kulturmenschen mit hochgezogenen Augenbrauen behaupten, dies und das sei zu verbieten; die Wurzeln, die aus dem Volk kommen, sind die stärksten Bindungen und produzieren die meisten Energien.
Heinz Conrads, hier mit Gattin, war Österreichs beliebtester TV-Star. Er sang das Lied vom unsterblichen Wurschtl.
Durch die Pleite mit dem Lachverbot wurde Maria Theresia in ihrer Überzeugung bestärkt: „Schauspieler sind eine Bagage.“ Dennoch sagte sie: „Ohne Theater halt man es hier ja gar net aus.“ Musste sie auch nicht, denn in Schönbrunn hatte sie bereits seit 1747 ein eigenes wunderschönes Schlosstheater, das noch heute besteht. Dabei handelte es sich um einen starken Kraftort inmitten des Kraftzentrums Schönbrunn.
Maria Theresia und der Tanz der Vampire
Die Nacht in Transsylvanien war kalt und eisig. Der Vollmond stand hoch am sternenklaren Himmel und beleuchtete die tief verschneiten Hügel. Alles erschien in magischem Blau. Von der Ferne hörte man das Schellen der Glöckchen am Zaumzeug der Pferde, die einen offenen Schlitten zogen, der rasch näher kam: Drei Personen waren auf der Flucht vor dem berüchtigten Vampir-Grafen von Krolock und seiner Sippe. Am Kutschbock saß der schusselige Professor Abronsius, der mit seinem tollpatschigen Assistenten Alfred ausgezogen war, um das Böse zu vernichten und sich plötzlich mitten in einem Familienfest der Untoten wiederfand. Auf der Flucht befreiten sie die schöne Sarah, die Krolock entführt hatte. Sie saß nun eng umschlungen mit dem verliebten Alfred in der Kutsche, der nicht ahnte, dass seine Angebetete längst ein Vampir geworden war und er selbst das nächste Opfer sein würde. Unbeirrt lenkte der Professor den Schlitten durch die Nacht, während hinter seinem Rücken das schöne Mädchen den Mund wie zum Kuss öffnete und sich Alfred näherte. Plötzlich wurden zwei große Reißzähne sichtbar, und blitzschnell biss sie dem jungen Mann in den Hals, um ihm das Blut auszusaugen – der Professor am Kutschbock merkte davon nichts. „In jener Nacht in den Südkarpaten war Professor Ambrosius nicht klar, dass er das Böse, das er vernichten wollte, mit sich schleppte. Mit seiner Hilfe konnte es sich über die ganze Welt ausbreiten …“ So endet der Film „Tanz der Vampire“ von Roman Polański, die vielleicht komischste Horrorkomödie der Filmgeschichte. Millionen Zuseher in aller Welt haben darüber gelacht. Gleichzeitig ist der Streifen ein prominentes Beispiel dafür, dass der „Vampir-Erlass“ Maria Theresias vom 1. März 1755 völlig danebenging, aber den größten und nachhaltigsten wirtschaftlichen Erfolg ihrer Regierung ausgelöst hat, der bis heute kein Ende findet. Und er kostet dem Staat keinen Cent. Dabei war alles ganz anders gemeint.
Zur Zeit Maria Theresias kamen aus den Grenzregionen des Habsburgerreiches vermehrt Berichte an den kaiserlichen Hof nach Wien, in denen Geister und Personen auftauchten, die mit der „Magia posthumus“ (Zauberei der Abgestorbenen) behaftet, also Vampire waren. Vom „Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern“ und der „wahren Beschaffenheit der Blutsauger“ war die Rede. Sie verwandeln sich in Fledermäuse und überfallen Menschen, hieß es da, und sie saugen ihnen Blut aus. Von Vampiren Gebissene würden selbst Vampire werden und lebten als solche: unsterblich, aber untot. Sie würden in Gräbern und Grüften schlafen und könnten sich nur bei Nacht frei bewegen. Auch wurde berichtet, sie hätten Angst vor Knoblauch, Kruzifixen und Weihwasser. Bei Sonnenlicht zerfielen sie angeblich zu Staub. Man konnte sie nur vernichten, indem man ihnen einen Holzpflock mitten durchs Herz stößt, ihren Kopf abschlägt und sie verbrennt. In vielen Orten wurden bei Vampirverdacht, oft mithilfe des Ortspfarrers, Gräber geöffnet, Leichen herausgeholt und wie beschrieben vernichtet. Der Kaiserin in Wien gefielen diese Berichte gar nicht und sie beauftragte ihren Leibarzt und wissenschaftlichen Berater Gerard van Swieten, hier Klarheit zu schaffen.
Maria-Theresien-Denkmal: Maria Theresias Leibarzt Gerard van Swieten und der kleine Mozart.
Van Swieten kam aus Leiden, Holland, von der damals angesehensten Universität, und wurde durch seine Aktionen und wissenschaftlichen Reformen zum Gründer der „Älteren Wiener Medizinischen Schule“. Er bezeichnete den Vampirmythos als „Barbarei der Unwissenheit“, die er unbedingt beenden wollte. Er fuhr also nach Mähren, von wo gerade eine Vampir-Hinrichtung gemeldet wurde, und untersuchte die Sachlage vor Ort, um der Kaiserin zu berichten. Außerdem schrieb er ein Buch: „Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhang von Vampyrismus“. Auf über 200 Seiten erklärte er, was „der Unterschied zwischen einem Geiste und Gespenste ist“ aber auch, dass Gespenstererscheinungen „gemeinlich leere Einbildungen, falsche Erfindungen und öfters lächerliche Begebenheiten sind“. Der „Vampyrismus“ wurde von Gerard van Swieten arg zerpflückt. Er zeigte auf, dass sich alles auf natürliche Art erklären ließ, sodass nichts davon übrig blieb, vor dem man sich beunruhigen lassen müsste. Kaiserin Maria Theresia war zufrieden und beschloss, die Sache mit einem „Vampir-Erlass“ zu regeln, in dem sie festlegte, dass alles, was die Bevölkerung zur Vernichtung von Vampiren bisher unternommen hatte, wie Pflöcke durchs Herz zu stoßen, Köpfe abzuschlagen oder Leichen zu verbrennen, ab sofort verboten war und als Leichenschändung verfolgt und streng bestraft werden würde. Die Vampire, falls es welche in Österreich gab, konnten sich nun sicher fühlen. Ihr ewiges untotes Leben war durch kaiserlichen Erlass gesichert.
Es schien alles in Ordnung und es wurden keine Vampirverfolgungen mehr bekannt. Maria Theresia konnte nicht ahnen, dass das Böse, das sie verbieten wollte, nun erst so richtig zum untoten Leben erwachen würde und sich über die ganze Welt verbreiten sollte – auch wenn sich, wie Van Swieten meinte, alles ganz natürlich erklären ließ. Doch darum konnte sich die Kaiserin nicht weiter kümmern. Sie musste sich anderen Aufgaben zuwenden, außerdem erwartete sie ihr 15. Kind, Maria Antonia, besser bekannt als Marie Antoinette. Sie wurde als 15-Jährige mit dem französischen König Ludwig XVI. verheiratet. Ihr sollte im Leben genau das passieren, was ihre Mutter den Untoten ersparen wollte: Sie wurde am 16. Oktober 1793 während der Französischen Revolution in Paris geköpft. Auch Gerard van Swieten ahnte