"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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Wochen der Trennung folgten, die schlimmste Strafe, die Philipp seiner Frau antun konnte. Nachdem ihr Zorn verraucht war, versuchte Juana jedes Mittel, um die Aufmerksamkeit ihres Gemahls wieder zu erringen. Das war nun doppelt schwer, da sie fast ständig schwanger war und in diesem körperlichen Zustand einen Mann wie Philipp kaum reizen konnte. Juana gebar ihrem Mann im Laufe ihrer Ehe sechs Kinder, aber auch diese schufen keine Verbindung mehr zwischen den beiden; ebenso wie Philipp betrachtete Juana die Söhne und Töchter bloß als Notwendigkeit für den Fortbestand der Dynastie, entwickelte aber keine besondere Beziehung zu ihnen (außer zu ihrer jüngsten Tochter Katharina).
Es gab niemanden in den Niederlanden, dem Juana wirkliches Vertrauen schenkte. Sie war einsam in dem fremden Land, das düster und kalt geworden war und ihr feindselig vorkam. Daß sie selber durch ihr Wesen und ihren Charakter die Bevölkerung gegen sich aufbrachte, kam ihr nicht in den Sinn. In ihrer schwarzen Tracht, die sie schon in jungen Jahren bevorzugte, wirkte sie auf die lebensfrohen Niederländer, die sich gerne farbenprächtig kleideten, wie das leibhaftige schlechte Gewissen, die personifizierte ewige Mahnung. Alle, die sie sahen, wichen vor ihr zurück, vor ihrem flackernden Blick und den hastigen Gesten. Man fand die junge Frau unheimlich und konnte Philipp gut verstehen, wenn er sie mied. Es dauerte nicht lange, da tauchte das Gerücht auf, Juanas Großmutter sei im Wahnsinn gestorben. War etwa sie auch …?
Philipp versuchte, wo es nur ging, seine Frau zurückzulassen, wenn er verreiste; von Zeit zu Zeit aber mußte er sie aus politischen Rücksichten wohl oder übel mitnehmen, so auch bei einer Reise nach Spanien, während der er seine Schwiegereltern kennenlernen und sich ein Bild der Lage verschaffen wollte. Es galt, Thronforderungen geschickt anzumelden.
Da sich Philipp zeit seines Lebens vor Seereisen fürchtete, beschloß er, den Weg durch Frankreich zu nehmen. Dieser Plan erregte ungeheures Aufsehen, war sein Vater, der Kaiser, doch jahrzehntelang aus politischen und persönlichen Gründen mit dem französischen Königshaus verfeindet gewesen, und auch die katholischen Majestäten Ferdinand und Isabella betrachteten Frankreich als Erbfeind. Und jetzt wollte der junge Prinz die Traditionen brechen und in Freundschaft das französische Königspaar aufsuchen! Aber Philipp hatte ganz andere Absichten für die Zukunft, er wollte nicht den dauernden Krieg, er wollte Annäherung und Ausgleich.
Juana wehrte sich, so gut sie konnte, gegen die Absicht ihres Mannes, den König von Frankreich aufzusuchen. Sie hatte von Kindheit an gehört, wie verderbt und verworfen die französischen Könige wären und wollte unter keinen Umständen den Hof Louis’ in Blois betreten.
In Frankreich war man entzückt von der Aussicht, Maximilians Sohn begrüßen zu können. Die Intrige konnte perfekt werden, wenn es gelang, Philipp den Aufenthalt am Hof so angenehm wie möglich zu gestalten. Und man wußte, was zu tun war, man hatte von den Vorlieben des jungen Mannes gehört und bereitete alles vor, was das Herz Philipps erfreuen konnte. Dabei war man sich aber auch auch im klaren darüber, daß seine eigene Frau all diesen Zielen im Wege stand, daß Juana als Feindin Frankreichs kommen würde. Sie sollte also von ihrem Mann getrennt und isoliert werden, so gut es ging.
Die Begrüßung Philipps am Hofe von Blois fiel ungemein herzlich aus. Der König, erst vor kurzem mit seinen vierzig Jahren zum ersten Mal Vater geworden, war bester Laune. Als er Philipp erblickte, rief er aus: »Voilà un beau prince!« Nachdem der Kaisersohn drei Bücklinge vor dem französischen König gemacht hatte, erhob sich Louis und umarmte Philipp freundschaftlich. Juana hatte man im Vorzimmer zurückgehalten, und erst als die Begrüßung der beiden Männer zu Ende war, öffnete sich die Tür für die spanische Prinzessin, die mit finsterer Miene auf den König zuschritt. Louis erkannte sofort, daß Juana nicht freiwillig gekommen war, umarmte sie aber trotzdem und gab ihr einen Kuß auf beide Wangen. Entsetzt wich Juana zurück; nach der spanischen Etikette war diese Vertraulichkeit ihr gegenüber unerhört. Die weitere Unterhaltung war sehr kurz, keiner wußte so recht, was er mit der düster dreinblickenden jungen Frau reden sollte, und so verabschiedete sie der König in großer Eile und sagte Juana, die Königin brenne darauf, sie kennenzulernen.
