Auferstehung. Лев Толстой
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»Wo denken Sie hin? Ihre Tanten werden wach werden!« sprachen ihre Lippen; doch ihr ganzes Wesen sprach: »Ich gehöre dir mit Leib und Seele!« und nur das allein hörte Nechludoff.
»Ich bitte dich, öffne nur auf eine Minute!«
Es trat eine Pause ein; dann hörte Nechludoff, wie eine Hand im Dunkel nach dem Riegel tastete. Die Thür öffnete sich, und Nechludoff trat ins Zimmer. – – –
Als er sie verließ, ging er auf die Freitreppe hinaus und blieb dort stehen, um sich die Bedeutung des Vorgefallenen klar zu machen.
Draußen war es heller geworden; der Nebel begann zu fallen, und hinter dem Nebel erschien der Halbmond.
»Was ist das?« fragte sich Nechludoff. »Ist mir ein großes Glück oder ein großes Unglück widerfahren?«
»Ah bah!« sagte er sich , »das ist immer so; und jeder thut es!«
Dann ging er beruhigt in sein Zimmer, legte sich nieder und schlief sofort ein.
Am nächsten Tage, dem Ostersonntag, holte ihn sein Freund Tschembock von seinen Tanten ab. Schön, glänzend und heiter entzückte er die alten Damen buchstäblich durch seine Beredtsamkeit, Höflichkeit, Freigebigkeit, und besonders durch die Zuneigung, die er für Nechludoff hegte. Seine Freigebigkeit gefiel ihnen zwar, doch sie fanden sie etwas übertrieben. Sie wunderten sich, als er einem blinden Bettler einen Rubel gab, den Dienern auf einen Schlag 15 Rubel schenkte und ohne Zögern ein Batisttaschentuch im Mindestwerte von 15 Rubel zerriß, um einer Magd den Fuß zu verbinden, den sie sich blutig gerissen hatte. Die würdigen Tanten hatten so etwas noch nie gesehen; sie wußten außerdem nicht, daß dieser Tschembock 200 000 Rubel Schulden hatte; da er fest entschlossen war, dieselben nie zu bezahlen, so kam es ihm auf 25 Rubel mehr oder weniger nicht an.
Tschembock verbrachte übrigens nur einen Tag bei den Tanten und reiste schon am Abend mit Nechludoff ab. Sie konnten ihren Aufenthalt nicht länger ausdehnen, da die Frist fast schon abgelaufen war.
Nechludoff dachte an diesem ersten Tage nur an die vorige Nacht. Zwei Gefühle kämpften in seiner Brust; einerseits gefiel er sich darin, den sinnlichen Genuß wieder wachzurufen und war stolz darauf, sein Ziel glücklich erreicht zu haben; andererseits hatte er die Empfindung, eine Dummheit begangen zu haben, die er wieder gut machen mußte, und zwar nicht in Katuschas Interesse, sondern in seinem eigenen, denn in dem Zustande der selbstsüchtigen Thorheit, in dem er sich damals befand, konnte Nechludoff nur an sich denken. Er fragte sich, was man wohl sagen würde, wenn man erführe, wie er sich dem jungen Mädchen gegenüber benommen, dachte aber keineswegs daran, was sie empfinden, noch was ihr zustoßen könnte.
So war er zum Beispiel sehr neugierig, ob Tschembock seine Beziehungen zu Katuscha erraten hätte.
»Also darum hast du plötzlich eine so große Zuneigung zu deinen Tanten gefaßt?« sagte Tschembock, als er das junge Mädchen erblickte, »Ich glaube, an deiner Stelle hätte ich meinen Urlaub auch verlängert; das ist ja eine wahre Schönheit!«
Nechludoff dachte nun, daß es doch eigentlich sehr vorteilhaft für ihn war, jetzt wegfahren zu müssen, denn so konnte er die Beziehungen abbrechen, die er doch nur sehr schwer hätte aufrecht erhalten können. Er dachte ferner daran, daß es seine Pflicht war, Katuscha Geld zu geben, nicht ihretwegen oder um ihr zu Hilfe zu kommen, sondern weil das jeder Ehrenmann unter solchen Umständen thut.
