Dunkle Träume. Inka Loreen Minden

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dunkle Träume - Inka Loreen Minden страница 8

Dunkle Träume - Inka Loreen Minden Wächterschwingen

Скачать книгу

in den Nebenraum und blieb bei der Liege stehen, auf der Kyrian schlummerte. Hätte sie nicht gewusst, dass er zur Hälfte ein Gargoyle war, würde sie ihn für einen gewöhnlichen Menschen halten. Er war nicht so groß wie die anderen Goyles und hatte keine sichtbaren Auffälligkeiten. Außer seinen kurzen Fangzähnen. Da er nicht viel sprach, blieben sie weitgehend unentdeckt und sahen eher wie besonders spitze Eckzähne aus. Jenna vermutete, dass sie sich erst verlängerten, wenn er aufgeregt war.

      Unter dem MRT hatte sich allerdings offenbart, dass Kyrian kein normaler Mann war. An den Schulterblättern befanden sich winzige Auswüchse, die äußerlich nicht zu erkennen waren. Dort saßen bei einem Gargoyle die Schwingen. Die hatten sich bei Kyrian nicht entwickelt.

      Jenna hatte Vincent studiert, der sich als der einzige Gargoyle-Hybride, den sie kannte, entweder in einen Menschen oder einen richtigen Gargoyle verwandeln konnte. Auch partiell. Kyrian und die anderen Goyles besaßen diese Eigenschaft nicht. Nicolas und Kyrian versteinerten genau wie Vincent am Tag ebenfalls nicht, nur das Weibchen Akilah und der Gargoyle Dominic, beides reinrassige Wesen. Daher sah man sie tagsüber nie.

      Vorsichtig strich sie Kyrs rabenschwarzes Haar zur Seite. Seine Ohrmuschel war etwas spitzer geformt, und auf den Aufnahmen hatte sie Hörner gesehen. Zögerlich fuhr sie tiefer in sein weiches Haar, bis ihre Fingerspitzen an einen Hörnerstummel stießen. Er war kleiner als der von Vincent. Warm fühlte er sich an und leicht rau. Als sie darüberstrich, knurrte Kyrian leise, drehte den Kopf in die andere Richtung und murmelte etwas Unverständliches.

      Schnell zog sie die Hand zurück. Was hatte sie nur geritten? Sie wusste von Noir, dass die Hörner eines Gargoyles erogene Stellen waren. Hoffentlich hatte Kyrian nichts mitbekommen.

      Nach einer Vollnarkose waren die meisten Patienten relativ schnell wieder ansprechbar, zumindest auf einer Halbschlafbasis. Aber mehr als Ja sagen und seinen Namen nennen war kaum möglich, wirklich bei Bewusstsein war man erst deutlich später. Kyrian schien noch einmal eingeschlafen zu sein. Seine Atmung ging langsam und gleichmäßig. Jenna musste sich beeilen, bevor er richtig wach wurde.

      Vorsichtig zog sie die Decke nach unten. Kyrian war nackt und trug nur einen am Rücken offenen Kittel. Breite Schultern kamen zum Vorschein, ein schöner Männerrücken, auf dessen Haut einige alte, verblasste Narben zu erkennen waren, und ein Hintern, der trotz Kompresse so knackig aussah, dass sie am liebsten hineinbeißen wollte.

      Ben, ihr Dad und sie hatten in einer zweistündigen Operation seinen Schwanzstummel entfernt. Jenna hatte den Goyle nicht gefragt, wieso sein Schwanz verstümmelt war. Sie konnte es sich denken. Wurde ein Gargoyle von seiner Bruderschaft verstoßen, zeichnete man ihn, indem ihm ein Horn oder der Schwanz abgeschnitten wurden. Wie schmerzhaft musste das gewesen sein, als sie ihm Nervenstränge, Muskeln und Blutgefäße durchtrennt hatten. Ihr Herz zog sich zusammen.

      Wieso empfand sie bei diesem Patienten so viel? Sie benahm sich unprofessionell.

      Die Operation war anspruchsvoll gewesen und hatte eine Vollnarkose erfordert. Aber es war alles gut gegangen. Unter der Kompresse befand sich die Naht. Außer einer zarten Narbe würde bald nichts mehr zu sehen sein. Das Steißbein würde jedoch länger wehtun. Die Nerven waren beleidigt, Phantomschmerzen könnten ihn quälen. Weil Jenna wollte, dass Kyrian so schnell wie möglich wieder einsatzfähig war, tat sie etwas, das ihr Dad streng verboten hatte: ihre besondere Gabe anwenden. Sie legte ihre Hand auf den Verband und stellte sich vor, wie in den tieferen Gewebeschichten alles verheilte. Die Haut sollte auf natürlichem Weg zusammenwachsen, damit niemandem auffiel, was sie getan hatte.

