Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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Ein herabgestürzter Ast, schoss, ihr durch den Kopf, bevor sie einen Aufprall verspürte, der ihren Körper zu zerreißen drohte. Gleichzeitig vernahm sie ein Klirren. Schließlich explodierte der Airbag. Er erdrückte sie, nahm ihr die Sicht.
Das alles erfolgte in Bruchteilen einer Sekunde. Diese Zeit kam ihr jedoch vor wie eine Ewigkeit. Ein stechender Schmerz. Sie schrie auf, wollte gegen den Druck im Kopf, gegen das Rauschen in den Ohren ankämpfen.
Da zog sie eine unsichtbare Hand in einen Sog hinein, an dessen Ende sie ein schwarzes Loch verschluckte.
*
Dr. Brunner stellte gerade einem Patienten ein Rezept aus, als das Telefon klingelte.
»Was gibt’s?«, fragte er in die Gegensprechanlage.
»Polizeihauptwachtmeister Messmer will Sie gerne sprechen«, teilte Schwester Gertrud ihm mit Grabesstimme mit.
»Stellen Sie ihn durch.« Er lächelte seinem Patienten zu und machte ihm ein Zeichen, dass er sich noch gedulden möge.
»Ralf?«
»Ein Unfall auf der Landstraße zwei Kilometer vor Ruhweiler«, sagte Ralf Messmer, den er seit seiner Schulzeit kannte. »Eine Verletzte. Sie ist bewusstlos. Ein Rettungswagen aus dem Kreiskrankenhaus ist auf dem Weg. Aber bei dem Wetter weiß man nicht, wie lange er braucht. Zumal das Gewitter Schaden angerichtet hat …«
»Ich komme«, schnitt Matthias ihm das Wort ab. »Wo genau?«
Sein Bekannter beschrieb ihm die Lage der Unglücksstelle.
»Entschuldigen Sie, aber ich muss zu einem Notfall«, sagte Matthias zu seinem Patienten, nachdem er aufgelegt hatte. Er sprach ganz ruhig, wie es seine Art war. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass dieser Mann mit seinen leichten Beschwerden plötzlich unwichtig für ihn war, denn er nahm jeden Patienten ernst. »Schwester Gertrud wird Ihnen das Rezept ausstellen«, fuhr er fort, während er aufstand. »Wir sehen uns in drei Tagen zur Kontrolle wieder. Lassen Sie sich bitte von der Sprechstundenhilfe einen Termin geben.«
Mit pochendem Herzen und rasendem Puls ging er zur Rezeption.
Wenn der Krankenwagen wegen des Unwetters zu lange brauchen würde, konnte es für das Unfallopfer zu spät sein.
»Schwester Gertrud, meine Notfalltasche.« Er zog die orangefarbene Warnweste über den Arztmantel, die stets griffbereit an der Garderobe hing. »Bereiten Sie alles für eine Notoperation vor. Rufen Sie die Anästhesistin an. Sie soll sich bereit halten. Und sagen Sie den Leuten im Wartezimmer Bescheid. Und meiner Frau. Ich melde mich vom Unfallort.«
*
Begleitet vom prasselnden Regen und zischenden Blitzen fuhr Matthias Brunner zu der Unglücksstelle, die schon von Weitem durch das Blaulicht der Polizeiwagen auf sich aufmerksam machte. Inzwischen war auch die Feuerwehr aus Ruhweiler eingetroffen, die von der Hauptwache einen kürzeren Weg hatte als er. Die Männer waren bereits dabei, die entwurzelte Fichte von der Straße zu räumen, so dass er freie Zufahrt hatte.
Matthias seufzte.
Es kam nicht oft vor, dass er zu solchen Unglücken gerufen wurde. Meistens brauchte man ihn bei Unfällen im Wald oder auf den Bauernhöfen. Dort ging es auch oft um Leben und Tod. Deshalb hatte er vor Jahren einen kleinen Operationssaal und ein Krankenzimmer angebaut. Für die Fälle, für die der Transport ins nächste Krankenhaus das sichere Todesurteil bedeutete.
