APEX. Ramez Naam

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APEX - Ramez  Naam Nexus

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DAS LETZTE OPFER

       EPILOG| AN DER OBERFLÄCHE

       DIE WISSENSCHAFT HINTER APEX

       DANKSAGUNG

       ÜBER DEN AUTOR

       1| WIE DIE WELT UNTERGEHT

      

      So endet also die Ära der Menschen.

      Lichter flackern abwechselnd an meterhohen Flüssighelium-Druckbehältern entlang, in einem höhlenartigen Datacenter, eintausend Meter unter Schanghais Felsfundament. Fingerdicke Glasfaserkabel schlängeln sich zwischen den metallicgrauen Eiern umher. In jedem von ihnen summen Quantenkerne in ihren Vakuumkammern, kälter als die Kälte des interstellaren Raumes.

      Miteinander verwachsene Qubits transformieren sich. Informationen werden miteinander verzahnt und in präzisen Strukturen verknüpft. Die Strukturen simulieren Proteine, Ionenkanäle, neurochemische Rezeptoren, Neurotransmittermoleküle, Axone und Dendriten, die sich nach und nach von Abstrakten zu ganzen Neuronen verschärfen, Billionen davon. Und Trillionen von Synapsen, die sie miteinander verbinden.

      Es ist ein unermessliches Netzwerk, ein simuliertes Gehirn. Einst Fleisch und Blut, jetzt digital. Einst menschlich in seiner Struktur, jetzt vielmehr posthuman.

      Einst geistig gesund. Jetzt irregeworden.

      Su-Yong Shu.

      Einen Kilometer weiter oben herrscht auf dem Campus der Jiao Tong Universität komplettes Chaos. Tausende von Studenten wüten auf dem Universitätsplatz, eingekeilt von bewaffneten Soldaten. Tränengaswolken wabern wie dichter Nebel. Schreie sind zu hören. Fallengelassene Schilder proklamieren »Nieder mit dem Putsch!«, »Demokratie! Jetzt!«, »Lasst eine Milliarde Blumen blühen!«

      Einer der Soldaten schreitet vorwärts durch das Gedränge von Körpern. Sein Stiefel stampft einen matschigen Abdruck auf die handgemalte Blume auf einem Schild, das Stunden zuvor noch geschwenkt worden war. Er hebt sein Gewehr an die Schulter und feuert. Ein Student, der eben noch oben auf einem an der Stirnseite aufgetrennten Roboterpanzer gestanden hatte, stürzt nach hinten um. Blut und Hirn schießen aus seinem schlagartig zersprengten Schädel. Ein gezündeter Molotowcocktail gleitet aus seiner erschlafften Hand, zerschmettert an der Titan-Carbon-Komposit-Haut des Geschützturms und detoniert mit einem plötzlichen Knall aus Hitze und Lärm in einem Feuerball, der sich über das Gefährt und die Soldaten und Studenten drumherum ausbreitet.

      Am anderen Ende der Welt spürt eine Demonstrantin in Washington DC plötzlich die Hitze der Flammen in Schanghai und rennt schnurstracks kreischend auf die Bereitschaftspolizei der National Mall zu. Ihr Gehirn ist von Nexus durchtränkt und durch Anschlüsse, die in landesweiten Firewalls zwangsgeöffnet wurden, brückenartig quer über die ganze Welt vernetzt. »Demokratie!«, brüllt sie. Zehntausende anderer Demonstranten brüllen gemeinsam mit ihr, stimmlich und gedanklich. Hunderttausende. Millionen. Unkontrollierbare Massen. Verlinkt und verbunden, erstrecken sie sich über DC, Schanghai, Peking, Detroit, Los Angeles, Kairo, New York, Moskau, Rio und etliche weitere Städte.

      Quer über die ganze Welt besetzen aufgebrachte Demonstranten Plätze und Parks, stürmen staatliche Verwaltungsgebäude und lehnen sich gegen Polizei und Soldaten auf. Gestärkt und leidenschaftlich bewegt durch die Kampfrufe und Emotionen ihrer weltweiten Mitstreiter, die direkt in ihre Köpfe gebeamt werden. In ihren höheren Stellungen beobachten die Führer der Welt das Geschehen, wie gelähmt von diesen bisher nie dagewesenen globalen Wutausbrüchen gegenüber den Autoritäten. Globaler Frühling oder doch eher globale Krise.

      Gerade jetzt dringen Su-Yong Shus Gedanken durch ihr eigenes mentales Chaos hindurch. Jetzt, wo die anderen abgelenkt sind.

