"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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Maximilian hat viel begonnen, hatte zeitlebens große Pläne, aber er konnte wenig davon wirklich vollenden. Er war spontan, wo er ausdauernd und geduldig hätte sein müssen. Manchmal widerrief er Entschlüsse, die er am Morgen gefaßt hatte und von denen er felsenfest glaubte, daß sie richtig wären, noch am selben Abend. Seine Phantasie war grenzenlos, und in dieser Welt lebte er, von ihr ließ er sich beherrschen und treiben. Selbstbeschränkung und Zweifel an sich selbst kannte er nicht, und in seinem Bestreben, hunderterlei auf einmal zu machen, überließ er kaum etwas seinen Ratgebern, einerseits, weil er von seinem Vater gelernt hatte, wenigen zu trauen, andererseits, weil ihn alles, was zu tun war, selber interessierte und faszinierte. Er überdachte die Dinge zu wenig, er war das Gegenteil seines Vaters, der ewig zauderte und zögerte, ständig von Zweifeln geplagt war. Ein Diplomat aus Florenz berichtete über den jungen Maximilian an Machiavelli, daß sich der Erzherzog in beständiger körperlicher und geistiger Aufregung befinde.
Vielleicht hat ihn dieser ununterbrochene Trubel, die andauernde Anspannung aber auch jung und vital erhalten, denn viele Zeitgenossen erzählen, daß der spätere Kaiser stets ein jugendliches Aussehen gehabt habe und ihm sein Alter nie anzumerken gewesen sei.
Diesen Mann also sollte Maria von Burgund zum Gemahl bekommen. Ihr Vater, Karl der Kühne, der das im Laufe der Jahrhunderte aus den verschiedensten Teilen zusammengestückelte Land – Teile der heutigen Niederlande, Flandern, Brabant, Brügge, Teile des späteren Frankreich, ohne einheitliche Sprache – beherrschte, hatte es verstanden, den Reichtum und die Kultur seiner Gebiete als einigendes Band um das Land zu schlingen. Neidisch blickte der König von Frankreich, Ludwig XI., auf seinen Nachbarn und hätte gerne teilgehabt an all dem, was der Burgunderherzog sein eigen nannte. Maria wäre auch für seinen Sohn Karl eine begehrenswerte Partie gewesen, sollte doch das reiche Land eines Tages an sie fallen. Karl der Kühne aber suchte einen mächtigen Schwiegersohn, der seine Stellung aufwerten konnte, der ihm vielleicht sogar den Königstitel verschaffen und – so weit plante Karl der Kühne voraus – nach einer eventuellen ehelichen Verbindung seiner Tochter mit dem Kaisersohn sich dafür einsetzen konnte, daß Karl die Kaiserwürde über das Gesamtreich übertragen bekam. In dem kraftlosen Friedrich vermutete er einen geeigneten Gesprächs- und Verhandlungspartner, dem er mit Pomp und Reichtum zu imponieren strebte.
Die beiden Herrscher trafen im September 1473 in Trier zusammen. Auch Maximilian war mit dem Vater gen Westen gereist, um den reichen Herzog von Burgund selber kennenzulernen. Alles, was der junge Mann bisher an Prunk und Pracht gesehen hatte, wurde hier in der alten Römerstadt in den Schatten gestellt. Der Herzog war mit vierhundert Wagen in Trier erschienen, die seinen gesamten Hausschatz zur Schau stellen sollten. Maximilian konnte sich kaum fassen, als er das Gold- und Silbergeschirr Karls bewunderte, seine Tapisserien, die Sakralgeräte aus feinstem Gold mit kostbaren Edelsteinen. Welch eine Welt tat sich hier auf! Niemals hatte Maximilian solch reiche und üppige Kleider aus Samt und Seide gesehen, niemals so glänzende Ritter in Prunkrüstungen, eine kunstvoller als die andere.
Die Verhandlungen mit dem Kaiser gestalteten sich langwierig und zäh. Zwar willigte Friedrich III. in eine Verbindung der beiden jungen Leute ein, die Königs- oder gar Kaiserpläne Karls lehnte er aber rundweg ab und sicherte sich bei dieser Ablehnung auch die Zustimmung der deutschen Kurfürsten. Karl aber war nicht der Mensch, schnell und ohne Widerstand die Flinte ins Korn zu werfen, er wiegelte Städte gegen den Kaiser auf, so daß es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Karl und den Kaisertreuen kam, und versuchte, sein Gebiet noch nach Süden auszudehnen, indem er die Eidgenossen und Lothringen angriff. Dieser Krieg wurde ihm persönlich zum Verhängnis; bei Nancy 1477 verlor er nicht nur eine Schlacht, sondern auch sein Leben. So glanzvoll er gelebt hatte, so schmachvoll und tragisch war sein Ende. Schwer verwundet wurde er in einem Wald liegen gelassen, niemand kümmerte sich um den Sterbenden, und als seine Getreuen ihn schließlich fanden, war die Leiche schon von Wölfen und Raben angefressen.
