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Toten, ganz für sich allein zu haben? Hatte sie nicht durch ihre vielen gräßlichen Eskapaden schon bewiesen, wozu sie fähig war?

      In dem Gedenkblatt war nachzulesen:

      »In seinem Hals fand man ein gswer

      Darab gestorben was der herr.

      Als landes fürsten und doctor

      Sagen uns gantz furwor,

      das es war ein vergifft feber,

      Das do entspringt von der leber,

      daran er etlich tage lag,

      Und man gros rates hilfe pflag.

      Es möcht aber alles gehelfen nit,

      Es must des lebens werden quidt.«

      Allmählich wandten sich auch die letzten Getreuen von Juana ab, sie hatte die Nerven derjenigen zu sehr strapaziert, die sie bedauert und mit ihr geweint hatten. Sie war in ihrem Wahn nicht mehr zu ertragen. Man versuchte wieder einmal, ihr den Leichnam wegzunehmen, aber bei diesem Unterfangen schrie sie laut und schlug wild um sich, spuckte und geiferte. Alles, was durch Jahre hindurch an Absonderlichem, Merkwürdigem, beinahe Verrücktem in ihr geschlummert hatte, brach mit solcher Heftigkeit aus ihr hervor, daß alle, die sie sahen, auch ihr eigener Vater Ferdinand, von Grauen gepackt wurden.

      In ihrem eigenen Interesse und zum Wohle des Staates gab es nur eine einzige Lösung: man mußte sie in Gewahrsam nehmen. Sie wurde nach Tordesillas gebracht und dort für ihr weiteres Leben von den Mitmenschen abgesondert. In einem Tag und Nacht bewachten, versperrten Zimmer dämmerte sie dahin, wusch sich nicht, nahm kaum Nahrung zu sich und lag wirr und mit zerzaustem Haar, völlig verwahrlost, auf dem Fußboden wie ein wildes Tier. So erblickte ihr junger Sohn Karl, der Kaiser, zum ersten Mal Juana, als er sie auf seiner Spanienreise besuchte. Entsetzen ergriff ihn, als er sehen mußte, wer seine Mutter war.

      Völlig vergessen von der Welt starb Juana im Jahre 1555, eine Frau, die ihr Leben durch zügellose Leidenschaft selbst zerstört hatte. Ihr eigener Mann hatte sie um den Verstand gebracht.

       »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!«

      FERDINAND I. UND ANNA VON UNGARN

      Lange Schatten warf die Zukunft voraus. Das Weltbild der Menschen, die sich bis dahin im Schoße der Kirche geborgen gefühlt hatten, wankte. Christoph Kolumbus, der seefahrende Genuese, hatte Amerika entdeckt, und überall waren Abenteurer und Glückssucher unterwegs, um den Menschen des 16. Jahrhunderts neue Möglichkeiten zu zeigen, ihren Blick auf ferne Länder zu richten und alle bisher geglaubten Theorien in Frage zu stellen. Astronomen, Astrologen, Alchemisten, Philosophen forschten nach dem Unbekannten in der Natur, das nur darauf wartete, ans Licht geholt zu werden.

      Aber auch im Inneren der Menschen selbst gärte es. Zweifel kamen auf, ob das, was die Kirche jahrhundertelang als absolute Wahrheit verkündet hatte, der einzig richtige Weg zum ewigen Heil sein sollte. Männer traten auf und wiesen neue Bahnen, beunruhigten mit ihren Theorien nicht nur den einfachen Christen, sondern auch den Kaiser. Es war schwierig, in diesen Tagen Herrscher zu sein; nur ein ungewöhnlicher Geist konnte die Probleme der Zeit erkennen und eine Lösung suchen.

      Maximilian I. hätte die Fähigkeiten gehabt, der neuen Zeit die Stirn zu bieten, er war aufgeschlossen in allen Bereichen des Lebens und der Politik. Alles, was ihm fehlte, war das nötige Geld, um seine Interessen auch gebührend durchsetzen zu können. So sehr er auch stets versuchte, seine finanziellen Verhältnisse zu verbessern, so schwierig war es für ihn, Geldgeber zu finden. Er hatte keine glückliche Hand in diesen Dingen. Mehr Geschick bewies er, wenn es galt, günstige Heiraten abzuschließen, eine Voraussetzung, um die Vormachtstellung des Hauses Habsburg für die Zukunft zu sichern. Seine beiden Kinder Philipp und Margarete hatte er nach Spanien verheiratet, seine Enkel sollten verwandtschaftliche Beziehungen zu halb Europa knüpfen. »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!« Ein Motto, das über den letzten Lebensjahren Maximilians geschrieben stand. Gelang es ihm, seine beiden Enkel Karl und Ferdinand günstig zu verheiraten, so konnten sie das Riesenreich noch vergrößern.

