Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 6 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 8
»Das ist die falsche Einstellung«, folgte der Tadel auf den Fuß. »Sie sind das Maß aller Dinge, nicht alle anderen. Und Sie haben einen Grund, warum Sie hier sind. Hier steht es schwarz auf weiß«, erinnerte der junge Mann sie sanft, aber bestimmt daran, dass auch ihre Schmerzen und Beschwerden real waren und sie ein Recht auf Behandlung und Linderung hatte. »Also, wie geht es Ihnen?«
Anneka haderte kurz mit sich, dann gab sie sich einen Ruck und lächelte schmal.
»Ehrlich gesagt nicht so gut. Die Schmerzen sind schon ziemlich schlimm.«
»Ihnen wird gleich geholfen. Es kann nicht mehr lange dauern«, versprach er, als der nächste Funkspruch auf seinem Gerät einging. Er hörte die Nachricht an, ehe er sich schweren Herzens von Anneka verabschiedete. »Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich mich jetzt von Ihnen verabschieden muss. Aber Dr. Norden hat Nachschub angekündigt. Ich werde gebraucht.«
Als Anneka den Namen ihres Vaters hörte, erfüllte sie unsagbarer Stolz. Wenn sie sich vorstellte, wie er jetzt am Unglücksort erste Hilfe leistete und den Menschen Hoffnung gab, wollten ihr Tränen in die Augen steigen. Doch für den jungen Pfleger riss sie sich am Riemen. Sie bedankte sich und versprach ihm trotz ihrer Schmerzen augenzwinkernd, nicht davonzulaufen, sondern brav zu warten, bis ein Arzt kam. Auf keinen Fall wollte sie ihn zusätzlich beunruhigen und sah ihm nach, wie er eilig davon hastete.
*
Blass und sichtlich mitgenommen hatte Dr. Laura Merz ihren ersten Arbeitstag in Angriff genommen. Dabei war es noch nicht einmal der Abschied von Achim, der ihr zu schaffen machte. Ganz im Gegenteil fühlte sie sich erleichtert, diesen längst fälligen Schnitt endlich vollzogen zu haben. Es war der Diebstahl des Rauschmittels, der ihr schwer auf der Seele lastete. Glücklicherweise schien das Fehlen des Medikaments noch nicht aufgefallen zu sein. Darüber hinaus hatte Laura von der ersten Minute an so viel zu tun, dass sie gar nicht mehr dazu kam, sich noch weiter Gedanken zu machen.
Sie war gerade im Gespräch mit einem Kollegen, der sie über die Gepflogenheiten auf der Station aufklärte, als die Oberschwester herbei eilte.
»Schwester Annabel aus der Notaufnahme hat angerufen. Eine junge Frau mit gravierenden Bauchschmerzen, Verdacht auf Ovarialzyste.«
»Warum kümmert sich unten niemand um sie, bis eine Diagnose feststeht?«, fragte Dr. Sporer überrascht.
»Es gab eine Gasexplosion. Die Notaufnahme ist gerade überschwemmt mit Notfällen.«
»Oh, wenn das so ist ..." Ohne Zögern wandte sich Michael Sporer an seine neue Kollegin.
»Das ist doch ein guter Einstieg!«, forderte er sie auf und lächelte ihr aufmunternd zu.
Obwohl Laura erfahren war, schlug ihr das Herz bis zum Hals, als sie höchstpersönlich in die Notaufnahme eilte, um die Patientin in Empfang zu nehmen. Das lag nicht nur daran, dass dies ihre erste, offizielle Amtshandlung war. Es lag auch daran, dass ihr ein furchtbarer Gedanke in den Sinn gekommen war. Als sie die Notaufnahme betrat und ihr das ganze Ausmaß der Katastrophe bewusst wurde, wurde sie noch blasser. Sie war so nervös, dass sie für einen Moment sogar vergaß, warum sie in die Notaufnahme gekommen war. Sie sah sich suchend um und entdeckte eine Schwester. Inmitten des Gedränges stand sie neben der Liege eines Patienten und nahm seine Daten auf.
Kurz entschlossen drängte sich Laura zu ihr durch.
»Wo war das? Ich meine, die Explosion?«, fragte sie mit bebender Stimme.
