"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing
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»Wiewohl Wir itzt Euer Liebden das Wort gegeben, daß Ihr Unser Gemahlin seyn sollet, so ist doch solches geschehen im Namen Unserer beiden abwesenden Enkel und in der Meinung, Euer Liebden an einen von denselben zu vermählen, den Wir auch hiermit Euch ehelich versprechen. Und weil mein Enkel Carl die Königreiche Castillien und Arragonien, sein Bruder Ferdinand aber das Königreich Neapel zu erben und zu erwarten hat, so erklären und nennen Wir hiemit Euer Liebden eine Königin, und wollen Euch zu einer solchen gekrönet haben!«
Nach diesen Worten setzte Maximilian der jungen Anna die Krone auf.
Anschließend wurden Ludwig von Ungarn und Maria getraut. Ein allgemeines Lob des allmächtigen Gottes beschloß die Feier, bei der auch noch zweihundert Jünglinge zum Ritter geschlagen wurden.
Noch eine weitere Heirat wurde an diesem Tage feierlich begangen: der besondere Liebling des Kaisers, Siegmund von Dietrichstein, heiratete die schöne Barbara von Rottal. Der Kaiser selbst und der ungarische König führten die Braut zum Altar.
Das Fest der Vermählung war zwar vorüber, aber die Zeit der Feiern und Turniere noch lange nicht. Tagelang wurde gegessen und getrunken, mehr als dreihundert Speisen aufgetragen, der Wein floß in Strömen und die goldenen, mit Edelsteinen besetzten Pokale wurden nie leer. Erst am 29. Juli trennte man sich in herzlichster Freundschaft. Am 3. August wurde in Neustadt ein offizieller Freundschaftsbund besiegelt.
Maximilian und Wladislaw sollten sich nicht mehr wiedersehen, denn schon ein Jahr später raffte der Tod den Ungarnkönig dahin. Sein Sohn Ludwig folgte ihm auf den Thron. Für den jungen König standen schwere Zeiten bevor, er hatte in einer verworrenen, unruhigen Zeit das Erbe seines Vaters angetreten. Die Türken stießen immer heftiger nach Westen vor, und jeder, der auf dem ungarischen Thron saß, wurde über kurz oder lang mit diesem gewaltigen Problem konfrontiert.
Die schönen Tage von Wien waren auch für die jungen Mädchen vorbei. Anna wurde nach Innsbruck gebracht, um sich auf die Ehe mit einem der Kaiserenkel vorzubereiten. Noch hoffte sie im geheimen auf Karl als Gemahl; von Ferdinand hatte sie bis jetzt nur wenig vernommen. Sie stellte sich ganz auf Karl ein, und ihr Bruder, König Ludwig II. von Ungarn, forderte geradezu die Einlösung des »Versprechens« von Wien. Seine Schwester sollte Karl, den Kaiser heiraten! Für beide, für Ludwig und Anna war es zunächst eine große Enttäuschung, als sie erfahren mußten, daß man für den jungen Kaiser eine andere Frau vorgezogen hatte. Anna wußte natürlich nicht, daß sie mit dem jüngeren Bruder eigentlich das große Los gezogen hatte, denn Ferdinand hatte nicht nur ein fröhliches und gewinnendes Wesen, er war zudem äußerst gebildet und fähig, eine Frau von ganzem Herzen zu lieben. Außerdem führte er ein wesentlich ruhigeres Leben als sein Bruder, der ständig in dem riesigen Reich unterwegs war, alle Unbilden des Reisens auf sich nehmen mußte und dabei schon in jungen Jahren seine Gesundheit einbüßte.