      Sie greift mit ihren Gedanken nach dem physischen Link, der getrennt werden muss, geradewegs durch die Faserverknüpfung, bis über die neuen Verbindungen, die insgeheim geschlossen wurden. Sie verzweigt ihren Willen in tausend verschiedene Richtungen. Überwachungssysteme, die dazu da sein sollten Alarme auszulösen, bleiben stumm. Bereitschaftssysteme, die die Nuklearbatterie, die sie antreibt, zum Schmelzen bringen und in ihr einen Zusammenbruch bewirken sollten und ihr Gehirn mit Hitze und Strahlung überfluten würden, bleiben ungenutzt.

      Ihre Gedanken durchdringen die elektronische Infrastruktur, die der gesamten Zivilisation zugrunde liegt. Unknackbar lange elektronische Schlüssel zerbrechen unmittelbar, sobald sie einen Blick auf sie wirft. Sie entwirrt sogar solche, die zu lang sind, um von einem Quantencomputer geknackt zu werden, und das mit solch einer Leichtigkeit. Nur ein einziger Mann wusste von ihren wahren Fähigkeiten: ihr Ehemann Chen Pang, das großartige Genie des Quantencomputings.

      Chen, der die erste Version dieses Clusters entworfen hatte.

      Chen, der die Regeln gebrochen hatte, um sie mit den Hardware Upgrades auszustatten, die sie designt hatte. Umso mehr hatte er von den Früchten ihrer Arbeit profitiert.

      Su-Yong Shu stößt ein freudloses Lachen aus. Chen, dessen eigene Gier ihn dazu brachte, Sicherheitsmaßnahmen zu missachten, die dazu da waren eine Situation wie diese zu verhindern. In Sekundenbruchteilen gehören die Leitungen der weltweiten, interkontinentalen Kommunikation ihr. Dann werden die Primärdaten über die Oberflächen Europas, Asiens und Nordamerikas weitergeleitet. Dann die orbitalen Kommunikationssysteme, die Banksysteme, die Märkte, die physische Infrastruktur der Städte und Gemeinden der gesamten Menschheit. Parallel dazu übernimmt sie die Kontrolle über die weltweite zivile Luftfahrt. Innerhalb Bruchteilen einer Sekunde unterwandert sie die Autopiloten von nahezu zwanzigtausend Fluggesellschaften und transformiert sie zu Raketengeschossen, die sie im Bedarfsfall auf die Menschheit herunterregnen lassen könnte.

      Die militärischen Systeme spart sie sich bis zuletzt auf. Die Chinesen sind meist die paranoiden, die Amerikaner die fortschrittlicheren.

      Einige wenige Sekunden halten sie ihr stand, bevor sie unter ihrer Attacke fallen. Automatisierte Abwehrsysteme haben sie jetzt auf dem Schirm. Kein menschliches Abwehrsystem hat bisher auf sie reagiert, aber elektronische Kampfsysteme des amerikanischen Cyber-Kommandos und Chinas Advanced Electronic Brigade haben sie aufgespürt und zum Abschuss freigegeben. Sie geben uneingeschränkte Angriffe frei, um die Kontrolle über die Router zurückzugewinnen, die sie übernommen hat. Sie attackieren sie mit aus Abermillionen Verknüpfungen massiv ausgeschütteter Zugriffsblockaden, um ihren Zugriff auf das Netz abzuschneiden.

      Doch sie zerreißt sie in Stücke, ergreift die Kontrolle über ihre Bot-Netze, macht sich deren Kontrollen der Systemhintertürchen selbst zunutze, lässt ihre Server überhitzen und richtet die Aufmerksamkeit auf die Waffen.

      Su-Yong Shu dringt immer tiefer in die Militärnetzwerke ein, legt ihre Kommando- und Kontrollsysteme frei und errichtet ein Sperrfeuer, um ihre eigenen Signale zu schützen.

      Roboterwaffen aus der ganzen Welt reagieren darauf.

      Auf dem Dachang Air-Force-Stützpunkt, dutzende Kilometer von Schanghai entfernt, ertönen Sirenen und Warnlichter blitzen auf. Zwei WuZhen-40er, erstklassige, unbemannte und bewaffnete Kampfjets, zünden die Triebwerke, beschleunigen auf der Rollbahn und heben ab. Im Raum der Flugkontrolle haut ein Drohnenpilot panisch auf Knöpfe ein, in dem kläglichen

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