Maximilian brachte dem toten Schwiegervater stets Verehrung entgegen, er sah in ihm einen großen, tatkräftigen Herrscher, vielleicht weil sein eigener Vater so ganz anders geartet gewesen war, und oft hörte man von ihm die bedauernden Worte: »Wenn nur Herzog Karl noch lebte!«
Die junge Maria, noch nicht zwanzig Jahre alt, stand also plötzlich allein auf der Welt, die sich ihr an allen Ecken und Enden feindlich zeigte. Karl hatte die niederländischen Städte, die stets um ihre eigenen Rechte kämpften, mit Gewalt niedergehalten, jetzt sahen sie den Zeitpunkt gekommen, selbständig und unabhängig zu werden. In Gent, Brüssel und Brügge bildeten sich Parteien, die nur den einzigen Wunsch hegten, möglichst großen Gewinn zu erzielen und diesen in ihren Geldtruhen verschwinden zu lassen. Was konnte ein junges Mädchen dagegen ausrichten? An den Grenzen lauerte »die Spinne Europas«, Ludwig XI. von Frankreich, der alles unternahm, um Maria als Braut für seinen schwächlichen, erst siebenjährigen Sohn Karl in seine Gewalt zu bekommen.
In dieser verzweifelten Situation erinnerte man sich plötzlich daran, daß Maria offiziell mit dem Kaisersohn verlobt war: insgeheim hofften die Niederländer vielleicht auch darauf, daß der Sohn des tatenlosen Kaisers wohl auch nicht gewillt sein würde, sich allzu sehr in die niederländischen Angelegenheiten einzumischen. Zumindest waren die Habsburger weiter weg als Ludwig und schienen daher für die handelspolitischen Interessen der Niederländer weniger gefährlich. In aller Eile wurden Kuriere nach Osten geschickt, um Maximilian aufzufordern, ja ihn geradezu zu bitten, nach Gent zu kommen, um die elternlose Maria zu heiraten.
Der Erzherzog konnte sich natürlich nicht wie irgendein gewöhnlicher junger Mann aufs Pferd schwingen und einfach nach Westen reiten, um seine Braut in die Arme zu schließen. Er mußte, wie es die Etikette vorschrieb, wie ein Prinz freien, auf seinem Zug durch das Reich Prunk und Pomp demonstrieren. Friedrich III. kratzte alles Geld zusammen, das er entbehren konnte, aber bei seiner Knauserigkeit war das nicht eben viel. Maximilian wäre wahrscheinlich gar nicht bis Burgund gekommen, hätten nicht einige Städte, in denen er in hohem Ansehen stand, beschlossen, dem Sohn des Kaisers zu helfen. Die Stadt Augsburg öffnete nicht nur ihre Stadttore, um Maximilian mit seinem Gefolge zu begrüßen, sondern auch großzügig die Kassen, so daß der Erzherzog für die weitere Brautfahrt wenigstens einigermaßen ausgerüstet war. Ein mit Dukaten gefüllter Pokal war ein beruhigender finanzieller Hintergrund.
Aber die lange Reise kostete mehr, als alle angenommen hatten. In jeder Stadt, durch die der Prinz zog, mußten üppige Feste gegeben werden, und wenn auch vieles von den Bürgern bezahlt wurde, so blieben doch große Summen, die der Kaisersohn aus der eigenen Tasche ziehen mußte. Als er die Stadt Köln erreichte, waren seine Vorräte wieder aufgebraucht, und Maximilian konnte nur auf ein Wunder hoffen, sonst hätte er aus der Ferne zuschauen können, wie der Dauphin von Frankreich ihm seine Braut vor der Nase wegschnappte, die schon verzweifelt auf den Retter wartete.
Ein guter Engel kam den beiden jungen Leuten zu Hilfe: Margarete von York, Schwester des englischen Königs Edward IV., zweite Gemahlin Karls des Kühnen und also Stiefmutter Marias. Instinktiv erkannte sie die mißliche Lage des jungen Mannes und ahnte, warum er nicht schon längst angekommen war. Sie schickte aus ihrer Privatschatulle kurzerhand eine ansehnliche Summe nach Köln und bat den Freier ihrer