Auferstehung. Лев Толстой

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Auferstehung - Лев Толстой страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Auferstehung - Лев Толстой

Скачать книгу

hatte inzwischen seine Studien beendet und war jetzt Gymnasiallehrer. Nechludoff hatte ihn wegen seiner Vertraulichkeit, seines selbstgefälligen Lächelns und seiner schlechten Manieren stets unausstehlich gefunden.

      »Ach, das Los hat Sie also auch getroffen?« sagte er zu Nechludoff und trat mit lautem Lachen auf ihn zu. »Und Sie haben sich nicht dispensieren lassen?«

      »Nie hatte ich die Absicht, mich dispensieren zu lassen,« versetzte Nechludoff trocken.

      »Na, das ist ein schöner Zug bürgerlichen Mutes. Sie werden sehen, wie Sie unter dem Hunger leiden werden! Und dabei kann man weder schlafen noch trinken!« fuhr der Professor, noch lauter lachend, fort.

      »Dieser Popensohn wird bald anfangen, mich zu duzen!« dachte Nechludoff, gab seinem Gesicht einen so düstern Ausdruck, als hätte er eben den Tod eines seiner Verwandten erfahren, und drehte Peter Gerassamowitsch den Rücken, um sich einer Gruppe zu nähern, die sich um einen hochgewachsenen, glattrasierten, vornehm repräsentierenden Mann gebildet hatte, der etwas zu erzählen schien. Dieser Mann sprach von einem Prozeß, der eben vor dem Zivilgericht verhandelt wurde; er sprach davon, wie ein Mann, der die Sache von Grund aus kennt, und nannte die Richter und Advokaten bei ihren Vornamen. Er erzählte unermüdlich, wie ein berühmter Advokat aus St. Petersburg, der Sache eine ganz andere Wendung gegeben, und eine alte Dame, die vollständig recht hatte, infolge seiner Thätigkeit nunmehr sicher verlieren mußte.

      »Ein genialer Mensch!« rief er, als er von dem Advokaten sprach.

      Man hörte ihm aufmerksam zu; und einzelne der Geschworenen versuchten, ihre Bemerkungen anzubringen, doch er unterbrach sie sofort, als wüßte nur er genau, wie es damit stände.

      Obwohl Nechludoff verspätet ins Gerichtsgebäude gekommen war, mußte er noch sehr lange in dem Geschworenenzimmer bleiben. Eins der Mitglieder des Tribunals war nicht gekommen, und man wartete auf dasselbe, um die Sitzung zu eröffnen.

      Der Präsident des Schwurgerichts war dagegen sehr frühzeitig in den Palast gekommen. Dieser Präsident war ein großer, dicker Mann mit langem, grauem Backenbart. Er war verheiratet, führte aber ein sehr ausschweifendes Leben, und seine Frau that dasselbe; sie hatten das Prinzip, sich gegenseitig nicht hinderlich zu sein. Am Morgen dieses Tages hatte der Präsident ein Billet von einer Schweizer Gouvernante erhalten, die früher bei ihm gewohnt hatte und auf der Durchreise nach St. Petersburg ihm schrieb, daß sie ihn zwischen drei und sechs Uhr im Hotel d'Italie erwarten würde. Daher hatte er es eilig, die Tagessitzung so schnell wie möglich anfangen und schließen zu können, um gegen sechs Uhr, zu dieser rothaarigen Klara zu eilen, mit der er im vorigen Sommer einen Roman angesponnen.

      Er ging in sein Kabinet, verriegelte die Thür und nahm aus der Schublade eines Schrankes zwei Hanteln, mit denen er zwanzig Bewegungen nach vorn, nach hinten, nach der Seite, nach oben und nach unten machte; dann beugte er dreimal die Kniee und hob die Hanteln über den Kopf.

      »Nichts stärkt so sehr als die Hydrotherapie und die Gymnastik,« dachte er und fühlte mit der linken Hand, an der ein goldener Ring glänzte, nach dem Gelenk des rechten Armes. Er wollte eben wieder rollende Bewegungen machen – er hatte sich gewöhnt, diese beiden Hebungen stets vor den etwas langen Sitzungen zu machen, als es an der Thür rüttelte. Es versuchte jemand, sie zu öffnen. Der Präsident versteckte schnell seine Hanteln, öffnete die Thür und sagte: »Entschuldigen Sie!«

      Einer der Richter trat ins Zimmer, ein kleiner Mensch mit eckigen Schultern und traurigem Gesicht, der eine goldene Brille trug.

