"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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Читать онлайн книгу "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können" - Sigrid-Maria Größing страница 16
Die Brüder einigten sich relativ rasch, welche Aufgaben sie in dem Weltreich übernehmen wollten, das ihnen der Großvater hinterlassen hatte. Ferdinand anerkannte Karl als Kaiser, und dieser teilte das Reich im Vertrag von Brüssel, 1522. Ferdinand wurde außerdem als Statthalter eingesetzt, das heißt, als Vertreter des Kaisers, wenn dieser außer Landes oder auf Kriegszügen war. Dadurch erhielt der jüngere Bruder eine Fülle von Macht, denn die österreichischen Gebiete des Reiches waren sprachlich ein geschlossenes Gebiet, das die Habsburger seit Generationen regierten. Karl hatte dem Bruder schließlich auch Tirol und die Vorlande übertragen; daß Böhmen und Ungarn das Reich im Osten abrunden würden, war im Jahr 1522 noch nicht vorherzusehen.
Freilich hatte Ferdinand nicht nur Länder übernommen, er war mit einer Bürde von weltgeschichtlicher Bedeutung beladen worden: mit dem Kampf gegen die Türken, den noch seine Kinder und Kindeskinder fortführen mußten. Viel Geld und noch mehr Blut kostete der Krieg gegen die Osmanen, die sich in ihrem Drang nach dem Westen von niemandem aufhalten lassen wollten. Der junge König von Ungarn, Ludwig II., der als König keine eindrucksvolle Rolle spielte, da er zum Spielball zweier machthungriger Parteien geworden war und sich nie eindeutig entscheiden konnte, für wen er eigentlich war, verlor auf dem Schlachtfeld von Mohács 1526 sein Leben, ohne einen Erben zu hinterlassen. Seine junge Witwe Maria, die Schwester Karls und Ferdinands, versuchte in Ungarn noch einige Zeit mit geschickter Hand die habsburgischen Interessen zu vertreten, ohne es natürlich verhindern zu können, daß die Türken immer weiter nach Westen vorrückten und nur durch ein mächtiges Heer aufzuhalten waren.
Durch den Tod Ludwigs wurde der alte Traum der Habsburger, Ungarn und Böhmen zu erwerben, wahr, und gleichzeitig erfüllte sich auch menschliches Glück. Denn so sehr sich Anna, wahrscheinlich unter dem Einfluß ihres ehrgeizigen Bruders, gegen Ferdinand als Gemahl gestellt hatte, so glücklich wurde die Verbindung ein Leben lang.
Sie paßten gut zusammen, der eher zierliche, nicht allzu große Ferdinand mit seiner ausgeprägten Unterlippe, dem blonden Haar und den lebhaften, fröhlich dreinblickenden Augen, die Lebensmut und Güte ausstrahlten, und die kleine Königstochter. Die Zeitgenossen überbieten sich geradezu in der Lobpreisung ihrer äußeren Schönheit, und ein venezianischer Gesandter beschreibt sie als »bellissima, onestissima«. Ein Porträt aus dem Jahre 1521 zeigt ein zartes, rundliches Mädchengesicht mit einem kleinen, schönen Mund. Das rötlichblonde Haar und die blauen Augen, für eine ungarische Königstochter eher ungewöhnlich, hatte Anna von ihrer romanischen Mutter geerbt. Sie war auch nicht allzu groß, und so bildeten Ferdinand und sie ein ausgewogenes Paar.
Auch auf ihre geistige Ausbildung hatte schon ihr Vater Wladislaw Wert gelegt, und als Anna nach dem ersten Wiener Kongreß in Innsbruck weiter erzogen wurde, achtete man darauf, daß sie neben anderen weiblichen Fertigkeiten wie Handarbeiten und Sticken auch geistige Interessen pflegte. Ferdinand schätzte ihre politische Umsicht und ihr Geschick, im richtigen Augenblick das Richtige zu tun, ein Leben lang, er hörte gern auf ihren Rat, setzte sie, wenn er außer Landes war, als seine Vertreterin ein und betraute sie mit der Regentschaft, eine Auszeichnung, die nur wenigen Frauen von Herrschern zuteil werden sollte.
Nach den Jahren des Erwachsenwerdens in Tirol, die sie mit ihrer zukünftigen Schwägerin Maria verbracht hatte, mit der sie ihr ganzes Leben hindurch eine innige Freundschaft verbinden sollte, feierten Ferdinand und Anna im Jahre 1521 endlich wirklich Hochzeit. Die Stadt Linz war dazu ausersehen, den festlichen Rahmen für dieses große Ereignis zu bilden. Linz sollte auch in Hinkunft immer eine besondere Rolle im Leben Ferdinands spielen.