      Schon Maximilian selbst hatte durch seine erste Gemahlin einen reichen Gebietszuwachs – Burgund mit seinen Nebenländern – erzielt. Sein Sohn Philipp erbte durch eine unvorhergesehene Fügung des Schicksals Spanien, Neapel, Sizilien und damit auch die neuentdeckten Länder, die zur spanischen Krone gehörten. Nach dem frühen Tod Philipps waren minderjährige Kinder und eine geisteskranke Witwe zurückgeblieben. Maximilian als Haupt der Großfamille traf weiterhin alle wichtigen Entscheidungen selbst. Das Weltreich, das in den Händen Juanas lag, war zuviel für einen einzelnen Menschen, nicht beherrschbar für einen Mann, eine Unmöglichkeit für eine gemütskranke Frau.

      Der älteste Sohn Philipps, Karl, der in den Niederlanden aufgewachsen war, sollte Maximilians Erbe als Kaiser antreten. Karl hatte man bewußt in den Niederlanden erzogen, um aus ihm, in dessen Adern spanisches, burgundisches und österreichisches Blut floß, einen populären Herrscher zu machen. In seiner grüblerischen, bigotten Art hätte Karl aber wohl besser nach Spanien gepaßt, wo sein Bruder Ferdinand als Spanier erzogen werden sollte, der aber in den Niederlanden eher am Platze gewesen wäre. Dem vierten Kind aus der leidenschaftlichen Ehe zwischen Philipp dem Schönen und Johanna der Wahnsinnigen, dem jungen Ferdinand, schenkte man auch im Reich besondere Aufmerksamkeit. Im allgemeinen waren zwar später geborene Kinder nicht so interessant wie die Erstgeborenen, aber Philipp hatte nur diese beiden Söhne, so daß man immer zittern mußte, ob nicht einer eines plötzlichen Todes starb. Dann würde der andere in die Fußstapfen des Bruders treten müssen.

      Ferdinand war am 10. März 1503 im spanischen Schloß Alcalá de Henares bei Madrid geboren worden und blieb lange Zeit zusammen mit seiner jüngsten Schwester Katharina in Spanien. Das fröhliche Kind war der Liebling seines Großvaters mütterlicherseits, nach dem er auch getauft worden war. Ferdinand von Aragon hatte keine besonders gute Beziehung zu seinem schönen Schwiegersohn gehabt, gar bald hatte er erkannt, daß Philipp ein machtgieriger, ziemlich rücksichtsloser, vor allem auf seinen Vorteil bedachter junger Mann war. Daß die Ehe seiner Tochter Juana nicht zum besten stand, war auch nicht zu übersehen.

      Auch hier hatte der Tod Philipps so manchen Konflikt gelöst, bevor er zum Ausbruch gekommen war. Ferdinand sah deutlich, daß Juana auf keinen Fall die Regentschaft über Spanien antreten konnte. Einer der Söhne mußte der zukünftige König von Spanien sein. Für den Kaiser war es klar, daß der älteste Sohn Karl alle Macht in seinen Händen vereinigen würde, Ferdinand von Aragon allerdings hoffte auf seinen jüngeren Enkel.

      Zunächst hatte man den kleinen Sohn und seine Schwester bei der Mutter gelassen, um ihr einen Trost zu gönnen. Als man aber sah, wie sehr sich Juana geistig und körperlich vernachlässigte, mußte man eine neue Obhut für die Kinder suchen.

      Der junge Ferdinand wurde ganz im spanischen Sinn erzogen, er lernte Spanisch, Französisch, Italienisch und Flämisch. Schon bald erkannte man die große Aufgeschlossenheit des Knaben, der sich für Literatur und die schönen Künste interessierte. Dazu kam sein heiteres, sonniges Wesen, das im Gegensatz zu der eher mißtrauischen, verschlossenen Art seines älteren Bruders stand. Es gab Pläne, ihn mit einer französischen Prinzessin zu verloben, der Kaiser aber hatte anderes vor. Maximilian war mit dem Jagiellonenkönig Wladislaw II. von Ungarn (als König von Böhmen Wladislaw V.) übereingekommen, dessen Tochter Anna mit einem habsburgischen Prinzen zu vermählen; Maria, die Enkelin Maximilians I., sollte den jungen Ludwig, den Sohn Wladislaws, heiraten. Nach intensiven Verhandlungen von beiden Seiten wurde beschlossen, daß Maximilian stellvertretend für einen seiner Enkel

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