Dunkle Träume. Inka Loreen Minden

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dunkle Träume - Inka Loreen Minden страница 6

Dunkle Träume - Inka Loreen Minden Wächterschwingen

Скачать книгу

er ihn liebevoll nannte, verguckt. Er durfte sich nicht in ihn verlieben, nicht in den Bruder der Hexe, verdammt! Er musste einen klaren Kopf behalten.

      »Jamie«, rief er erneut, »was hat Zorell gesucht?«

      Der Kleine stand an der Brüstung und schaute hinunter in eine Seitenstraße, die im Dunkeln lag. Nick stellte sich neben ihn und blickte über London. Die Stadt war nachts, wenn Ruhe einkehrte, wunderschön. Das war Nicks Zeit. Dann breitete er die Schwingen aus, schwebte über die Dächer, drang in Häuser ein, schlief mit Frauen oder Männern und raubte ihnen ein klein wenig ihrer Lebensenergie. Am nächsten Tag fühlten sie sich erschöpft und konnten sich an nichts erinnern, ansonsten ging es ihnen gut. Ein Mal schadete nicht. Nicolas würde jedoch niemals einen Partner haben können, mit dem er regelmäßig Sex hatte. Das würde ihn töten.

      »Kleiner … hör mal«, begann er zögerlich und war versucht, seine Hand auf Jamies zu legen, die auf dem Geländer ruhte. »Ich kann dir helfen, wenn du mich lässt.«

      Jamie ließ den Kopf hängen. »Niemand kann mir helfen«, flüsterte er. »Zorell ist zu stark. Ich komme kaum noch gegen ihn an.« Plötzlich wurde seine Stimme lauter und er schaute Nick an. »Bitte sag meiner Schwester, dass ich sie über alles liebe. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg.«

      »Wovon sprichst du?« Er wollte ihn am liebsten schütteln.

      Bevor Nick irgendwie handeln konnte, schwang sich Jamie vor seinen Augen über das Geländer.

      »Merda!« Sofort sprang er hinterher. Kopfüber stürzte er sich in die Dunkelheit und sah den taumelnden Körper zwei Armeslängen tiefer. Nick verfluchte sich, weil er nicht erkannt hatte, was Jamie plante. Verzweifelt versuchte er, schneller zu fallen als Jamie, indem er wie ein Pfeil in die Tiefe schoss, um den Luftwiderstand zu verringern. Als sie bestimmt schon dreißig Stockwerke abgestürzt waren, bekam er Jamie am Hosenbein zu fassen, riss ihn an sich, presste ihn gegen seine Brust und breitete die Schwingen aus. Der abrupte Widerstand riss ihm beinahe die Schulterblätter heraus, doch er biss die Zähne zusammen, um den Fall abzubremsen. Sie waren immer noch zu schnell und gemeinsam mit Jamies Gewicht zu schwer.

      In der dunklen Gasse unter sich erspähte Nick vollgestopfte Mülltüten. Darauf steuerte er zu, drehte sich kurz vor dem Aufprall herum und landete auf den Beuteln. Quälende Schmerzen explodierten in seiner Wirbelsäule – aber Jamie lag sicher an seiner Brust. Er war unverletzt, das war alles, was zählte. Ohne ihn loszulassen, setzte sich Nick zwischen den aufgeplatzten Beuteln auf. Er war so erschüttert, dass er kaum sprechen konnte. »Wieso … wolltest du dich umbringen?« Was quälte ihn so sehr, dass er nicht mehr leben wollte?

      Jamie starrte ins Nichts und antwortete erst nach einer Weile flüsternd: »Ich bin doch längst tot. Was hat mein Leben noch für einen Sinn?«

      »Was ist passiert? Bitte rede endlich mit mir«, sagte Nick sanft und strich ihm das Haar aus der Stirn. Plagten ihn Schuldgefühle, weil Zorell stärker war als er und deswegen seine Eltern tot waren? Hasste er ein Leben, das er mit einem Dämon teilen musste, der, wann immer ihm danach war, seinen Körper übernehmen konnte? Nick dachte scharf nach. Als er damals in Vincents Klan gekommen war, hatte er geglaubt, Jamie würde sich erholen. Es hatte den Anschein erweckt, er würde sich gegen Zorell durchsetzen; doch bald hatte sich der Kleine total zurückgezogen. Ob er sich verloren gefühlt hatte, weil sein bester Freund Ash nun ein Engel war und kaum noch Zeit für ihn hatte? Fühlte er sich einsam, weil seine Schwester schwer verliebt in einen Goyle war, von dem sie ein Kind erwartete? Kam sich Jamie ausgeschlossen vor? Noir tat alles, um ihn glücklich zu machen, beschäftigte ihn, ließ ihn an ihrem Leben teilhaben, zeigte ihm ihre Liebe. All das schien nicht zu reichen.

