"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

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Kleid, mit dem dunklen Haar, ihrer makellosen olivfarbenen Haut und den meergrünen Augen, sechzehn Jahre jung, lächelnd, winkend, strahlend.

      Margarete, die Schwester Philipps, hatte es übernommen, die Hochzeitsfeierlichkeiten genau festzulegen und die Trauung in allen Einzelheiten zu planen. Sie war Juana mit besonderer Herzlichkeit entgegengekommen und hatte das verschlossene Mädchen sofort für sich eingenommen.

      Die Hochzeitsfeierlichkeiten waren für den 20. Oktober 1496 festgesetzt worden. Je näher dieser Zeitpunkt rückte, desto neugieriger wurde nun auch Philipp auf seine spanische Braut. Endlich traf er in Lier ein, wo Juana auf ihn wartete. Philipp war früher als angekündigt gekommen, und als die Prinzessin den Hufschlag seines Pferdes im Hofe hörte, begann ihr Herz wild zu klopfen. Im nächsten Augenblick wurden die Türen aufgerissen, und Philipp stand vor ihr, jung, mit wehendem Haar, verschwitzt, aber dennoch strahlend, hinreißend. Juana sah ihn, und es war um sie geschehen.

      Aber auch Philipp war von ihrem Anblick überwältigt. Die Prinzessin war so ganz anders als die Mädchen, die er bisher gekannt hatte. Sie faszinierte ihn so sehr, daß er alles Protokoll über den Haufen warf; er mußte sie sofort haben, er wollte nicht warten, bis die offiziellen Trauungszeremonien vorüber waren. Zufällig war ein Geistlicher im Raum, dem Philipp bedeutete, er möge sie jetzt und auf der Stelle trauen. Der Priester, ein Spanier, verstand nicht sofort; Juana aber deutete instinktiv die Blicke, die Philipp unverwandt auf ihr ruhen ließ, richtig und gab dem Priester den Befehl, sie sofort im christlichen Sinne zu verbinden. Beide knieten kurz nieder, Philipp hielt die Hand Juanas, der Geistliche sprach einige Worte, die beide kaum hörten, dann verließen die jungen Leute fluchtartig den Raum. Philipp zerrte Juana in einen Saal des Palastes, in dem ein breites Himmelbett stand, über dem schnell eine Dienerin ein Kruzifix angebracht hatte, dann warfen sie sich aufs Bett und rissen sich gegenseitig die Kleider vom Leib. Für Juana begann die Liebesraserei, die sie um den Verstand bringen sollte.

      Die formellen Hochzeitsfeierlichkeiten am darauffolgenden Tag ließen die beiden bloß noch über sich ergehen: für die Bevölkerung des Landes aber waren sie ein Fest. In den Straßen wurde getanzt und gesungen, farbig gekleidete Menschen und bunte Blumen bildeten den festlichen Rahmen, Musik spielte auf, und man jubelte dem jungen Paar zu, wo immer es sich zeigte. Sie waren ein Brautpaar wie aus dem Bilderbuch, der Prinz groß und blond, strotzend vor Kraft und Gesundheit, die Prinzessin zierlich, beinahe zerbrechlich, dunkel, geheimnisvoll. Philipp und Juana waren wie in Trance, als die Trompeten den Einzug der Brautleute in der Kollegienkirche von Cambrai ankündigten. Sie schritten durch ein Spalier von begeisterten Menschen zum Altar, wo der Bischof feierlich die offizielle Trauung der beiden Königskinder vornahm.

      Der Hochzeitsschmaus wurde im alten Palast der Herzöge von Brabant eingenommen, aber es stellte sich bald heraus, daß die Räumlichkeiten für die vielen geladenen Gäste zu klein waren. So wandelte man in aller Eile einen in der Nähe gelegenen Getreidespeicher zum Bankettsaal um, Tische und Bänke wurden hereingeschleppt, einige Teppiche eilig aufgelegt, um den kahlen Raum etwas gemütlicher zu gestalten, und dann flossen Wein und Bier in Strömen. Alles, was Küche und Keller zu bieten hatten, wurde aufgetragen, die Silberschüsseln gingen über von all den Köstlichkeiten, die Hunderte von Köchen zubereitet hatten. Juana und Philipp saßen inmitten der fröhlichen Schar und warteten nur auf den Augenblick, in dem sie sich ungesehen zurückziehen konnten. Die Prinzessin war kaum fähig, ein paar Bissen zu sich zu nehmen, und auch Philipp lehnte dankend die ihm angebotenen Becher Weines ab. Das Feuer der Liebe und Begierde brannte in ihnen beiden lichterloh, und das konnte kein Wein löschen. Juana war wie in einem Bann, ihre Zurückhaltung und Schüchternheit waren einer rauschhaften Leidenschaft und Besitzgier gewichen, die für die Zukunft nichts Gutes versprachen. Die Flammen, die sie beide zu Beginn ihrer Ehe verzehrten, mußten sie im Laufe der Zeit verbrennen.

      Noch war Philipp an Juana interessiert, noch konnte sie ihn durch ihre Leidenschaft verzaubern, und er glaubte sogar, das feurige Mädchen für alle Zeit zu lieben. Er verwechselte Leidenschaft mit Liebe, da er aber die wahre Liebe nicht kannte, glaubte er sie nun gefunden zu haben.