Anna wurde in feierlichem Zuge aus Tirol nach Linz gebracht, sehr zum Mißfallen der Tiroler, denn die Innsbrucker hatten sich von der Hochzeit des Kaiserenkels mit der Königstochter großen finanziellen Gewinn erhofft. Der Bräutigam brach aus dem Rheinland auf und nahm mit seinem Gefolge den Weg über Heidelberg nach Augsburg. Er reiste in erlauchter Begleitung; der Salzburger Erzbischof Matthäus Lang und Herzog Ludwig von Bayern gaben ihm die Ehre. In Augsburg veranstaltete Jakob Fugger für die hohen Herrschaften ein rauschendes Fest. Die Fugger hatten längst eine besondere Beziehung zu den Habsburgern, die auf Gegenseitigkeit beruhte: das Geld spielte hier wie dort die Hauptrolle. Danach zogen der Bräutigam und seine Getreuen weiter nach Regensburg, wo sie als Gäste des Bischofs verweilten. Zu Schiff setzten sie ihren Weg fort gen Linz und kamen am Dreifaltigkeitssonntag an.
Dicht gedrängt standen die Menschen am Ufer der Donau, um den Kaiserenkel zu begrüßen. Bischof Georg Slatkonia, der schon die Trauung in Wien vorgenommen hatte, holte den achtzehnjährigen Prinzen und seine Begleiter ab. Eine schier endlose Zahl von weltlichen und geistlichen Würdenträgern hatte den oft weiten Weg nach Linz nicht gescheut, um durch ihre Anwesenheit das Hochzeitsfest zu verschönern. So sah man unter den Gästen den Kardinal und Bischof von Trient, Bernhard von Cles, den Bischof von Laibach, Bischof Berthold Pistinger von Chiemsee, Johann von Brandenburg, Herzog Ernst von Bayern, seinen Bruder Herzog Wilhelm, Kasimir von Brandenburg, den kaiserlichen Gesandten Andreas de Burgo, den Probst von Preßburg, Hieronymus Balbi, der sich schon als Unterhändler bei den Heiratsplänen Karls V. einen Namen gemacht hatte, die Grafen von Gradisca und Siegmund Herberstein. Der Bruder der Braut, König Ludwig von Ungarn, war nicht erschienen, und auch seine Vertreter hatten nur zögernd den Weg nach Linz angetreten, brachten aber um so reichlichere Hochzeitsgeschenke mit. Der ungarische Adel stattete die Braut überreichlich mit Gold, Silber und Seidenballen, Perlen und Juwelen aus. Allein das Geschenk des Bischofs von Fünfkirchen soll einen Wert von 10 000 Dukaten besessen haben. Ferdinand hatte mit Anna nicht nur eine schöne, junge, liebenswürdige Braut bekommen, auch ihre Aussteuer konnte sich sehen lassen und besserte die beinahe leeren Kassen des Bräutigams gehörig auf. Ferdinand und sein Bruder Karl hatten ja noch für Jahre an den Schulden des Großvaters zu tragen.
Schon am Tag nach dem ersten Zusammentreffen der beiden jungen Leute – auch die Braut zählte achtzehn Lenze – nahm der Erzbischof von Salzburg, Matthäus Lang, die Trauung in der Pfarrkirche von Linz vor. Als hätte die Stadt das große Ereignis schon Jahre vorher geahnt, hatte man die Pfarrkirche nach dem großen Brand von 1509 vollkommen erneuern lassen, die dreischiffige Basilika erstrahlte in vollem Glanz.
Vielleicht war es Liebe auf den ersten Blick, was die Königskinder zusammenführte, und diese Liebe hielt bei beiden ein Leben lang an. Obwohl Ferdinand vorher keine besonderen Beziehungen zu Mädchen oder jungen Damen aus dem Adel gehabt hatte, war er von Anna vom ersten Augenblick an fasziniert. Was ihre Väter und Großväter als politische Eheschließung gedacht hatten, wurde zu einer echten Liebesheirat und im Laufe der Jahre zu einer der glücklichsten Ehen im Hause Habsburg. Auf die Vorhaltungen seiner Ratgeber, die Ferdinand überreden wollten, nicht ohne sexuelle Erfahrungen in die Ehe zu gehen, hatte der Prinz nur kurzerhand geantwortet: »Natura sagax satis docebit« (Die weise Natur weiß sich zu helfen). Und er sollte recht behalten, er brauchte keine vorehelichen Abenteuer, um mit seiner Anna glücklich zu werden. Im Laufe der Zeit schenkte ihm seine Gemahlin fünfzehn Kinder, die alle (bis auf zwei, die im Kindesalter starben) in einer harmonischen Familie aufwuchsen, weil die Eltern einander liebten.
Drei Tage lang wurde ununterbrochen gefeiert, eine Lustbarkeit löste die andere ab, und der Wein floß in Strömen. Die erlesensten Delikatessen waren nach Linz gebracht worden, um auch die verwöhnten Spanier aus Ferdinands Gefolge zufriedenzustellen. Alles hatte man bei den Speiseplänen bedacht, nur nicht, daß das Geschirr knapp werden könnte: Es gab eine solche Menge von Köstlichkeiten für die riesige Zahl von Gefolgsleuten und geladenen Gästen, daß man sich aus dem benachbarten Steyr 200 Zinnschüsseln ausleihen mußte.
Nach