Die Schwester hob kurz den Kopf von ihrem Klemmbrett und zuckte ratlos mit den Schultern.
»Keine Ahnung.«
»Ganz in der Nähe vom Einkaufszentrum«, gab überraschend der Patient auf der Liege die gewünschte Auskunft. Um seine Stirn war ein blutgetränkter Verband gewickelt, doch seine Augen waren klar und sein Verstand wach. »Angeblich hat ein Mann versucht, sich in die Luft zu sprengen. Ich versteh das nicht«, schimpfte er vor sich hin. »Warum können die Leute nicht andere aus dem Spiel lassen, wenn sie mit ihrem Leben nicht mehr klarkommen?«
Fassungslos hatte Laura zugehört. Obwohl sie keine Beweise, nicht den kleinsten Hinweis darauf hatte, dass es sich bei dem Mann um Achim handelte, wusste sie plötzlich mit irritierender Gewissheit Bescheid. Es war seine Wohnung, die in der Nähe des Einkaufszentrums lag. Er hatte Probleme. Und er war Feuerwehrmann und verfügte über das nötige Knowhow, um eine Explosion herbeizuführen.
Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich.
»Ist der Mann auch hier? Ich meine, hat er überlebt?«
»Ist mir doch egal«, gab der Verletzte mürrisch zurück. »Ich bin froh, dass ich davongekommen bin.«
Die Schwester hatte ihre Aufzeichnungen komplettiert und legte das Klemmbrett auf das Bett des Patienten. Mit einem sicheren Fußtritt löste sie die Bremse und sah Dr. Merz herausfordernd an.
»Was halten Sie davon, wenn Sie sich nützlich machen, statt überflüssige Fragen zu stellen, die ihm Augenblick keiner beantworten kann?« So frech ihre Bemerkung war, so recht hatte sie damit, und Laura erinnerte sich schlagartig und mit schlechtem Gewissen an den Grund, warum sie überhaupt in die Notaufnahme gekommen war. Bevor sie sich jedoch entschuldigen konnte, hatte sich die Schwester schon auf den Weg gemacht.
»Schwester Annabel hat angerufen«, sprach sie einen Kollegen an, der sich um eine verwundete Frau beugte, die im Rollstuhl saß und ein blutendes Tuch an die Wange hielt. »Hier soll irgendwo eine Patientin für die Gynäkologie auf mich warten.«
Irritiert blickte der Arzt hoch.
»Wie bitte? Was?« Konzentriert, wie er war, hatte er noch nicht einmal die Frage gehört.
»Schon gut!«, winkte Laura ab und sah sich noch einmal um. Da entdeckte sie die Krankenliege mit einer jungen Frau. Zusammengekrümmt lag sie auf der Seite und nahm vor Schmerzen kaum mehr Notiz von ihrer Umgebung. So schnell es ging, kämpfte sich Laura Merz zu ihr vor.
»Sind Sie die Patientin mit den Unterleibsschmerzen?«, fragte sie vorsichtshalber noch einmal nach.
Wie aus einer Trance erwacht hob Anneka den Kopf und starrte die Ärztin verständnislos an.
»Ja. Ich bin Anneka Norden«, murmelte sie endlich matt.
Erleichtert löste Laura die Bremse der Liege und nahm sich ein Beispiel an der Schwester von vorhin. Laut rufend bahnte sie sich einen Weg durch die vielen Menschen, die die Notaufnahme noch immer bevölkerten. Erst nach und nach ließ der Ansturm nach.
»Gleich haben wir es geschafft!«, seufzte die Frauenärztin halb laut und hatte schon den Aufzug im Blick, als sich die Tür eines Schockraums öffnete. Unwillkürlich starrte sie hinein und registrierte die Ärzte und Schwestern, die mit betretenen Mienen um einen Behandlungstisch herum standen. Der Mann, der reglos darauf lag, war niemand anderer als Achim.
»Das war’s dann, Leute!«, hörte Laura die Stimme eines Kollegen wie durch Watte an ihrem Ohr. Gleichzeitig ertönte eine andere Stimme hinter ihr.
»Wollen Sie hier Wurzeln schlagen, Frau Kollegin?«, fauchte ein Arzt, der um ein Haar mit Laura zusammengestoßen wäre, als sie so abrupt stehen geblieben war.
»Nein,