      Aber Philipp war kein Mann fürs Leben, kein Ehemann, den man an sich binden konnte, der zu Hause blieb und keine andere mehr ansah. Dazu hatte er zu leichtes Blut in den Adern und zu viele Erfahrungen mit anderen Frauen hinter sich. So konnte es nicht ausbleiben, daß er sich bald nach der Hochzeit eingesperrt, eingeengt und umklammert fühlte und sich mit allen Mitteln zu befreien suchte. Es kam zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den beiden, zu Vorwürfen, Ausflüchten, Versprechungen und Tränen. Und danach stürzte man gemeinsam ins Bett und feierte ausgiebig Versöhnung. Dabei verstand es Philipp meisterlich, die Sehnsüchte und Zweifel seiner jungen Gemahlin zu zerstreuen.

      Aber allmählich wurde selbst dem liebesdurstigen Philipp die Raserei seiner Frau zuviel, und er bemerkte wieder, daß es außer Juana nach wie vor auch andere schöne Mädchen gab, die er, wenn sie ihn nicht beobachtete, wohlgefällig betrachtete. Und er wußte, daß die blonden und blauäugigen flandrischen Frauen für ihn jederzeit zu haben waren und daß sie ihn nach einer gemeinsam verbrachten Nacht nicht an sich ketten wollten. Juana erkannte instinktiv diese Gefahr und wachte eifersüchtig darüber, daß an ihrem Hof kein hübsches weibliches Wesen zu finden war. Sie bedachte dabei allerdings nicht, daß sie Philipp auf diese Weise noch eher aus dem Haus treiben würde. Er hatte immer wieder andere Vorwände, um den Palast zu verlassen: einmal war es eine Jagd mit Freunden, das nächste Mal ein ritterlicher Wettkampf, zu dem nur die Männer geladen waren. Dazu kam, daß Juana schon bald ein Kind erwartete, so daß ihr beschwerliche Reisen nicht zuzumuten waren. Der Prinz war froh und glücklich, wenn er sich im Kreise seiner alten Freunde aufhalten konnte, die lustigen Zeiten waren noch lange nicht vorüber, und meist endeten diese Ausflüge im Bett eines schönen Mädchens. Der spanische Gesandte Gomez de Fuersalida schilderte den jungen Habsburger: »Er ist ein guter Mensch, aber willensschwach, ist ganz und gar seinen Gelüsten ausgeliefert, die ihn im Trubel eines leichtfertigen Lebens von Bankett zu Bankett, von einem Weib zum anderen schleppen …«

      Es konnte Juana nicht verborgen bleiben, wo sich Philipp tage- und wochenlang aufhielt, sie hatte ihre Informanten, die ihr von den amourösen Abenteuern ihres Mannes berichteten. Kehrte er dann zu ihr zurück, kam es zu den häßlichsten Eifersuchtsszenen, die darin gipfelten, daß er Juana auf seine Art strafte und nicht mit ihr schlief. Er ließ sich von seinen Dienern ein eigenes Zimmer für die Nacht zurechtmachen und zog sich unter dem lauten Geschrei seiner liebesdurstigen Frau dorthin zurück.

      Wahrscheinlich wäre das Leben beider in anderen Bahnen verlaufen, hätte Juana Philipp nicht ständig auf Schritt und Tritt bewachen lassen und versucht, Toleranz zu üben, wäre sie ein wenig gelassener und großzügiger gewesen. So aber trieb sie ihn mit ihrer Eifersucht aus dem Haus. Wenn er sich dann heimlich zurückschlich und versuchte, abseits von ihren Räumlichkeiten in Ruhe die Nacht zu verbringen, bezog Juana, kaum hatte sie von seiner Rückkehr erfahren, ein Zimmer im Stockwerk über seinem Raum und begann mit den Fäusten auf den Boden zu trommeln und immerfort seinen Namen zu rufen. Als Philipp einmal nicht reagierte, begann sie die Bretter des Fußbodens herauszureißen und flehte ihn weinend an, doch zu ihr zu kommen. Philipp blieb in seinem Raum und machte ihr nach dieser schlaflosen Nacht am nächsten Tag vor sämtlichen Dienern und Gefolgsleuten eine fürchterliche Szene.

      Aus der leidenschaftlichen Liebe war ein schrecklicher Kampf geworden. Und je mehr Juana sich Philipp unterwarf, desto mehr fühlte er sich von ihr abgestoßen, je leidenschaftlicher sie ihn umarmte, desto mehr erkaltete er in ihren Armen.

      In jeder Frau, in jedem Mädchen, das in die Nähe Philipps kam, erblickte Juana eine mögliche Rivalin, die sie mit dem größten Mißtrauen verfolgte. Einmal beobachtete sie ein blondes Mädchen, das einen Brief für Philipp in Händen hielt. Juana stürzte sich auf das Mädchen und versuchte ihm den Brief zu entreißen. Wahrscheinlich war es auch wirklich ein Liebesbrief, denn die Besucherin zerriß das Schreiben vor den Augen Juanas und schluckte die Papierfetzen hinunter. Das war zuviel für die rasende Frau, es war ein Eingeständnis und mußte schwer bestraft werden. Juana lief ins

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