"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing страница 14
Nachdem sich die beiden Herrscher geeinigt hatten, zog man mit großem Gefolge nach Wien, um dort 1515 die Doppelhochzeit zu feiern. Dieses Ereignis sollte als der erste Wiener Kongreß in die Geschichte eingehen. Die Chronisten berichteten von einem riesigen Fest, das mit eindrucksvollem Gepränge abgehalten wurde. Man verstand in dieser Zeit zu feiern, und die Lustbarkeiten dehnten sich über viele Wochen aus. In den Quellen findet man ausführliche und anschauliche Berichte über die Hochzeitsfeierlichkeiten: Der enge Vertraute Maximilians, Johann Spießhammer, der im Stil der Zeit seinen Namen latinisiert hatte und sich als Chronist Cuspinianus nannte, schildert in anschaulichen Worten das große Ereignis, das zu einem einmaligen Fest für Wien und den Kaiser werden sollte. Es war ein Treffen von drei mächtigen Herrschern, hinter dem das Ziel des Kaisers stand, die drei Länder Böhmen, Ungarn und Österreich durch ein Ehebündnis zu vereinen.
Die Könige aus Ungarn und Polen zogen zum Schloß Trauttmansdorff in der Nähe von Wien, wo die erste Zusammenkunft stattfinden sollte. König Wladislaw war schon sechzig Jahre alt und ließ sich in einer Sänfte tragen, während Anna in einem von sechs Schimmeln gezogenen Prunkwagen beim Schloß vorfuhr. Der polnische König hingegen, der Bruder Wladislaws, dem man Lebenslust und Frohsinn ansah, ritt auf einem edlen Roß, dessen Geschirr von Gold und Edelsteinen strotzte. Auch der junge Ludwig kam zu Pferde, umgeben von den Mächtigen des Reiches. Alles erwartete die Ankunft des Kaisers, viel Volk war gekommen, um das Schauspiel mit eigenen Augen sehen zu können, man hatte den weiten Weg aus Böhmen, Ungarn und Polen, ja selbst aus der Tartarei nicht gescheut, um das einmalige Fest miterleben zu können. Gaukler und Taschenspieler, Traumdeuter und Handleserinnen tummelten sich hier und unterhielten die Wartenden mit ihrer Kunst. Endlich ertönte von ferne heitere Musik, glänzende Reiter in blinkenden Rüstungen galoppierten heran, und dann sah man auch ihn, den Kaiser.
Maximilian war nicht mehr jung, als er zum glanzvollsten Fest des Jahrhunderts nach Wien kam. Er war sechsundfünfzig, und die Jahre hatten tiefe Furchen in seinem einstmals männlich schönen Gesicht hinterlassen. Jetzt aber strahlte er, als er seiner mit Gold und Purpur verzierten Sänfte entstieg. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, nach einem Leben voller Geldsorgen, voller Auseinandersetzungen mit dem französischen König, mit Bürgern und Bauern. Alles schien jetzt vergessen. Die Gesandten der mächtigsten Staaten Europas waren nach Wien gekommen, um ihm zu huldigen und die Hochzeit seiner Enkelin zu verschönern. Die Abgesandten Spaniens, Englands, Bayerns, Württembergs, Mecklenburgs und anderer Länder gaben dem Fest durch ihre Anwesenheit ein feierliches Gepräge. Dazu kamen noch die Adeligen aus dem Reich und aus Österreich, die es nicht versäumen wollten, hier in Wien dem Kaiser die Ehre zu erweisen.
Nachdem Maximilian seiner Sänfte entstiegen war, ging er auf die Kinder zu und reichte ihnen freundlich die Hand. In lateinischer Sprache rief er laut aus: »Dies ist der Tag, den der Herr gesendet. Lasset uns freudig und fröhlich sein.« Als die große Menge des Volkes die Worte des Kaisers hörte, brach ein unwahrscheinlicher Jubel aus, die Kinder schmiegten sich an Maximilian, und Wladislaw konnte vor Rührung kein Wort herausbringen. Man war sich der bedeutungsvollen Stunde bewußt, die Zeichen der Zeit standen gut für eine endgültige Vereinigung der drei Länder im Osten. Freilich konnten die Anwesenden damals noch nicht erahnen, wie eng Böhmen und Ungarn in den nächsten vier Jahrhunderten mit dem Schicksal Österreichs verknüpft sein sollten. Die Weichen hiezu wurden bei der Wiener Doppelhochzeit gestellt.
Heiraten, bei denen die zukünftigen Eheleute gar nicht anwesend waren, entsprachen ganz dem Stil der Zeit. Wenn man bedenkt, daß es in den bedeutenden europäischen Herrscherfamilien durchaus üblich war, Söhne und Töchter im Kleinkinderalter zu verheiraten, kann man sich vorstellen, daß diese Eheschließungen immer durch Stellvertreter vorgenommen wurden. Die Kinder wuchsen heran, und erst wenn sie in der Lage waren, die Ehe tatsächlich zu vollziehen, machte man sie miteinander bekannt. Die betreffenden jungen Eheleute hatten dann überhaupt kein Einspruchsrecht mehr. Viele der Töchter wurden förmlich als Heiratsgut verschachert. Was spielte es schon für eine Rolle, wie die Brautleute aussahen oder ob sie zueinander paßten! Erstaunlicherweise gab es aber doch genügend junge Leute, die sich aneinander gewöhnten und sich in gewissem Maße auch sympathisch waren.
