Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman. Christine von Bergen
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Читать онлайн книгу Der Landdoktor Staffel 1 – Arztroman - Christine von Bergen страница 14
»Hier in der Praxis?«, fragte sie erstaunt.
Dr. Brunner nickte mit selbstverständlicher Miene. »Wir haben für Notfälle dieses Krankenzimmer.« Schmunzelnd sah er sich um. »Ich finde es recht gemütlich hier. Und zum Frühstück gibt’s frische Landeier.«
»Ich mag keine Eier«, sagte sie matt.
Sie schloss die Augen. Obwohl in ihrem Schädel tausend Trommeln schlugen, fiel ihr ihre Situation jäh wieder ein.
Sie musste Thomas wiedersehen, mit ihm reden. Der Befund in ihrer Handtasche …
»Was ist?«, hörte sie den Arzt besorgt fragen.
Sie öffnete die Augen.
»Sie sehen so erschrocken aus. Noch bleicher als vorher.«
»Schutzengel …« Ein kurzes hartes Lachen kam ihr über die Lippen, woraufhin sich ihr Kopf umgehend rächte. »Einen tüchtigen Schutzengel, sagten Sie …«
Der Landarzt blinzelte sie sichtlich verwirrt an. Dann lächelte er warmherzig. »Sie leben.«
»Aber wie lange noch?« So, jetzt war es ausgesprochen. Nun stand die Wahrheit im Raum, in diesem kleinen gemütlichen Krankenzimmer. Und plötzlich fühlte sie sich trotz aller Schmerzen erleichtert. Ihr war zumute, als hätte sie gerade eine Zentnerlast von den Schultern abgeworfen.
»Wie meinen Sie das?«
»Wie ich’s gesagt habe.«
»Sie sind also krank.« Dr. Brunners Blick lag prüfend auf ihrem Gesicht.
Sie nickte und sprach zum ersten Mal die Diagnose aus, die ihr Karlsruher Arzt ihr gestellt hatte.
»Diese Krankheit kommt höchst selten bei Erwachsenen vor.« Matthias Brunner sah sie erstaunt an. »Sie trifft in der Regel nur Kinder.«
»Laut Laborbericht bin ich ein solch seltener Fall. Meine Mutter ist auch daran gestorben, jedoch an einem anderen Typ.« Sie zeigte auf den bunt bemalten Bauernschrank. »Falls meine Handtasche dort drin ist, können Sie den Befund lesen. Aber bitte …« Panik überfiel sie. »Bitte, ich will es Thomas Seeger selbst sagen. Nicht Sie. Darum bin ich zurückgekommen. Ich habe mich nicht gerade fair ihm gegenüber verhalten, weil ich …«
Ihr fehlte die Kraft weiterzusprechen. Sie schloss die Augen. In ihrem Kopf hämmerte es. Das Reden, das Atmen bereiteten ihr Schmerzen in der Brust. Ihr Gesicht brannte, fühlte sich geschwollen an. »Als Arzt stehen Sie unter Schweigepflicht«, flüsterte sie nur noch.
»Auch ohne diese Pflicht würde ich Ihren Wunsch akzeptieren«, antwortete Dr. Brunner mit sanft klingender Stimme. Dabei legte er seine große warme Hand auf ihre und drückte sie behutsam. »Schlafen Sie erst einmal, Frau Wittmer. Ich gebe Ihnen ein Beruhigungsmittel. Und wenn Sie wieder aufwachen, reden wir weiter.«
Da atmete sie erleichtert aus. Ja, schlafen …
Sie schloss die Augen und spürte kaum den Einstich der Spritze, die ihr half, ihren aufgewühlten Geist zu beruhigen und die Schmerzen zu lindern.
*
Die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Auf den Blättern glitzerten unter dem Licht der untergehenden Sonne die Regentropfen wie Kristalle. Die feuchte Erde dampfte. Spatzen, Schwalben, Mauersegler hüpften laut zwitschernd umher, sammelten Würmer und badeten flügelschlagend in den Pfützen. Wie friedlich die Welt jetzt wieder wirkte!
Matthias Brunner stand am Fenster der Schwarzwaldstube und sah hinaus. Lump saß zu seinen Füßen. Nach dem Gewitter war er unter der Ofenbank wieder hervorgekrochen.
