"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

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mythologische Motive dar und faszinierten den jungen Mann besonders. Vielleicht erinnerte sich Maximilian, als er die Geschichte des trojanischen Königs Priamus betrachtete, an die Versuche seines Vaters, das Geschlecht der Habsburger bis auf diesen König zurückzuführen. Viel später, als Maximilian schon ruhelos durch Europa zog und den Beinamen »der Kaiser mit den fliehenden Sohlen« trug, beschäftigte er selbst einen ganzen Stab von Gelehrten, die ebenfalls nachweisen sollten, daß sich die Habsburger bis zu den Wurzeln der Menschheit zurückverfolgen ließen.

      Maria und Maximilian liebten besonders die traulichen Abende am flackernden Kamin, wenn draußen schon leise die Flocken fielen und nur ab und zu die Ankündigung eines Zuges beim Schachspiel die Stille unterbrach. Beide hatten das Spiel der Könige schon in früher Jugend gelernt, und so war einer dem anderen ein idealer Partner im Kampf um die Macht auf dem karierten Brett. Sie fanden sich nicht nur im Gleichklang der Charaktere, sie entdeckten auch, daß ihre Interessen wunderbar übereinstimmten. Maximilian hatte von klein auf eine besondere Vorliebe für die Jagd entwickelt, und Maria galt im ganzen Land als ausdauernde und exzellente Reiterin und Jägerin. Sie war mit den schnellsten Pferden und den kräftigsten Hunden vertraut, damals keine Seltenheit für ein Mädchen. Karl der Kühne hatte seine einzige Tochter schon als Kind auf Treibjagden mitgenommen, und sie war es gewohnt, den Wildschweinen nachzuhetzen, über Gräben zu springen und die Reiher im Flug zu erlegen. Sie stand ihrem Mann in nichts nach, und Maximilian war glücklich, wenn Maria ihn begleitete. Er allerdings konnte es seiner Frau nicht gleichtun, denn in einer sportlichen Disziplin war sie ihm bei weitem überlegen: im Schlittschuhlaufen. So sehr sich Maximilian auch bemühte, auf den schmalen Kufen anmutig übers Eis zu gleiten, er mußte bald erkennen, daß er kein großes Talent dazu hatte. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, den Volkssport der Niederländer zu erlernen, und Maria war eine geduldige Lehrmeisterin. Kaum hatte sich Eis auf den Kanälen und kleinen Seen gebildet, zog die ganze Hofgesellschaft hinaus, und unter lautem Gelächter wurde der Herzog übers Eis geschleppt.

      Trotz dieser fröhlichen Abenteuer trieb es Maximilian immer mehr hinaus, wo sich in den Büschen das Wild versteckt hielt. Schon der Vater Marias war ein begeisterter Jäger gewesen, der neben den Jagdfalken auch noch um die viertausend Jagdhunde am Hofe hielt, daneben eine Unzahl von Falken, hervorragenden Pferden und versierten Treibern. Wann immer es möglich war, wurde zum Halali geblasen, und Maria war stets mit von der Partie. Selbst als sie ihre Kinder erwartete, schonte sie sich nicht.

      Doch die schönen Tage in Gent waren bald vorüber, und Maximilian mußte erkennen, daß er mit der Erbin Burgunds auch die Probleme des Zwischenreiches geheiratet hatte. Der böse Nachbar im Westen zögerte nicht, dem jungen Mann das Leben schwer zu machen. Ludwig spekulierte zunächst richtig, als er sich vorstellte, der junge, verliebte Ehemann würde kein großes Interesse an der Politik zeigen. Er intrigierte in den Niederlanden, wo er nur konnte, und fand in einigen Städten bereitwillige Zuhörer, obwohl man sich zunächst noch nicht gegen den Habsburger stellen wollte. Aber die Keime für spätere Auseinandersetzungen waren schon gesät, und es mußte nur die richtige Zeit kommen, damit sie aufgehen konnten.

      Heimtückisch griff Ludwig XI. das burgundische Reich an, brandschatzte und zerstörte, und wenn Maximilian im Süden kämpfte, hetzte er die Städte im Norden auf. Nicht nur einmal lief der arglose Kaisersohn dem raffinierten Gegner ins offene Messer. Aber immer wieder gelang es Maximilian mit persönlicher Tapferkeit, seine Leute mitzureißen, und so manches Mal kam er nur aufgrund seiner Kühnheit aus den mißlichsten Lagen.