Anne de Bretagne war den Habsburgern wohlbekannt, sie hatte vor Jahren mit dem Kaiser ein undurchsichtiges Spiel gespielt und der Schwester Philipps, Margarete, den Mann (Karl VIII.) weggeheiratet. Nun war sie die zweite Gemahlin Ludwigs XII. Philipp hatte diese Schmach für die Familie längst vergessen, nicht aber seine Frau. Für sie war Anne eine intrigante Person, und es schien, als sollte sie recht behalten. Als sie zu Anne ins Schlafgemach geführt wurde, versetzte man ihr, gerade als sie sich vor der Königin verneigen wollte, einen kräftigen Stoß, so daß sie hinfiel und auf den Knieen vor der Königin von Frankreich lag. Wut und Scham stiegen in ihr auf, und sie flüchtete beinahe aus dem Zimmer Annes.
Für Philipp waren die Tage am französischen Hof amüsant und kurzweilig. Vormittags vergnügte man sich beim Ballspiel, am Nachmittag traf man zu einer Kartenpartie oder zum Schachspiel zusammen, während Juana von den Damen in Beschlag genommen wurde, die die fromme spanische Prinzessin von einer Messe zur anderen schleppten. Juana wußte nicht, wie sie der Damengesellschaft entkommen sollte, die sie über alle Maßen langweilte.
Von den abendlichen Gesellschaften suchte man sie mit allen Mitteln fernzuhalten. Einmal kredenzte man ihr im Übermaß Süßigkeiten, von denen ihr übel wurde, ein anderes Mal war sie vom Aufenthalt in den ungeheizten Kirchen so durchfroren, daß sie nur noch die Wärme ihres Bettes suchte. Die Privatgemächer Juanas waren mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet, die Wände glänzten von goldenem Stoff und weißem Satin, überall lagen Kissen im Raum verstreut, und feinste Teppiche bedeckten die Böden. Hunderte Kerzen brannten in silbernen Kandelabern, im Kamin prasselte das Feuer und verbreitete Wärme und Behaglichkeit. All dieser Komfort sollte dazu beitragen, sie in ihrem Zimmer festzuhalten. Sechs kleine Pagen kamen, von denen jeder einen silbernen Leuchter trug, danach klopfte die Herzogin von Bourbon an die Tür und brachte ein goldenes Kästchen mit Konfekt, eine andere Herzogin bot kandierte Früchte an, in einer grünsamtenen Schatulle befanden sich Spiegel, Waschzeug, Kerzen, Kleiderbürsten, Kämme und Nachthauben: kurz, man setzte alles daran, daß sich Juana wohlfühlte. Nur einen brachte man ihr nicht: den Mann, nach dem ihr Herz begehrte. Der vergnügte sich unterdessen an der Tafel des französischen Königs mit allerlei schönen Damen und vermißte seine eifersüchtige Frau nicht im geringsten, im Gegenteil, er hatte Auftrag gegeben, Juana möglichst weit weg von ihm unterzubringen.
Juana sehnte sich nach Spanien. Aber auch dort sollte sie nicht die erhoffte Erholung finden, denn schon bald nach ihrer Ankunft bemerkte sie, daß es zwischen Philipp und ihren Eltern keine Gesprächsbasis gab, sobald diese den Schwiegersohn einmal durchschaut hatten. Die spanische Krone in den Händen eines jungen Mannes, dem Sitte und Moral unbekannt waren! Das war eine Vorstellung, die Ferdinand und Isabella sehr unangenehm sein mußte.
Philipp hatte auf äußerst ungeschickte Art die Schwiegereltern zu beeinflussen gesucht, ihm für die Zukunft Erbansprüche auf Spanien zuzusichern. Dabei stellte er seine Frau als geistig labil und wankelmütig hin, obwohl Juana gerade während dieses Aufenthaltes in Spanien noch sehr klare Entscheidungen traf. Der Schwiegersohn reiste schließlich vorzeitig ab, ohne Juana, die ein Kind erwartete. Erst als Philipp nach dem überraschenden Tod des spanischen Infanten Juan erkannte, daß seine Chancen auf den spanischen Thron wieder gestiegen waren, schrieb er eilends Briefe an seine Frau und bat sie, möglichst bald zu ihm zurückzukehren, obwohl er sich vorher kaum um sie gekümmert hatte.
Mit sicherem Instinkt hatte Isabella ihren Schwiegersohn erkannt und suchte, soweit ihr dies möglich war, zu verhindern, daß er Juana ausschalten konnte. Andererseits wußte auch sie, wie problematisch ihre eigene Tochter sein konnte und wieviel Energie sie aufwenden müsse, um das Volk davon