Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon
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»Das ist wirklich ein sehr großes Kompliment, Hannes, ich bilde mir darauf etwas ein. Hannes, du solltest dir nicht so viel Gedanken machen«, tröstete er den Jungen.
»Aber das muß ich doch. Ich bin der Älteste, das ist nun mal so. Wollen Sie sich die Sache nicht einmal überlegen?« bat er den Mann zögernd. Sein Jungengesicht brannte vor Verlegenheit.
»Ich verspreche es dir«, nickte Jonathan. Er stand auf und legte dem Jungen seine Hand auf die Schulter. Als er ihm nachsah, hätte er den letzten Satz gern zurückgenommen. War er denn verrückt geworden? Hatte er den Verstand verloren? Siedendheiß wurde ihm. Sehr unzufrieden mit sich selbst ging er ins Haus. Statt zu arbeiten setzte er sich ans geöffnete Fenster, der Wind strich über sein erhitztes Gesicht, er sah den Möwen zu, die sich vom Wind tragen ließen. Ihre Schreie füllten die Luft.
Irgend etwas in seinem Innern war aus den Fugen geraten. Es störte ihn gewaltig.
Er hatte Mühe, sich einzugestehen, daß er das Mädchen Susanne liebte. Jawohl, liebte. Er liebte sie mit jeder Faser seines Herzens, das wußte er doch längst.
Aber Susanne war nicht allein. Und das Grauen vor der riesengroßen Umstellung, die eine Heirat mit ihr in sein Leben brachte, war größer als seine Liebe.
Außerdem weiß ich ja gar nicht, was sie für dich empfindet, Jonathan, beruhigte er sein aufgewühltes Herz.
*
Er hatte nicht die Absicht, heute abend noch zu den Schönes zu gehen. Aber als die Dämmerung sich auf das Land legte, die Stimmen draußen leiser wurden, als komme auch die Natur zur Ruhe, packte in eine Unruhe, die wie eine Krankheit schmerzte. Energisch sprang er auf.
Leider wollte er zu schnell das Zimmer verlassen. Er wußte doch, daß er den Kopf senken mußte, wenn er nicht unsanft gegen den Türbalken schlagen wollte.
Sein Kopf knallte gegen den Pfosten. Einen Moment sah er Sterne und sackte wie ein Häuflein Unglück zusammen. Reglos lag er da. Wie ein gefällter Baum, würde Susanne später behaupten.
Sie betrat in diesem Moment das Zimmer. Sie hatte mit dem Abendessen auf ihn gewartet. Lea hatte das ausgesprochen, was alle empfanden.
»Blöde, daß er nicht kommt. Wenn er nicht da ist, fehlt etwas bei uns.«
»Bring ihn mit«, hatten sie Susanne nachgerufen, als sie den Kindern erklärte, daß sie zu Jonathan ging.
»Ich muß mir doch die Mö-
we ansehen.« Die Entschuldigung brauchte sie für sich selbst. Susanne mochte sich nicht eingestehen, wie erfüllt sie von diesem Mann war. Sie hütete sich, das Gefühl mit Liebe zu betiteln. Sich in ihn zu verlieren, kam ja gar nicht in Frage. Sie hatte eine Aufgabe im Leben, und das war nicht die als seine Ehefrau.
Da auf ihr Klopfen niemand öffnete, betrat sie zögernd das Haus, öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
Und sah ihn auf dem Boden liegen.
Eine eiskalte Hand umfaßte ihr Herz. Zu lebendig war noch der Tod in ihrem Leben, hatte sie doch gerade zwei liebe Menschen beerdigen müssen.
»Liebster… Liebster… Jonathan… du darfst nicht sterben«, schrie sie und kniete schon auf dem Boden neben ihm. Verzweifelt hob sie seinen Kopf, klopfte seine Wangen.
»Was soll ich denn nur machen?« rief sie verzweifelt. »Jonathan…«
Als sie aufspringen wollte, faßte er ihre Hand und hielt sie zurück. Sie zuckte zusammen und unterdrückte nur sehr mühsam einen Schrei.