      Zwölf Jahre sollte der immer wieder aufflackernde Krieg gegen Frankreich das Schicksal Maximilians bestimmen, er kostete Unsummen, und sogar der burgundische Hausschatz mußte dafür verpfändet werden. Der junge Herzog versuchte in ganz Europa, Hilfe gegen den französischen König zu finden, und es gelang ihm auch, ein Bündnissystem gegen Frankreich aufzubauen, das für die Zukunft die Politik Europas prägen sollte. In England, seit langem verfeindet mit Frankreich, fand er offene Ohren für seine Probleme, und Spanien haßte Frankreich ebenso wie der Herzog der Bretagne. Durch geschicktes Taktieren gelang es Maximilian schließlich, Frankreich einzukreisen, und nach der verlorenen Schlacht bei Guinegate im August 1479 sah sich Ludwig XI. gezwungen, wenigstens vorübergehend den Frieden einzuhalten. Dabei war die Situation für Maximilian bei Guinegate keineswegs eindeutig gewesen, denn nach dem ersten Zusammenstoß flohen seine Reiter Hals über Kopf. Als Maximilian die aussichtslose Lage erkannte, ließ er nach »österreichischer und böhmischer Art« die Wagen vorziehen, um eine Art Wagenburg zu errichten, in deren Schutz er sich mit seinen Fußtruppen behaupten konnte. Das Blatt wendete sich, und Maximilian errang mit den Österreichern und Niederländern einen glänzenden Sieg, der sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land herumsprach und ihm große Sympathien unter der Bevölkerung einbrachte. Jetzt hatte man einen Herrscher, der die Interessen des Landes wahren würde, einen, der stark und fähig war, die Gefahr, die immer wieder aus dem Westen drohte, abzuwehren. Überall, wo Maximilian auftauchte, scholl ihm Jubel entgegen, und er genoß es, wenn im Volk der Ruf laut wurde, er solle zeigen, wie er schießen könne: Dann ging er zu den Schießständen der Bürger und schoß die Figuren der Reihe nach von der Stange, so daß es bald im ganzen Land hieß: »Österreich schoß den Vogel ab, das den Franzosen groß Verdrießen gab.«

      Auch das private Glück Maximilians war an einem Höhepunkt angelangt, als Maria im Juli 1478 einem Knaben, Philipp, das Leben schenkte. Und selbst in dieser Situation versuchte Ludwig XI., durch eine perfide Lüge die Freude des jungen Vaters zu trüben. Maximilian war bei der Geburt seines ersten Kindes nicht im Land, und so ließ der König von Frankreich überall das Gerücht verbreiten, daß der Knabe in Wirklichkeit ein Mädchen wäre. Geschickt verteilte er seine Einflüsterer in den niederländischen Städten, so daß die Bevölkerung allmählich mißtrauisch wurde und zu glauben anfing, was der König von Frankreich sagte. Als die Taufpatin des Kindes, die Stiefmutter Marias, Margarete von York, von diesen Intrigen hörte, wickelte sie, resolut und lebensnah wie sie war, kurzerhand das Kind aus den Windeln und zeigte dem Volk, daß es unverkennbar männlichen Geschlechts sei.

      So schnell Maximilian konnte, eilte er nach Gent, wo ihn Maria mit dem Kind auf dem Arm am Stadttor erwartete. Er sprang vom Pferd, umarmte seine Gemahlin und trug seinen Sohn durch die Straßen der Stadt bis zum Palast. Gerührt jubelten die Menschen dem glückstrahlenden Vater zu, und auch die Stadtväter konnten sich der allgemeinen Freude nicht entziehen und machten dem jungen Prinzen ein fürstliches Taufgeschenk von 14 000 Gulden.

      Im folgenden Jahr brachte Maria ein Mädchen zur Welt, das nach ihrer Stiefmutter Margarete benannt wurde; der zweite Sohn Franz starb schon nach ein paar Wochen.

      Das Schicksal Maximillans an der Seite Marias hatte sich beinahe erfüllt. Einen einzigen Sohn hatten ihm die Sterne prophezeit, und die frühe Trennung von einer geliebten Person. Und so geschah es auch: Nach wenigen kurzen Jahren des größten Glücks verlor er seine Frau, seine Kinder und auch das Land. Mitten in den Freuden des Lebens traf ihn der härteste Schlag, den er sein Lebtag nicht mehr verwinden konnte.

      Im März des Jahres 1482 war Maria wieder guter Hoffnung. Trotzdem ließ sie sich nicht davon abhalten, an der Reiherjagd teilzunehmen. Sie ließ sich aufs Pferd heben, setzte ihren Lieblingsfalken auf den Arm, gab dem Pferd die Sporen und sprengte darauflos. Plötzlich flog ein Reiher vor ihr auf: Maria wollte den Falken loslassen, achtete dabei nicht auf das Gelände, und ihr Pferd strauchelte. In hohem Bogen flog die junge Frau durch die Luft, landete in einem Graben, und im nächsten Moment fiel das Pferd auf sie. Schwerverletzt blieb Maria liegen.

      Ihre Getreuen und auch Maximilian waren wie gelähmt vor Schreck. Man hob sie vorsichtig auf, aber erst am nächsten Tag konnte sie ins Schloß gebracht werden, da sie zu starke Schmerzen hatte. Die herbeigerufenen Ärzte stellten schwere Rippenbrüche fest, aber auch innere Blutungen infolge der fortgeschrittenen Schwangerschaft. Maria weigerte sich, schamhaft wie sie war, eine Untersuchung der Ärzte in jenen Körperregionen vornehmen zu lassen, die für andere Männer tabu waren. So verblutete sie langsam: es dauerte Tage, in denen sie elend dahinstarb. Maximilian konnte sich in seiner Verzweiflung kaum fassen, er lief mit Asche auf dem Haupt herum, ließ eine Messe

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