      Ihre Hand erwärmte sich, Energie strömte von ihrem zu Kyrians Körper. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie die Wunden verheilten. Plötzlich zuckte Kyrian und hob den Kopf. Über eine nackte Schulter schaute er sie schlaftrunken an.

      Himmel, diese Augen! Sie leuchteten beinahe so blau wie ihre.

      Hastig warf sie das Laken über ihn. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.

      »Schwindelig«, murmelte er und versuchte, sich aufzusetzen.

      Sie drückte ihn an den Schultern zurück. »Bitte bleiben Sie noch liegen, bis sich Ihr Kreislauf stabilisiert hat.«

      Er gehorchte, verfolgte sie jedoch mit Blicken, als sie durch den Raum tigerte und so tat, als würde sie seine Krankenakte durchsehen. Tatsächlich brauchte sie einen Moment, um ihre glühenden Wangen abzukühlen. Was nicht einfach war, denn er ließ sie nie aus den Augen, musterte sie wie ein Tier, das auf der Lauer liegt. Das ging ihr durch und durch. Räuspernd drehte sie ihm den Rücken zu und blickte aus dem Fenster. Sie tat, als gäbe es etwas Interessantes auf der gegenüberliegenden Seite der Themse zu sehen, doch nichts Spannendes passierte vor dem Uhrenturm Big Ben, Westminster Abbey oder dem House of Lords.

      Wie peinlich! Was hatte Kyrian mitbekommen? Konnte er irgendwie spüren, dass sie ihn attraktiv fand? Jenna wusste von Vincent, dass er Gemütsverfassungen riechen konnte.

      Das Schweigen zwischen ihnen war erdrückend, daher drehte sie sich wieder um. »Was machen Ihre Kopfschmerzen?«

      Er kniff die Lider zusammen und antwortete nicht.

      »Noir macht sich Sorgen. Um all ihre Goyles«, sagte sie hastig zu ihrer und Noirs Verteidigung. »Ansonsten hätte sie mir nichts davon erzählt.«

      Sein Gesicht entspannte sich; sein Blick blieb jedoch starr auf sie gerichtet. »Ich habe sie meistens nach dem Aufwachen.«

      Sein tiefes, melodiöses Timbre schickte ein Kribbeln über ihre Wirbelsäule. »Wie lange haben Sie das schon?«

      Er nahm die Arme über den Kopf und legte die Stirn auf seinem Unterarm ab. »Ewig.«

      Jenna trat zu ihm an die Liege. »Darf ich Ihren Nacken abtasten?«

      »Hm.«

      Sie legte die Finger an seinen Hals und fuhr daran abwärts; spürte die kräftigen Muskelstränge. »Sie sind total verspannt. Das kann auch Kopfschmerzen auslösen.« Sie drückte fester zu und knetete die Muskeln. Sein Nacken fühlte sich an, als wären Drahtseile unter der Haut verlegt. »Wie ist das?«

      »Angenehm«, murmelte er. Die Muskeln in seinen Armen spannten sich an und er ballte die Hände zu Fäusten.

      Jenna beobachtete seine Reaktionen. Er sah alles andere als entspannt aus. »Sie müssen lockerer werden, Kyrian«, sagte sie, während sie tiefer an seinem Rücken hinabfuhr. Der Mann schien nur aus Muskeln zu bestehen; er besaß kein Gramm Fett. Für einen Goyle war er schmal gebaut, eher athletisch. Er war kein muskelbepackter Bodybuilder, sondern hatte den Körper eines Ausdauersportlers. Ob ihn seelisch etwas belastete, weil er verspannt war? Jenna machte sich so viele Gedanken um ihn, dass sie erst bemerkte, dass sie seine Pobacken massierte, als Kyrian aufkeuchte.

      Hastig ließ sie ihn los und räusperte sich. »Ich verschreibe Ihnen gern ein paar Massagen. Ich kenne einen ausgezeichneten Masseur.«

      »Hm«, brummte er abermals und setzte sich auf.

      Er schwang die Beine über die Liege und stellte sich hin, doch er schwankte, als wäre er betrunken. Taumelnd griff er sich an die Stirn. Jenna stützte ihn; hielt ihn an den Schultern fest. »Langsam. Bleiben Sie lieber noch einen Moment sitzen.« Durch das OP-Hemd spürte sie die Wärme seiner Haut. Jenna war ihm viel zu nah. Hastig wich sie einen Schritt zurück.

      Folgsam setzte sich Kyrian auf die Liege und fuhr sich durchs Haar. Dann schaute er an sich hinunter, zog am Hemd und schlüpfte aus den Ärmeln. Seine blauen Augen wirkten eine Nuance dunkler, als er Jenna

Скачать книгу