Immer und immer wieder hatte Matthias den Laborbefund seiner Patientin gelesen. Danach gab es keinen Zweifel. Sophie hatte tatsächlich eine gefährliche Bluterkrankung. Aber über den Typ dieser Krankheit, den sie ihm genannt hatte und der Menschen über zwanzig nur sehr selten befiel, gaben die Werte keine Auskunft. Darüber konnte nur eine Knochenmarkprobe Auskunft geben. Er hatte seine Patientin im gegenwärtigen Zustand nicht mit weiteren Fragen quälen wollen. Aber sobald sich Sophie wieder besser fühlte, würde er mit ihr sprechen –, zumal er den Eindruck gewonnen hatte, dass sie sich in ihr Schicksal ergeben hatte. Und das durfte nicht sein.
Er griff sich an den Kopf.
Als sich die Stubentür öffnete, drehte er sich um.
»Und? Wie geht es ihr?«, erkundigte er sich.
»Sie war kurz wach«, berichtete seine Frau.
Ulrike Brunner war früher Krankenschwester gewesen und stand in Notfällen auch heute noch ihrem Mann und Schwester Gertrud in der Praxis zur Seite. »Ich habe ihr etwas zu trinken gegeben und gewartet, bis sie wieder eingeschlafen ist. Gertrud ist gerade wiedergekommen. Sie bleibt in den nächsten Stunden bei ihr.«
Ulrike ließ sich auf die Eckbank fallen. Beide schwiegen. Sie sahen hinaus in den hereinbrechenden Abend. Die Standuhr in der Ecke tickte laut. Überlaut in ihren Ohren.
»Ich kann es nicht verstehen«, brach die Arztgattin schließlich das Schweigen. »Eine so junge Frau …«
»Krankheit fragt nicht nach dem Alter«, antwortete Matthias.
»Trotzdem.« Ulrike reckte das Kinn in die Luft, wie immer, wenn sie etwas nicht annehmen wollte.
»Würde das Blutbild von Sophie das eines Kindes sein, gäbe es keinen Grund zur Verzweiflung«, sprach er weiter. »Natürlich ist eine solche Erkrankung immer für alle ein großer Schock. Aber während Kinder schon nach der ersten Behandlung fast alle geheilt werden können, sind die Chancen bei Erwachsenen wesentlich schlechter.« Mit besorgter Miene rieb er sich das Kinn. »In Sophies Fall kommt noch etwas erschwerend hinzu: In ihrem Blut wurden laut Laborbericht mehr als fünfundzwanzigtausend weiße Blutkörperchen pro Mikroliter ausgezählt, was die Heilungschancen deutlich heruntersetzt.«
»Was hat denn die Knochenmarkuntersuchung ergeben?«, erkundigte sich Ulrike in energischem Ton. »Eine Biopsie ist doch normalerweise der nächste Schritt, um eine solche Diagnose zu erhärten.«
Der Landarzt seufzte. »So weit sind wir im Gespräch noch nicht gekommen. Sie war zu schwach. Morgen werde ich mit ihr reden.«
Er spürte den forschenden Blick seiner Frau.
»Dir geht doch etwas durch den Kopf«, sagte sie geradeheraus.
»Nun ja …«, begann er zögernd. »Ich hatte bis jetzt nicht den Eindruck, in Sophie Wittmer eine Patientin mit dieser Erkrankung vor mir zu haben. Es fehlen bei ihr maßgebliche Symptome. Ihre auffällige Blässe passt ins Bild. Thomas erzählte mir, dass sie unter starker Erschöpfung leidet, Schwindel, Kopfschmerzen; dass sie in den letzten Monaten häufig erkältet war, was für ein schwaches Immunsystem spricht. Aber diese Erscheinungen können auch Hinweise auf ein anderes Krankheitsbild sein. Bei jedem Typ dieser Bluterkrankung zeigt der Patient in der Regel darüber hinaus eine auffällige Kurzatmigkeit und eine starke Blutungsneigung, die ich bei Sophie nicht festgestellt habe. Ihre Wunden sind schnell verklebt. Sie hat auch keinerlei blaue Flecken, so weit ich das bei der Untersuchung erkennen