"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

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Geschenk erfuhren, legten auch sie noch einen Teil dazu, und der Erzherzog konnte endlich seinen Weg fortsetzen.

      Maria erwartete ihren künftigen Gemahl in Gent, in einem riesigen Palast, wo alles für seine Ankunft vorbereitet war. Um elf Uhr nachts ritt Maximilian endlich ein. An der Treppe, die zum Großen Saal führte, stand Maria …

      Vergessen war für Maximilian seine heiße Jugendliebe Rosina von Cray, vergessen waren die Strapazen und Enttäuschungen seiner langen Reise nach Burgund; endlich war er am Ziel seiner Wünsche. Vor sich sah er ein ungewöhnlich anziehendes junges Mädchen, das leicht errötete, als es die Blicke des schönen Prinzen auf sich gerichtet fühlte. Maximilian folgte einem Brauch des Landes und küßte die anwesenden Damen, eine nach der anderen, wobei er kein Auge von Maria ließ. Dann begann er mit zitternden Fingern nach einer Blume zu suchen, die sie nach einer burgundischen Sitte an sich verborgen trug. Man hatte ihm bedeutet, daß der Bräutigam dieses Zeichen der Liebe finden sollte. Erst nachdem er Marias Gewand geöffnet hatte, fand er eine Nelke. Beide standen sich stumm gegenüber, in den Anblick des anderen versunken. Sie hätten sich so viel zu sagen gehabt, aber Maria verstand nicht die deutsche Sprache, und Maximilian war weder im Französischen noch im Flämischen bewandert. Aber auch ohne Worte verstanden sie einander vom ersten Augenblick an und wußten, daß sie füreinander bestimmt waren.

      Im Ehekontrakt wurden alle Rechte und Pflichten des künftigen Herzogs von Burgund festgelegt, auch die Stellung der zu erwartenden Nachkommen. Dann überreichte Maximilian seiner Braut das Hochzeitsgeschenk, das alle überraschte, die von den Geldnöten des Erzherzogs wußten. Das kostbare Schmuckstück war auf viertausend Gulden geschätzt worden und stammte wahrscheinlich aus der Edelsteinsammlung Friedrichs III. Der Kaiser war ein Sammler von wertvollen Pretiosen, die er zum Teil selbst aus dem Orient mitgebracht hatte. Und obwohl er sich beinahe nie von einem seiner Stücke trennte, war die burgundische Hochzeit seines Sohnes doch Anlaß genug. Das Festbankett war für Punkt Mitternacht angesetzt, es dauerte aber nur eine Stunde, da sich Braut und Bräutigam bald zurückzogen, worauf auch die übrigen Gäste keine besondere Lust mehr hatten, die Feiern fortzusetzen.

      Es existieren (zunächst heimlich aufgezeichnete) Berichte, wonach das Verlangen und die Leidenschaft des Brautpaares nicht durch kirchliche Vorschriften aufzuhalten gewesen seien und sie sich noch in der gleichen Nacht angehört hätten, ohne auf den Segen der Kirche zu warten. Freilich hätten in einem solchen Fall nur wenige Getreue davon wissen können, denn die offiziellen Hochzeitsfeierlichkeiten waren in allen Details geplant und mußten in aller Form durchgeführt werden.

      Schon sehr früh am Morgen des nächsten Tages, am 19. August 1477, fand die kirchliche Trauung statt. In der Burgkapelle legte der Legat die Hände der beiden jungen Leute ineinander, so wie es die Sitte seit alters her vorschrieb. Dann übergab Maximilian der Braut dreizehn Goldstücke, die symbolisieren sollten, daß er immer für sie sorgen wolle. Nach diesen Förmlichkeiten schritten beide zur Hochzeitsmesse, Maximilian in glänzender silberner Rüstung, jung, schön, stark, ein echter Ritter eines sterbenden Zeitalters, und Maria im goldbestickten Damastkleid, mit einem edelsteinblitzenden Gürtel, an dem ein Geldbeutel hing, einen Hermelinmantel um die Schultern, die Krone Burgunds auf den braunen Locken. Vor dem Altar knieten sie nieder und erflehten, jeder in seiner Sprache, den Segen des Himmels für die gemeinsame Zukunft. Alle geladenen Hochzeitsgäste, Niederländer und das österreichische Gefolge des Kaisersohnes, waren gerührt von dem Anblick der beiden jungen Menschen, die einander verliebt und glücklich ansahen. Nach dem Ja-Wort küßte der Legat Maximilian, und der Bräutigam gab diesen Kuß an Maria weiter. Am Ende der Messe wurde dem Legaten nach altem Brauch eine Semmel gebracht, von der er ein Stück abbiß, worauf sich das Brautpaar den Rest teilte und ebenfalls verzehrte. Auch ein Becher Wein durfte nicht fehlen, aus dem Maximilian und Maria je einen Schluck nahmen.

      Damit war die Trauung zu Ende, aber Maximilian und Maria waren fast nicht in der Lage, die Kirche zu verlassen. Sie hielten sich fest umschlungen und waren beide vor Aufregung blaß; man mußte vor der Kirche auf sie warten.

