"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

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Читать онлайн книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing страница 11

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die Runde unter den Adeligen. Philipp war ein Meister im Ausstreuen von Gerüchten über seine Frau, so daß sich Isabella ernsthaft überlegte, wie sie die Frage der Nachfolge um den Thron von Kastilien lösen sollte. Und sie setzte deshalb in ihrem Testament fest, daß bis zum Eintreffen Juanas Ferdinand die Regierungsgeschäfte erledigen sollte.

      Als Isabella von Kastilien 1504 im Alter von nur 53 Jahren starb, erfuhr Philipp von diesen Bestimmungen. Trotz seiner Empörung unternahm Juana nichts, um den Vater von diesen Aufgaben zu entbinden. Im Gegenteil, es schien, als sei sie froh, auf diese Weise einen letzten Trumpf, die spanische Krone, in Händen zu haben. Philipp hatte einiges unternommen, um Juana zu einer Verzichtserklärung zu veranlassen, aber alles, was sie unter Druck oder plumpen Schmeicheleien unterschrieben hatte, widerrief sie schon Stunden später, wenn Philipp die Maske fallen ließ und wieder sein brutales Alltagsgesicht zeigte. Als der Habsburger sah, daß er nichts erreichte, änderte er seine Taktik noch einmal von Grund auf. Er spielte plötzlich wieder den Verliebten und lockte Juana, wann immer es ging, ins gemeinsame Bett. Aber sie war nicht mehr zu täuschen. Wenn Philipp sich ihr scheinbar liebevoll näherte, begann sie zu schreien und zu toben und lieferte damit ihren Gegnern neue Gründe, ihre geistige Gesundheit anzuzweifeln. Im geheimen hatte Philipp das Tagebuch, das Juana über ihr Leben und ihre Einsamkeit am flandrischen Hof verfaßt hatte, abschreiben lassen, um diese verzweifelten und manchmal wirren Aufzeichnungen in Spanien gegen sie zu verwenden. Als die Zeit reif war, ließ er die Zeilen Juanas öffentlich vorlesen und die Zuhörer darüber urteilen, ob eine Frau, die derlei Dinge einem Tagebuch anvertraute, sich im Vollbesitz ihrer Geisteskräfte befinde.

      Noch heute erschüttert die Tragik von Juanas Schicksal: wie sie systematisch in das politische und menschliche Abseits gedrängt wurde, wie durch ihre eigene Leidenschaft und durch die Gleichgültigkeit ihres Mannes dunkle Züge in ihrem Wesen die Oberhand gewannen.

      Nach dem Tode Isabellas beschloß Philipp, mit Juana nach Spanien zu fahren, um die Dinge in seinem Sinne zu ordnen. Und obwohl ihm die Anwesenheit seiner Frau eher zuwider war, konnte er nicht umhin, sie mitzunehmen. Er ließ eine Flotte ausrichten, die den Stürmen und Wellen trotzen sollte. Unter dem großen Gefolge, das das Paar begleiten sollte, befanden sich auch Hunderte Dirnen, die Philipp auf ein eigenes Schiff bringen ließ. Juana schrie laut auf vor Empörung, als sie die leichten Mädchen mit ihren bunten Kleidern und bemalten Gesichtern sah und bestand darauf, daß die Frauen sofort von Bord gehen müßten, andernfalls würde sie selbst nie den Fuß auf ein Schiff setzen. Philipp schäumte vor Wut, mußte sich aber ihrem Willen fügen, da er seine Gemahlin vor den spanischen Cortes unbedingt brauchte. Allerdings wußte er einen Ausweg: in der Nacht ließ er die unliebsamen Passagiere wieder auf das Schiff bringen, so daß für geeignete Unterhaltung während der Seereise gesorgt war.

      Kaum war man aus dem schützenden Hafen ausgelaufen, als Sturm aufkam und die Schiffe kaum noch gesteuert werden konnten. Die Wellen türmten sich haushoch, seekrank und triefend naß lagen die Reisenden im Schiffsrumpf und sahen sich schon als Raub des Meeres. Auch Philipp war schwer angeschlagen, er jammerte und beklagte sein Schicksal und wäre beinahe von einer riesigen Welle über Bord gespült worden, hätten ihn seine Diener nicht im letzten Moment zurückgerissen. Seine Getreuen nähten ihn in einen Ledersack ein, den sie mit Luft aufbliesen. Auf der Außenseite schrieben sie mit großen Lettern: El Rey Don Felipe. Falls der König über Bord ging und hilflos im Meer trieb, so sollten doch die Fischer, die ihn irgendwo herauszogen, wissen, welch großer Fisch in ihre Netze gelangt sei.

