Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon

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Mami Staffel 8 – Familienroman - Lisa Simon Mami Staffel

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damit abgefunden zu haben, daß Kevin nicht wieder auftauchen würde.

      Doch weder Julia noch die anderen, die im Waisenhaus arbeiteten, fanden sich mit Kevins Verschwinden ab.

      »Ich glaube, der Junge lebt nicht mehr«, sagte Bärbel Clasen leise. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er gesund und munter wieder auftaucht.«

      »So etwas dürfen Sie nicht sagen!« rief Julia entsetzt. »So etwas dürfen Sie noch nicht einmal denken!«

      »Aber wir müssen langsam den Tatsachen ins Auge sehen«, verteidigte sich die Heimleiterin. »Oder haben Sie eine Idee, wo der Junge stecken könnte?«

      Die hatte Julia natürlich nicht, sonst hätte sie sofort dort gesucht. »Er muß doch irgendwo sein, ein Kind kann sich nicht in Luft auflösen!«

      »Es scheint aber doch so zu sein. Auch Frau Seifert wird langsam ungeduldig.«

      »Ungeduldig oder gelangweilt?« fragte Julia mit bissigem Unterton und hätte sich danach am liebsten auf die Zunge gebissen.

      Frau Clasen betrachtete Julia nachdenklich. »Herr Westermann ist ein attraktiver Mann, nicht wahr?«

      »Ja, ich glaube schon. Was meinen Sie damit?«

      »Ich denke, das wissen Sie ziemlich genau.«

      Also hatte Frau Clasen bemerkt, daß Julia mehr als nur Freundschaft für Kevins Vater empfand – und sie hatte gedacht, daß den anderen ihre Gefühle verborgen geblieben waren!

      An diesem Tag konnte Julia ihren Wagen aus der Werkstatt holen, bezahlte nur zögernd den ihrer Meinung nach viel zu hohen Preis für die Reparatur und hoffte, nicht so schnell wieder herkommen zu müssen.

      Sicher, das Auto hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel, aber bisher hielten sich die Reparaturen in Grenzen. Zufrieden fuhr Julia los, das merkwürdige Geräusch unter der Motorhaube war endlich verschwunden.

      Ohne es zu wollen, schlug die junge Frau den Weg in die Innenstadt ein – dorthin, wo Roland sein Geschäft hatte. Vielleicht war er ja da und sie konnte einen Blick auf ihn werfen. Sie parkte den Wagen in einer Seitenstraße und ging mit klopfendem Herzen durch die Fußgängerpassage. Da war schon das Schild mit der Aufschrift WEST-COMB zu sehen. An einem Abend hatte Roland ihr stolz sein modernes Geschäft gezeigt.

      Nun stand sie mit zitternden Knien vor der Schaufensterscheibe und tat, als würde sie bewundernd die ausgestellten Monitore, Tastaturen und Laufwerke bewundern. Vorsichtig warf Julia einen Blick ins Ladeninnere und konnte Marion Seifert erkennen, die mit einem Kunden sprach! Jetzt arbeitete sie also schon in Rolands Geschäft, vermutlich hatte sie gar nicht vor, in die Schweiz zurückzukehren.

      In dem Moment trat Roland hinzu, in der Hand trug er ein Computerkabel. Der Kunde nickte, bezahlte und verließ das Geschäft. Bevor sich Julia zum Gehen wandte, sah sie, daß Marion vertraulich den Arm um Rolands Schulter legte. Das war zuviel!

      Mit tränenüberströmten Gesicht tastete sich Julia zu ihrem Wagen. Wie konnten die beiden so schamlos sein – hatten sie ihren Sohn inzwischen vergessen?

      *

      Kevin sah staunend, wie das Eichhörnchen blitzschnell in die oberen Äste des Kastanienbaumes sprang – so schnell, daß Circe, die dem Jungen Gesellschaft leistete, gar nicht den kleinen, putzigen Nager bemerkte.

      »Oma Waltraud!« krähte er begeistert. »Hast du das süße Eichhörnchen gesehen?«

      »Sicher, mein Junge. Die kommen oft hier in meinen Garten, sie leben ja da vorn im Wald. Aber so manches Mal schon hat sich eine der Katzen so ein Tierchen geschnappt.«

      »Du meinst… aufgefressen?« Kevin konnte sich nicht vorstellen, daß die possierlichen, verschmusten Katzen so etwas tun konnten.