      Es folgte ein prunkvolles Hochzeitsfest nach den Sitten des Landes. Die Tische bogen sich von feinstem Silber, Damastdecken und den erlesensten Genüssen aus der damals bekannten Welt. Den ganzen Tag währte die Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, und als man genug getrunken hatte, begann der Tanz bis spät in die Nacht hinein. Erst als Maximilian und Maria von ihren Rittern und Edelfrauen zu ihrem Schlafgemach geleitet wurden, begann sich die Hochzeitsgesellschaft zu zerstreuen. »Wie es da gangen ist, wais ich nit«, meinte ein Ritter aus Maximilians Gefolge später. Im Brautgemach war das Paar allein, aber obwohl die Chronisten nur diskrete Andeutungen machen, kamen die Ritter und Edelfrauen, die zumindest im Nebenraum Zeugen dieser – vielleicht zweiten – Hochzeitsnacht wurden, doch auf ihre Rechnung, denn Maximilian war kein unbedarfter Liebhaber und hatte in seiner Heimat schon reichlich Erfahrung gesammelt. So erzählte man sich am burgundischen Hof bald pikante Geschichten von der Manneskraft des jungen Habsburgers, und er wurde weithin im Lande als »Begatter und richtiger Mann« bezeichnet.

      Das junge Paar verbrachte abwechslungsreiche Tage und leidenschaftliche Nächte miteinander, und bald sprach sich die Kunde herum, daß Maria ein Kind erwarte.

      Maximilian mußte sich hier in Gent wie im Schlaraffenland fühlen, er, der als Kind Hunger und Not kennengelernt hatte, lebte nun in einem unvorstellbaren Überfluß, der sich von Tag zu Tag noch steigerte. Seine Frau wurde nicht müde, ihren geliebten Mann mit immer phantastischeren Kostbarkeiten zu überraschen, sie ließ prachtvolle Kleider in ihre Privaträume bringen. Die Seiden- und Samtstoffe waren eigens aus Florenz gekommen, und oft geschah es, daß Maximilian morgens erwachte und auf seinem Bett diese schönen Dinge fand. Die Tische waren überreich gedeckt, und Maria befahl, Leckerbissen aufzutragen, von denen Maximilian nicht einmal den Namen kannte. Tanz und Spiel unterhielten das junge Paar und sein Gefolge bis spät in die Nacht hinein, und Maximilian, der eine bekannt schöne Stimme hatte, trat als viel gefeierter Sänger auf, dem man besonders applaudierte, wenn er ein Lied aus seiner österreichischen Heimat vortrug.

      An manchen Tagen fanden Scharaden statt, man verkleidete sich, um dann unter lautem Jubel doch erkannt zu werden. Maria und Maximilian waren die Hauptpersonen in all den Stücken, und man wurde nicht müde, sich immer neue allegorische Figuren einfallen zu lassen. Einen Abend lang wurde die römische Geschichte lebendig, Cäsar und Cleopatra zogen durch den Palast, gefolgt von Titus und Nero.

      Vieles, was zum Wohl des jungen Paares beitragen sollte, bestimmte schon das burgundische Hofzeremoniell. Hier waren die einzelnen Handgriffe für jeden Diener genau festgelegt. So entstand im Laufe der Zeit eine unübersehbare Schar von dienstbaren Geistern, die alle für die beiden jungen Leute zu sorgen hatten. Freilich waren die Vorschriften noch nicht so erstarrt und streng wie später im spanischen Hofzeremoniell, denn in Gent war es vielen erlaubt, auch unangemeldet das Herzogspaar aufzusuchen, was in späteren Zeiten undenkbar gewesen wäre.

      Maximilian mußte sich erst an das Heer von Dienern gewöhnen: So gab es einen, der am Morgen die Vorhänge zum Himmelbett zurückzog, einen anderen, der die Pantoffeln reichte, ein dritter sorgte für genügend Licht, und so stand den ganzen Tag einer bereit, um dem Herzogspaar jeden Wunsch von den Augen abzulesen, bis ein letzter am Abend die Vorhänge des Bettes wieder zuzog.

      Maximilian und Maria genossen die traute Zweisamkeit wie ein Geschenk, als hätten sie geahnt, daß das gemeinsame Leben nur kurz sein würde. Sie konnten lange am Abend beisammensitzen, um Sagen und Geschichten zu hören oder zu lesen. Beide waren an den Erzählungen von Troja, an den Sagen von König Artus und der Tafelrunde oder von Parzival interessiert. Jeder hatte begonnen, die Sprache des anderen zu lernen; Abende lang wiederholten sie die Worte, die der Partner sprach, um sie nie mehr zu vergessen. Maximilian lernte schnell und viel, er war ein sprachbegabter junger Mann, der außer dem Französischen, das ihm Maria liebevoll beibrachte, auch noch von einer Hofdame Flämisch lernte.

      Der junge Herzog lernte in Wort und Bild, denn was er aus den Büchern und Anleitungen nicht verstand, das konnte er, wenn die Texte

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