      Juana stand dabei und sah zu, wie man ihren Mann, der bis dahin als Held gegolten hatte, in den Sack einnähte. Alle wunderten sich über ihren Gleichmut und ihre Furchtlosigkeit, und als man sie nach dem Grund ihres Verhaltens fragte, antwortete sie: sie habe noch nie von einem König gehört, der im Meer ertrunken sei. Sie selbst zog ihr schönstes Kleid an, niemand mußte ihr dabei Beistand leisten, da alle ihre Dienerinnen seekrank waren und selbst der Hilfe bedurft hätten. Dann suchte sie einen Beutel mit Dukaten hervor und stieg damit an Deck. Als man die Königin sah, bat man sie um eine Opfergabe, denn man hoffte, den Himmel durch eine Kollekte gnädig zu stimmen. Alle hatten viel von ihrem Vermögen geopfert, und als nun Juana auch ihr Scherflein beitragen sollte, kramte sie lange in ihrem Beutel herum und legte schließlich die kleinste Münze auf den Opferteller. Es sei genug, meinte sie, die Unwetter würden auch ohne Geldspenden aufhören. Ihre Reaktion wurde natürlich wieder mißverstanden, man sah in ihr nicht die furchtlose Frau, sondern glaubte, daß nur jemand, der daran war, den Verstand zu verlieren, angesichts des drohenden Todes so reagieren konnte.

      Nach den Tagen und Nächten des Grauens wurden die niederländischen Schiffe schließlich an die Küste von England verschlagen, wo ihnen der König, Heinrich VII., freundschaftlich Schutz und Hilfe anbot. Philipp nahm die Einladung des Königs nur zu gerne an, einige Wochen bei ihm als Gast zu bleiben, Juana hoffte darauf, ihre Schwester Catalina (Katharina von Aragon) zu treffen, die Witwe des Thronfolgers Arthur, der zwei Jahre zuvor gestorben war. (Später sollte sie dessen Bruder Heinrich ehelichen, der sie dann wegen Anna Boleyn verstieß.)

      Kaum war das Gefolge Heinrichs VII. an der Küste eingetroffen und hatte die Einladung seines Herrn überbracht, als sich Philipp schon auf ein Pferd schwang und auf und davon ritt. Im Schloß des Königs wurde alles vorbereitet, um dem Sohn des Kaisers den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Niemand fragte sich, was eigentlich mit Juana geschehen sollte. Man wußte aus Erzählungen, daß die Ehe der beiden beinahe am Ende war. Ein Fest jagte das andere, die Nächte wurden zum Tag gemacht, dazwischen gab es Turniere und Treibjagden. Alles, was Philipp liebte, wurde ihm hier am englischen Hof geboten, die köstlichsten Speisen, die erlesensten Weine und die schönsten Frauen. Erst nach Wochen entsann sich Philipp seiner Gemahlin, die immer noch in einem feuchten Schloß an der Küste darauf wartete, entweder als Gast des Königs bewirtet zu werden oder ihre Reise nach Spanien fortsetzen zu können. Endlich kam ein Bote, der eine Einladung Heinrichs nach Windsor überbrachte. Und jetzt hatte es Juana nicht mehr eilig. Sie ließ sich Zeit. Als sie schließlich in Windsor ankam, war es, als würde ein Eishauch auf die fröhliche Gesellschaft fallen. Sie erschien in schwarzer Tracht, das Haar streng zurückgekämmt, wie eine Rächerin. Vorbei war es mit Gesang und Tanz, und auch der König erkannte, daß es an der Zeit sei, sich von den Gästen zu verabschieden. Und Philipp beschloß, mit seiner Frau an die Küste zurückzukehren und dort zu warten, bis die schwer mitgenommenen Fregatten wieder in Ordnung gebracht waren.

      Juana hatte wieder einmal alle Frauen und Mädchen aus ihrer Nähe verbannt, so daß sie das einzige weibliche Wesen war, das Philipp zu sehen bekam. Nur so ist es wahrscheinlich zu erklären, daß er die Nächte in diesen Tagen ausschließlich mit seiner eigenen Frau verbrachte; mied er auch am Tage Juana, so fiel er doch jede Nacht in ihre offenen Arme.

      Es waren die letzten gemeinsamen Stunden, die Juana und Philipp miteinander verbrachten. Als sie die endlich wieder seetüchtigen Schiffe bestiegen, waren sie einander nicht mehr als zwei Fremde, von denen einer den anderen haßte. Juana ahnte, daß es Philipps einziges Ziel war, ihr die Krone von Kastilien zu entreißen, und sie wußte nicht, wem sie in ihrer Not mehr mißtrauen sollte, ihrem Mann oder ihrem eigenen Vater. Aus Gerüchten hatte sie erfahren müssen, daß auch Ferdinand daran interessiert war, die Tochter vom kastilischen Thron zu verdrängen.

      Philipp hatte in Spanien gut vorgearbeitet, seine Helfershelfer hatten die mächtigen Adeligen Spaniens überzeugen können, daß ein junger, dynamischer König mehr für das aufstrebende Land erreichen könne als ein Herrscher, der bis dahin jahrzehntelang unter dem Pantoffel seiner Frau gestanden sei. Daß der junge Monarch ein Habsburger war, störte die Landesfürsten kaum, im Gegenteil, wenn Philipp nach seinem Vater die Kaiserkrone erbte, würde er selten Spanien besuchen, dachten sie, und jeder könnte in die eigene Tasche arbeiten, ohne fürchten zu müssen, vom König überwacht zu werden.

      Juana und Philipp hatten kaum spanischen Boden betreten, als es zum offenen Konflikt aller gegen alle kam. Juana wollte die Huldigung der Cortes entgegennehmen, aber Philipp hatte dies geschickt zu verhindern gewußt. Alles verzögerte sich, und niemand wußte, was eigentlich in den nächsten Wochen passieren

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