APEX. Ramez Naam
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TÖDLICHER VOLLZUG ERMÄCHTIGT direkt über dem Kopf des Jungen, der seine Arme um Shankari geschlungen hatte.
Sie war hier und doch ganz wo anders. Das alles schien so weit von ihr entfernt.
»Nein. Oh nein.«
»Einheit 148, bitte wiederholen Sie.«
Barbs Mund stand offen. Nein. Nein. Nein.
»148.« Die Stimme des Absenders klang diesmal schärfer. »Was ist Ihr Status?«
Barb sah Abigail in die Augen. Die Frau nahm den Finger von ihren Lippen und formte ein einziges Wort mit ihrem Mund: »Bitte.«
Barb holte tief Luft.
»Status: grün, Zentrale. Falscher Alarm. Bitte nicht beachten. 148 Ende.«
Für einen Moment war alles still.
Dann kam ein leicht genervtes »Roger, 148.«
Ihr Daumen fand die Sicherung ihrer Waffe und sicherte sie irgendwie. Der Lauf der Pistole sank sich wie von selbst hinunter und weg von Abigails Brust.
Dann hob sich ihre linke Hand und fasste an ihre taktische Brille, nahm sie ihr irgendwie aus ihrem Gesicht. Und die Kopfhörer befanden sich nicht mehr in ihren Ohren.
All das tat jemand anders. Es war nicht sie selbst.
Barb starrte Abigail an. »Die Videos?«
Abigail schaute ihr in die Augen. Levi kam auf sie zu und legte die Arme um seine Frau.
»Ich weiß nur von den Kindern. Und von ihm.« Sie deutete auf Shankari. Den Terroristen. Und dann nickte sie.
»Das ist alles wahr.«
Barb schluckte heftig. »Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Oh Barb«, sagte Abigail und legte eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin. »Es tut mir so leid. Wir haben unser Bestes getan, es die ganze Welt wissen zu lassen.«
Später trat Barb benebelt aus der Kirche hinaus, mit der Waffe in ihrem Holster und ihrer Patrouillenbrille in der Hand baumelnd.
Sie lief um den Truck herum und auf ihren wartenden Streifenwagen zu. Am hinteren Kotflügel des Wagens hockte sie sich hin, wie in Trance und legte ihre Patrouillenbrille hinter den Reifen auf der Fahrerseite des Streifenwagens. Dann ließ sie sich in den Fahrersitz sinken, ließ ihr Fenster herunter und rollte über die Brille, vor und zurück, bis sie sicher war, dass sie zerstört war. Dann stieg sie aus und sammelte die Bruchstücke auf, um sie in einen Gully mit schnell fließendem Wasser zu werfen. Um die Daten darauf zu anonymisieren und die Video- und Audiodateien, die noch nicht übermittelt worden waren, für immer auszulöschen.
Dann rief Barb wieder bei der Leitstelle an.
»Zentrale, hier Wagen 148. Wiederaufnahme der Patrouille wegen Shankari.«
19| BÖSES ERWACHEN
Montag, 05.11.2040 Einen halben Tag später kamen sie, um Kade zu holen. Es wurde ihm gestattet etwas zu essen und sich zu erleichtern. Und dann schlief er vor lauter Erschöpfung auf seinem Stuhl ein, während er mit seiner unbeschadeten Hand seinen Kopf auf dem Tisch abstützte.
Das Knallen einer aufgestoßenen Tür riss ihn aus seinem Schlaf. Er schaute auf und sah bewaffnete Soldaten auf ihn zukommen. Immer mehr strömten in den Raum.
Ein Ton entwich seiner Kehle. Er drückte sich erschrocken vom Tisch weg und versuchte sich aufzurichten. Dabei blieb eines der hinteren Stuhlbeine hängen und plötzlich kippte der Stuhl mitsamt Kade nach hinten um.
Er streckte seinen Arm aus, um den Sturz abzufangen, und seine verletzte Hand krachte auf den Fußboden.
Dabei schoss ein schrecklicher Schmerz durch die Hand.
Fast zeitgleich knallte Kades Kopf auf den Boden. Noch mehr Schmerzen glühten in seinen zertrümmerten Rippen auf. Die Welt um ihn herum drehte sich.
»Hebt ihn auf«, hörte er jemanden sagen.
Zwei Soldaten tauchten über ihm auf. Ihre Hände krallten sich wie Schraubzwingen um seinen Bizeps. Sie hievten ihn hoch und stellten ihn auf. Er stöhnte auf, als noch mehr Schmerzen durch seinen Leib schossen. Kurz bevor er zusammenklappte, zogen sie eine Kapuze über seinen Kopf und nahmen ihm so die Sicht.
»Hände«, sagte dieselbe Stimme.
Er hatte die Vision, Bruce Lee zu Hilfe zu rufen, aber er wusste, wie zwecklos das gewesen wäre.
Seine Handgelenke wurden hinter seinem Rücken zusammengehalten. Die verletzte Hand schmerzte so sehr, dass ihm Tränen aus den Augen schossen. Kaltes Metall schloss sich um sie. Er hörte das Klicken der sich schließenden Handschellen.
Kade brachte das Icon für das Suizidskript, das er geschrieben hatte, direkt vor sein inneres Blickfeld.
Was auch immer sie wollten, sie würden es nicht aus ihm herauskriegen.
»Geh«, befahl die Stimme.
Jeder Schritt schmerzte. Er hörte dumpfe Geräusche. Türen öffneten und schlossen sich. Die Echos der Schritte auf den Fliesen und dann auf nacktem Beton.
Sie stiegen hinab, in Tunnel.
In eine Garage.
Dann wurde er in ein Fahrzeug gestoßen.
Sie fuhren los, beschleunigten, überholten, wendeten, fuhren weiter. Geräusche von geschäftigem Treiben. Von der Stadt da draußen. Neu-Delhi.
Da waren Männer bei ihm. Soldaten. Viele.
Sie befanden sich gerade draußen, da war er sich sicher.
Er sandte seine Gedanken aus und suchte nach einem Transmitter. Aber da war nichts.
Er sammelte sein Bewusstsein wieder, so wie Ling es ihm gezeigt hatte, und öffnete sich allen Arten von elektromagnetischer Aktivität. Aber er war blockiert. Abgeschirmt. Die Kapuze oder irgendetwas anderes hatte ihn abgeschirmt.
Zuerst verschwanden die Geräusche der Stadt. Das geschäftige Treiben. Der Lärm des Verkehrs und der Straßenverkäufer verschwanden, Stück für Stück. Dann auch der letzte Ton, bis alles still war.
Waren sie dabei, ihn außer Landes zu bringen? An einen geheimen Ort, um ihn auszufragen? An einen Platz, wo sie eine Kugel in seinen Kopf jagen konnten?
Dann änderte sich noch etwas. Sie fuhren eine Rampe hinab und die Geräusche hatten etwas an sich, das ihm sagte, dass sie sich nicht mehr im Freien befanden. Dann wieder einige Kurven, bevor sie anhielten und die Soldaten in Bewegung kamen.