      Waltraud Schröder nickte. »Ja, Katzen sind kleine Raubtiere, und für sie macht es keinen Unterschied, ob sie eine Maus, einen Vogel oder ein Eichhörnchen jagen und erlegen.«

      Kevin schüttelte sich, so etwas wollte er gar nicht hören. Er nahm Circe hoch und streichelte ihr samtenes Fellchen. »Kleines Raubtier«, murmelte er dabei, und Circe begann zu schnurren, als habe er sie gelobt.

      »So, das hätten wir«, sagte Frau Schröder und hielt sich den Rücken. »Wenn das Kreuz doch mitmachen würde.« Sie nahm den Wäschekorb und trug ihn zum Haus zurück. Hier, im hinteren Teil des Gartens, waren ein paar Wäscheleinen gespannt, an denen nun Kevins Jeans, das gelbe T-Shirt und ein paar Stücke Unterwäsche und Socken im leichten Wind flatterten.

      Er war froh, daß er genügend Wäsche zum Wechseln mitgenommen hatte; schließlich konnte er nicht ständig in denselben Sachen herumlaufen.

      Er fühlte sich wohl bei Frau Schröder, dachte mit keinem Augenblick daran, daß die ganze Stadt auf der Suche nach ihm sein könnte. Ihm war nicht bewußt, daß es mehr Menschen gab, die sich um ihn sorgten, als er jemals geglaubt hatte.

      Kevin verspürte keinerlei Heimweh nach dem Waisenhaus, außer Julia hatte sich doch niemand um ihn gekümmert. Ja, die liebe Julia vermißte er schon – aber auch sie hatte ihm in seinem Kummer nicht viel helfen können.

      *

      Am nächsten Morgen tauchte Roland dann im MARIENKÄFER auf – mit Marion Seifert im Schlepptau. Er begrüßte Julia nur kurz im Vorübergehen und verschwand mit Marion im Büro der Heimleiterin.

      Julia konnte es kaum fassen – dieser Roland Westermann tat, als wäre sie eine flüchtige Bekannte und nicht die Frau, die die Sorgen um seinen verschwundenen Sohn mit ihm teilte!

      »Julia, spielst du mit mir Kasper-Theater?« fragte die kleine Yvonne und sah mit ihren blauen Augen bittend zu Julia hoch. Das Mädchen konnte einem leid tun. Vater und Mutter stritten sich, wer das Sorgerecht für sie bekommen sollte. Yvonne wurde hin- und hergerissen, bis das Jugendamt entschieden hatte, daß die Kleine zunächst von den Eltern wegkam.

      »Tut mit leid, Yvonnchen«, sagte Julia und kniete sich vor dem Mädchen hin. »Ich habe noch eine Menge zu tun heute. Aber sieh mal, da kommen Sascha und Karsten. Die spielen bestimmt mit dir.«

      Erleichtert sah sie, daß die beiden größeren Jungen tatsächlich die Kasperpuppen hervorkramten und sich hinter dem Puppentheater aufbauten.

      »Frau Moser?« fragte in diesem Moment eine Frauenstimme hinter ihr. »Kann ich Sie eine Minute sprechen?«

      Julia fuhr herum, vor ihr stand Marion Seifert. Was konnte sie denn von ihr wollen? Diese Frau war im Augenblick die letzte, mit der sie reden wollte!

      »Mein Name ist Marion Seifert«, sagte sie und reichte Julia die Hand. Dann fügte sie hinzu: »Kevins Mutter – aber das wissen Sie ja bereits. Wir sind schon bei meinem ersten Besuch hier einander vorgestellt worden.«

      Julia nickte und versuchte, ihrer Stimme einen neutralen Ton zu verleihen. »Tragisch, was mit Ihrem Sohn passiert ist.«

      »Tja, das ist es. Aber er taucht bestimmt wieder auf. Ich möchte Ihnen danken, daß Sie sich so intensiv an der Suche nach ihm beteiligen. Roland hat mir erzählt, daß sie gemeinsam Haus für Haus absuchen. Eine beachtliche Leistung, denke ich.«

      Sie machte eine kleine Pause und wischte einen unsichtbaren Fussel von ihrem gut sitzenden hellgrünen Sommerkostüm.

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