*
Ein junger Polizist winkte den Landarzt durch die Absperrung.
Das sah wahrlich schlimm aus.
Der rote Kleinwagen stand mit eingedrücktem Kühler frontal am Baum. Wie daran genagelt. Auf dem Autodach lag ein Ast, dessen Aufprall das Metall jedoch standgehalten hatte.
»Die Fahrerin ist bewusstlos«, sagte Ralf Messmer. »Äußerlich zeigt sie keine schweren Verletzungen. Wir haben jedoch nicht gewagt, sie zu bewegen, weil wir nicht abschätzen können, ob ihre Wirbelsäule eventuell gebrochen ist.«
Matthias nickte.
Sehr umsichtig, lobte er seinen Bekannten stumm.
Er trat an die Fahrertür – und zuckte kurz zurück.
Das Unfallopfer war Sophie Wittmer.
Eine Sekunde später hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er beugte sich in den Wagen hinein und tastete nach Sophies Handgelenk.
Pulsschlag schwach, aber gleichmäßig, die Herzgeräusche normal. Unmittelbare Lebensgefahr bestand also nicht. Die Ohnmächtige hatte feine Schnittwunden im Gesicht und am Hals, durch die Glasscherben hervorgerufen. Nichts Schlimmes. Eine schwere Gehirnerschütterung bestand jedoch mit Sicherheit.
Als Nächstes machte er sich ein Bild von ihren Beinen. Die befürchtete Schlaffheit konnte er nicht feststellen, was ihm bezüglich einer Wirbelsäulenverletzung Entwarnung gab. Dann untersuchte er Sophies Schleimhäute und atmete auf. Keine bläuliche Verfärbung, die stets ein Zeichen für innere Blutungen waren.
Sollte Sophie Wittmer so viel Glück gehabt haben?
Er schickte einen dankbaren Blick zu dem schwarzen Himmel.
Ein sanftes Klopfen auf ihrer Wange zwang Sophie, die Augen zu öffnen. Ganz langsam hob sie die Lider. Die Umgebung kam ihr fremd vor.
»Wo bin ich?«
»In meiner Praxis«, sagte eine sympathisch klingende Männerstimme.
Sie drehte den Kopf, wobei sie einen stechenden Schmerz empfand. Übel war ihr. Sie schmeckte Blut.
»Erinnern Sie sich noch an mich?«, fragte der Mann mit dem graumelierten Haar. Er trug einen Arztmantel. Seine braunen Augen sahen sie warmherzig an. »Matthias Brunner. Ich habe Ihren Fuß behandelt.«
Ja, sie erinnerte sich. Sie wollte sich aufrichten, doch sie fühlte sich zu schwach.
»Bleiben Sie bitte liegen. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung.«
Gehirnerschütterung? Da fielen die Erinnerungen bruchstückhaft über sie her. Sie war auf dem Weg zu Thomas, das Gewitter, der Blitzeinschlag, die Vollbremsung …
Leise stöhnte sie auf. Wieder sah sie den dicken Baumstamm auf sich zukommen, ohne ihm ausweichen zu können.
»Ich hatte einen Unfall.« Ihre Stimme klang belegt.
»Und keinen leichten«, ergänzte der Landarzt ernst. »Aber Sie haben einen tüchtigen Schutzengel gehabt, der Schlimmeres verhindert hat. Ein paar Tage und Sie können wieder aufstehen.«
Ihr Kopf dröhnte. Bei der kleinsten Bewegung schnitten tausend Dolche durch ihre Brust. Sie legte die Hand auf ihre Rippen.
»Der Airbag. Das gibt sich wieder«, tröstete Dr. Brunner sie.
»Und jetzt?« Noch einmal versuchte sie, sich aufzurichten. Wieder wurde ihr speiübel.
»Sie brauchen Ruhe.« Der Arzt schien ihr anzusehen,