Nach dem Essen erwartete er sie auf dem Korridor, Sie wurde blutrot, als sie ihn erblickte und wollte entfliehen, indem sie auf die halboffenstehende Zimmerthür Matrenas zeigte. Doch er hielt sie am Arm zurück und sagte, während er ihr ein Kouvert, in das er einen Hundertrubelschein gelegt, in die Hand zu stecken versuchte:
»Ich wollte dich um Verzeihung bitten ... da, nimm ...«
Sie betrachtete das Kouvert, runzelte die Stirn und stieß die Hand des jungen Mannes zurück.
»Da nimm,« murmelte er und steckte ihr das Kouvert in das Mieder. Dann zog auch er die Stirn kraus, seufzte, als wenn er sich verletzt hätte, und lief in sein Zimmer, wo er noch lange Zeit auf und nieder ging. Doch was sollte er thun, handelte nicht jeder ebenso? Hatte nicht Tschembock ebenso bei einer Gouvernante gehandelt, die er verführt? Hatte nicht sein Onkel Gregor dasselbe gethan? War nicht sein Vater ebenso verfahren, als ihm eine Bäuerin den natürlichen Sohn schenkte, der jetzt noch lebte? Wenn es alle so trieben, so mußte man eben auch so handeln. Mit solchen Gründen suchte er sich zu beruhigen, ohne daß es ihm aber vollständig gelang. Die Erinnerung an die letzte Zusammenkunft mit Katuscha brannte auf seinem Gewissen. Im tiefsten Grunde seines Herzens fühlte er, daß er so gemein, so häßlich und grausam gehandelt, daß er von jetzt ab nicht nur das Recht verloren, jemanden zu beurteilen, sondern überhaupt einem Menschen ins Gesicht zu sehen. Trotzdem war er gezwungen, sich als einen Mann von Adel, Ehre und Großmut zu betrachten, denn nur um diesen Preis konnte er das Leben, das er führte, fortsetzen. Dazu gab es aber nur ein einziges Mittel; er durfte an das, was er gethan, nicht denken.
Die neue Existenz, die sich ihm eröffnete, das Reisen, die Kameraden, der Krieg machten ihm die Sache leicht, und je mehr Zeit verging, desto mehr vergaß er, so daß er schließlich alles vergessen hatte.
Dennoch schnürte sich ihm das Herz zusammen, als er mehrere Monate nach dem Kriege wieder seine Tanten besuchte und dort erfuhr, Katuscha wäre nicht mehr bei ihnen, hätte das Haus kurz nach seiner Abreise verlassen, ein Kind zur Welt gebracht und wäre nach Aussage der beiden alten Damen vollständig verkommen. Als die Tanten ihm das erzählten, hatten sie hinzugefügt, Katuscha wäre, bevor sie sie verließ, völlig verdorben; sie wäre überhaupt eine lasterhafte und schlechte Natur wie ihre Mutter.
Dieses Urteil von seiten der beiden Tanten gefiel Nechludoff, denn er fühlte sich dadurch gewissermaßen gerechtfertigt und beruhigt. Trotzdem hatte er zuerst die Absicht gehabt, Katuscha und das Kind zu suchen; da ihm aber im Grunde genommen die Erinnerung an sein Benehmen immer noch peinlich war und er sich dessen schämte, so that er die beabsichtigten Schritte nicht, vergaß seine Schuld noch mehr und dachte schließlich gar nicht mehr daran.
Jetzt aber rief ihn ein merkwürdiger Zufall wieder alles ins Gedächtnis zurück und brachte ihm die Selbstsucht, Grausamkeit und Gemeinheit zum Bewußtsein, die es ihm ermöglicht hatten, mit einem solchen Verbrechen auf der Seele neun Jahre lang ruhig zu leben. Doch noch war ihm das Bewußtsein seiner Unwürdigkeit durchaus nicht klar geworden, und in diesem Augenblick dachte er nur an die Mittel, einer Entdeckung vorzubeugen, damit Katuscha und ihr Verteidiger ihn in den Augen aller andern nicht bloßstellen konnten.
Sechstes Kapitel
In dieser Gemütsverfassung befand sich Nechludoff, während er im Geschworenenzimmer die Wiederaufnahme der Sitzung erwartete. Er sah am Fenster, hörte kaum auf die Unterhaltungen seiner Kollegen und rauchte unaufhörlich Cigaretten.
Der Obmann der Geschworenen gab Erklärungen ab, aus denen man schließen konnte, der ganze Knotenpunkt der Sache ruhe auf den gerichtlichen Sachverständigen. Peter Gerassimowitsch scherzte mit dem jüdischen Kommis, und alle beide lachten laut.
Als der Gerichtsdiener