»Sag das noch einmal, bitte.«
»Wie hast du mich erschreckt.« Sie legte die Hand auf ihr Herz, es klopfte wie irr. »Was machst du denn auf dem Boden? War ein Einbrecher hier und hat dich niedergeschlagen?«
»Susanne, Susanne, bitte, bitte, sag’ das noch einmal, sonst glaube ich nämlich, ich habe das Wort geträumt.«
Er lag noch immer, sie kniete neben ihm, eine Hand auf ihrem Herzen, eine Hand wurde von seinen Fingern umschlossen.
»Bitte.«
»Liebster«, murmelte sie leise, bezwungen von seinen Augen.
»Sanne. Sanne.« Er richtete sich auf und zog sie in seine Arme. Sprechen konnte sie nicht. Er küßte sie mit einem Ungestüm, das ihn selbst erschreckte. Dabei wollte er doch so behutsam sein.
Er küßte ihre Augen, ihren Mund, ihre Schläfe, da wo sie den Schlag des Herzens wiedergibt. Er murmelte dabei abgehackte Worte. »Ich liebe dich… ich liebe dich…«, hörte sie immer wieder heraus. Sie selbst konnte nichts sagen, für den Augenblick gab sie sich ganz der Zärtlichkeit hin, ließ sich in seine Liebe hineinfallen und verbot sich das Denken.
Aber als er sie aus seinen Armen ließ, trunken vor Glück ihr Gesicht betrachtete, kam sie langsam in die Wirklichkeit zurück.
Als er noch einmal ihr Gesicht zu sich hinunterholen wollte, machte sie sich energisch aus seinen Armen frei.
»Ja, ich hab’ dich lieb. Aber unsere Liebe führt zu nichts, Jonathan. Sieh mich nicht so an, als redete ich in einer fremden Sprache zu dir. Wir können nicht heiraten, das weißt du. Du hast hoffentlich nicht die Idee, mich zu deiner Geliebten zu machen«, versuchte sie zu spötteln.
»Die Absicht habe ich, du törichte Person.« Er faßte ihre Hände, umklammerte sie, daß es sie schmerzte. »Ich muß dich so festhalten, weil ich Angst habe, daß du mir davonläufst, bevor ich gesagt habe, was zu sagen ist.«
»Jonathan, ich habe dich sehr gern.« Jedes Wort sprach sie so eindringlich, als müßte sie es in seinen Kopf hämmern. »Ich weiß sogar, daß es nie wieder einen Mann gibt, den ich so lieben kann wie dich. Ich gehöre zu den Menschen, die nur einmal ihr Herz verschenken.
Aber ich kann dich nicht heiraten. Den Grund kennst du. Niemals könnte ich glücklich werden, wenn ich die Kinder im Stich lasse. Darum gibt es nichts mehr zu sagen.«
»Kannst du mir sagen, was gegen mich als Ersatzvater einzuwenden ist?« wollte er empört wissen. Sie starrte ihn an, vor Staunen blieb ihr sogar der Mund offenstehen.
»Das kannst du dir nicht überlegt haben. Das ist nur eine Idee, die du nicht zu Ende gedacht hast«, brach es leidenschaftlich aus ihr heraus. »Du liebst mich, und dar-über sollte ich glücklich sein, aber ich bin es nicht. Wie kann ich glücklich sein, wenn das Hindernis viel zu groß ist. Jonathan…«
»Nein, jetzt rede ich. Du hast schon genug Unsinn geredet«, erklärte er ihr energisch. »Und glaube nicht, daß ich ein dummer Junge bin, der dir aus einer Laune heraus einen Heiratsantrag macht. Natürlich weiß ich, was auf mich zukommt.«
»Nein, das weißt du nicht«, unterbrach sie ihn verzweifelt. »Das kannst du gar nicht wissen, du bist ja noch nie länger mit Kindern zusammen gewesen. Glaub bitte nicht, daß das Leben mit fünf Kindern ein Sanatorium ist.«
»Meinst du, ich bin so ein Tattergreis, daß ich in ein Sanatorium muß?«
»Du willst mich absichtlich nicht verstehen.« Sie schluchzte, Tränen liefen über ihre Wangen. Behutsam