      »Nun! es ist Zeit!« sagte er mit scharfer Stimme.

      »Ich bin bereit,« versetzte der Präsident und zog seine Amtstracht an. »Aber Mathias Nikitisch kommt noch immer nicht!«

      »Er treibt die Gewissenlosigkeit wirklich zu weit,« sagte der Richter, setzte sich ärgerlich und steckte sich eine Cigarette an.

      Dieser Richter, ein ungewöhnlich pünktlicher Mensch, hatte am Vormittag eine höchst unangenehme Szene mit seiner Frau gehabt, weil diese das Geld, das er ihr für den Monat gegeben, zu schnell ausgegeben hatte. Sie hatte einen Vorschuß verlangt, und er hatte ihn ihr abgeschlagen; daher die Szene. Die Frau hatte erklärt, unter solchen Umständen würde es kein Essen geben, und hatte ihm vorher erklärt, er habe nichts zu erwarten. Darauf war er fortgegangen und fürchtete nun, sie könne ihre Drohung zur Ausführung bringen, denn er wußte, daß sie zu allem fähig war. »Da soll man ein tadelloses und anständiges Leben führen,« sagte er sich und betrachtete den Präsidenten, diesen von Gesundheit und guter Laune strotzenden dicken Mann, der mit aufgestützten Ellenbogen mit seinen schönen weißen Händen die dichten und sorgfältig gebürsteten Haare seines Backenbartes glattstrich, um sie zu den beiden Seiten seines galonnierten Kragens zu legen. »Er ist stets heiter und zufrieden, ich dagegen habe nur Unannehmlichkeiten!«

      In diesem Augenblick trat der Gerichtsschreiber ein und brachte die Akten, die der Präsident verlangt hatte.

      »Ich danke Ihnen,« sagte der Präsident und zündete sich ebenfalls eine Cigarette an. »Na, mit welcher Sache wollen wir anfangen?«

      »Nun, mit dem Giftmordprozeß, – wenn Sie die Reihenfolge nicht ändern wollen!« versetzte der Gerichtsschreiber.

      »Also gut, mit dem Giftmordprozeß,« sagte der Präsident, welcher annahm, das wäre eine sehr einfache Sache, die bis vier Uhr beendet sein konnte, so daß er frei war, zu seiner Schweizerin zu eilen.

      »Ist Breuer gekommen?« fragte er den Gerichtsschreiber, der hinausgehen wollte.

      »Ich glaube, ja!«

      »Dann sagen Sie ihm, wenn Sie ihn treffen, wir fangen mit der Giftmordaffaire an.«

      Breuer war der Staatsanwalt, der in dieser Schwurgerichtsperiode die Anklage vertreten sollte.

      Thatsächlich traf ihn der Aktuar auf dem Korridor. Den Kopf vornüber geneigt, mit aufgeknöpftem Gehrock, die Aktenmappe unter dem Arm, ging er mit großen Schritten, lief fast, die Hacken zusammenschlagend und in fieberhafter Aufregung den Arm bewegend.

      »Michel Petrowitsch fragt, ob Sie bereit sind?« sagte der Aktuar, ihn aufhaltend.

      »Natürlich! Ich bin stets bereit. Womit wird angefangen?«

      »Mit dem Giftmord!«

      »Es ist gut!« versetzte der Staatsanwalt.

      Noch tatsächlich fand er durchaus nicht, daß es gut war, er hatte die ganze Nacht in einem Wirtshaus mit andern jungen Leuten Karten gespielt; sie hatten einen Kameraden fortbegleitet; man hatte viel getrunken und bis fünf Uhr morgens gespielt, so daß der junge Staatsanwalt nicht einmal Zeit gefunden hatte, einen Blick in die Akten des Giftmordprozesses zu werfen, der verhandelt werden sollte, Der Aktuar wußte das, und absichtlich hatte er den Präsidenten veranlaßt, mit dieser Sache zu beginnen, die zu studieren der Staatsanwalt keine Zeit gehabt hatte. Dieser Aktuar war ein Liberaler, um nicht zu sagen, ein Radikaler, was ihn aber nicht hinderte, in der Magistratur mit einer Pension von 1200 Rubeln zu dienen und sich sogar um einen Staatsanwaltsposten

Скачать книгу