Die Doppelhochzeit von Wien war unter den gleichen Voraussetzungen vereinbart worden. Aber ein glücklicher Zufall wollte es, daß die zwölfjährige Anna zwar vorerst stellvertretend mit dem Kaiser selbst verheiratet wurde, dann aber einen Mann bekam, der im Alter gut zu ihr paßte. Zunächst aber mußten alle in Wien die langen und überaus prächtigen Zeremonien über sich ergehen lassen, und die wenigsten der Zuschauer dachten bei dem eindrucksvollen Schauspiel an die Menschen, die hier für ein Leben lang miteinander verbunden wurden. Nach der ersten Unterredung im Schloß Trauttmansdorff, die über eine Stunde gedauert hatte, zog sich Maximilian nach Laxenburg zurück, während der König von Polen in Enzersdorf übernachtete. Der ungarische König blieb mit seinen Kindern in Trauttmansdorff. Am 17. Juli wurde in Schwechat eine Zusammenkunft angesetzt, dann erst zog man mit großem Gepränge in Wien ein. Cuspinianus berichtet:
»Aus der Stadt zogen dem Kaiser und den Königen auf eine Viertelmeile des Weges entgegen an tausend fünfhundert Bürger und Bürgersöhne, alle in Scharlach gekleidet; vor ihnen her ritten sechs mit ritterlicher Würde geschmückte Ratsherren in silbernem Harnisch, um die Fürsten im Namen der Stadt mit Gruß und Geschenken zu bewillkommnen. Nach diesen kamen fünfhundert deutsche Landsknechte mit langen Spießen und Handröhren, alle schön und gleich gekleidet. Bis an die steinerne Brücke vor dem Stubentor giengen sämmtliche Ordensgeistliche, die alle Heiligthümer ihrer Kirchen mit sich trugen. Diesen folgten Schulknaben in großer Menge, deren jeder ein mit dem ungarischen, polnischen und österreichischen Wappen bemaltes Fähnlein trug. Hierauf kam die übrige Clerisei von Wien, dann alle Studenten, Professoren und Doctoren der Universität, endlich die Zechen oder Handwerkszünfte mit ihren Fahnen, sechzig an der Zahl.«
Macht und Ansehen des Kaisers waren auf ihrem Höhepunkt angelangt. Maximilian empfing nun den Lohn für sein jahrzehntelanges Bemühen, das Habsburgerreich nach bestem Wissen und Gewissen zu beherrschen, Recht und Ordnung walten zu lassen und trotzdem der neuen Zeit, wenn auch nur in geringem Ausmaß, die Türen zu öffnen.
Nach den Vertretern des Volkes, des Adels, der Universität und der Handwerksleute folgten in dem farbenprächtigen Zug die Reitereien der verschiedenen Völker, Ungarn, Böhmen, Polen, Mährer, alle von ihrer Musik begleitet. Der österreichische Adel ließ es sich nicht nehmen, dem Kaiser die Ehre zu erweisen und war vollzählig erschienen, ebenso wie die Räte und Berater des Kaisers und der Könige. Der Kaiser und der König von Ungarn wurden in Sänften getragen, der König von Polen und Ludwig zogen es vor, auf prachtvollen Pferden durch das jubelnde Volk zu reiten. Die Damen, Anna von Ungarn, und Maria, die Enkelin Maximilians, fuhren in prächtigen Kutschen zum Dom St. Stephan, wo der Bischof von Wien, Georg von Slatkonia, über die Anwesenden den Segen sprach. Danach zogen sich alle in ihre Palais zurück, Maximilian, Wladislaw und die Kinder wohnten in der Burg, wo man sich von den Strapazen bei köstlichem Essen, einem edlen Tropfen und fröhlicher Musik erholte.
Am 22. Juli 1515 fand die eigentliche Vermählung im Stephansdom statt. Es war eine eindrucksvolle Feier, ganz nach den Vorstellungen der Zeit. Der Kaiser, die Könige Wladislaw und Siegmund von Polen sowie der junge Ludwig waren in golddurchwirkten Brokat gekleidet. Sie standen auf der rechten Seite, die beiden Bräute nahmen in der Mitte Platz. Als apostolischer Legat war der Kardinal von Gran gekommen, der päpstliche Nuntius, der Kardinal von Gurk und weitere vierzehn Bischöfe und Prälaten sollten den Segen Gottes für die beiden Ehepaare erflehen. Die Kirche war prachtvoll mit Blumen und Teppichen geschmückt, Kerzen erhellten das dunkle Gemäuer. Nachdem Maximilian vor dem Grabmal seines Vaters, Friedrichs III., den kaiserlichen Ornat übergezogen hatte, den man auf eine Million Gulden schätzte, ließ er sich mit der kleinen Anna von Ungarn