      Nick drückte ihn fester an seine Brust, wobei er die Rückenschmerzen ignorierte. Jamie war Noirs Ein und Alles. Er durfte ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Noir würde ihm nie verzeihen, wenn ihrem Bruder etwas zustieße. Er selbst würde es sich nie verzeihen. »Tu das nie wieder«, knurrte er, »oder ich zeige dir, wie ungehalten ich werden kann.«

      Jamie streckte die Hand aus und ließ eines von Nicks Zöpfchen durch die Finger gleiten. Beinahe wirkte er wie der junge Mann, als den er ihn kennengelernt hatte. »Du und ungehalten?« Er lächelte matt.

      »Ich bin der große, böse Dämon, schon vergessen?« Wie anziehend der Kleine auf ihn wirkte, wenn er nur er selbst war. Leider dauerte der Moment viel zu kurz. Schwarze Flüssigkeit lief wie Tinte in Jamies Augen. Verdammt, ausgerechnet jetzt musste dieser Bastard zurückkehren.

      Sofort nahm seine Stimme einen anderen Klang an und er kämpfte sich aus Nicks Umarmung. »Verpiss dich, du Missgeburt, ich pass schon auf, dass Jamiel sich nichts antut, ist ja auch mein Körper!«

      »Das hab ich gesehen«, zischte Nick.

      Zorell stapfte auf eine Hauswand zu und malte mit der Hand einen großen Kreis darauf. Es bildete sich ein Ring aus blauknisternder Energie, in dessen Mitte ein schwarzes Loch klaffte. Der Mistkerl wollte in die Unterwelt verschwinden.

      »Wehe, du folgst mir«, spie Zorell ihm entgegen und stieg durch den Kreis, der sich hinter ihm zusammenzog.

      Nick sprintete zur Wand und bekam gerade noch den Zeigefinger in das Portal, bevor es sich aufgelöst hätte. So wartete er eine Weile, die ihm wie Stunden vorkam, und zog das Portal wieder auf. Das war einer der Vorteile, wenn man selbst ein Dämon war. Von nun an würde er dem Kleinen auf Schritt und Tritt folgen.

      Kapitel 3 – Jenna Fairchild

      Vincent stand neben der Liege und blickte Jenna gebannt an.

      »Keine Hörner, keine Schwingen?«, fragte Noir, als sie sich das Gel vom Bauch wischte.

      Lächelnd legte Jenna das Ultraschallgerät zur Seite. »Mit eurem Baby ist alles in Ordnung. Es entwickelt sich völlig normal.« Sie wusste, welch große Sorgen sich ihre Freundin und ihr Partner machten, denn Vincent war zur Hälfte ein Gargoyle. Seine Mutter war ein Mensch und bei seiner Geburt gestorben, weil Menschenfrauen nicht so große Geschöpfe austragen konnten. Auch der große, sexy Kerl, der nebenan im Aufwachraum lag, war ein Goyle.

      Jennas Herzschlag beschleunigte sich, als sie an Kyrian dachte. Sie brauchte sich nur sein ernstes Gesicht vorzustellen und schon musste sie über diesen Mann nachdenken.

      Vincent, der sich als einziger Goyle verwandeln und eine komplett menschliche Gestalt annehmen konnte, riss sie aus den Gedanken. »Druckst du mir bitte noch ein zweites Ultraschallbild aus?«

      Mit zitternden Händen fuhr er durch sein braunes Haar, die steingrauen Augen fest auf den Monitor gerichtet. Stolz funkelte in ihnen. Obwohl er Angst hatte, freute er sich ungemein auf ihren Jungen.

      Jenna nickte. »Klar.«

      Noir setzte sich auf und Vincent half ihr. Er war unglaublich besorgt um seine Gefährtin, dass es Jenna ein Schmunzeln entlockte. Der zärtliche Wächter und die mächtige Hexe – die beiden waren ein Traumpaar.

      »Wozu brauchst du zwei Bilder?«, wollte Noir wissen.

      Vincent kratzte sich am Kinn. »Kara möchte unseren Sohn sehen.«

      Jenna drückte ihm die Bilder in die Hand. »Eins für Kara, eins für dich.« Kara war der Wächterengel der Londoner Bruderschaft der Gargoyles, die Vincent verstoßen hatte. Der Engel war seine Ziehmutter gewesen. Daher standen sich die beiden nah.

      »Kann ich dich allein lassen?«, fragte er Noir. »Kara muss heute Nachmittag

Скачать книгу