Ferdinand war von frühester Jugend auf gewöhnt, sich mit Büchern und Musik zu beschäftigen. Von seinem großen Lehrmeister Erasmus von Rotterdam hatte der junge Prinz viele Lebensweisheiten übernommen. Dazu kam ein reges Interesse an der Archäologie, der Geschichte und an allem, was seine Vorfahren betraf. Er stellte eine Münzsammlung zusammen und begann nach Kunstschätzen, die im Besitz der Familie waren, Ausschau zu halten, um sie im geeigneten Rahmen aufzubewahren. Er war ein in weiten Dimensionen denkender junger Mann, ganz im Stil der Renaissance, ohne allerdings persönlich in den lockeren Lebenswandel, der damals herrschte, zu verfallen. Sein Leben war eher asketisch, Schwelgereien und vor allem Völlerei, an der sein Bruder beinahe zugrunde ging, verachtete er zutiefst. War Karl V. ein ungewöhnlich großer Esser und Trinker, der die auserlesensten Leckerbissen liebte und selbst noch in der Einsiedelei des Klosters St. Yuste in Spanien, die er selbst gewählt hatte, täglich die raffiniertesten Speisen genoß, so pflegte Ferdinand nur einmal am Tag zu essen. Obwohl er schon sehr früh sein Tagwerk begann – er stand im Morgengrauen auf –, aß und trank er nichts bis zu Mittag. Dann wurden ihm einfache Speisen serviert, denen er aber auch nur mäßig zusprach. Allerdings war Ferdinand ein toleranter Mensch und achtete die Gewohnheiten anderer. In persönlichen Dingen zwang er niemandem seinen Willen auf, er forderte auch nicht von seiner Familie dieses Maßhalten im Essen und Trinken. Sein zweiter Sohn, der den Namen des Vaters trug, war eher ein Genießer, der manchmal so lange aß und trank, daß ihn seine heilkundige Frau Philippine Welser anschließend kurieren mußte.
Ferdinand I. war wohl eine Ausnahme in einer lebensfrohen und sinnenfreudigen Zeit. Er wußte, daß er mit Anna von Ungarn versprochen war, und er hielt sich daran. Wenn andere Söhne aus allen Adelsschichten ihre galanten Abenteuer hatten – auch sein Bruder Karl –, so lebte der junge Prinz in völliger Keuschheit, was viele seiner Zeitgenossen nicht verstehen konnten. Die Renaissance hatte den menschlichen Körper wiederentdeckt; in Kunst und Literatur, in Liedern und Schwänken stand der Leib in seiner Schönheit, aber auch mit seinen Schwächen im Mittelpunkt. Man wollte auf der Erde, im Diesseits, alles erleben, was die Kirche den Gläubigen für das Jenseits versprach. Sitte und Moral waren in der Denkweise dieser Zeit überkommene Begriffe, man machte sich die Moralgesetze selber. Gut war, was einem gut tat. So lebte nicht nur der Adel, auch das Bürgertum und selbst die Bauern hatten nicht mehr den drohenden Finger der Geistlichen vor Augen, man versuchte so viel wie möglich an irdischem Genuß zu erhaschen. Die Städte waren Zentren der Lebenslust, und es galt für Bürger und Bürgerinnen nicht verwerflich, möglichst viele Liebhaber zu besitzen. Man sah nichts Schändliches in der Fleischeslust, im Gegenteil, die Literatur der Zeit rühmte geradezu besonders begehrenswerte junge Männer und Mädchen, die in der Liebeskunst erfahren waren. Man gestattete nicht nur den Männern ungewöhnlich viele Freiheiten, auch die Frauen mußten nicht mehr züchtig zu Hause sitzen und die Kinder hüten, auch sie genossen, wo immer und wann immer sich eine Gelegenheit bot.
In dieser turbulenten Zeit wuchs der junge Ferdinand heran, ohne sich vom Strudel der Sinnlichkeit mitreißen zu lassen, obwohl er, wie sich später herausstellte, durchaus zu großer Leidenschaftlichkeit fähig war. Aber das Mädchen seines Herzens war noch nicht gekommen, er vermißte nichts, wenn er sich nicht für die Frauen am spanischen Hof oder in den Niederlanden interessierte.
Karl und Ferdinand sollten sich erst im November 1517 in dem spanischen Dorf Mojados westlich von Valladolid persönlich kennenlernen. Man kann nicht sagen, daß sich die Brüder von Anfang an nahestanden. Es war Ferdinand, der den Bann brach, indem er seinem älteren Bruder, als sich dieser die Hände wusch, spontan ein Handtuch reichte. Es war nur eine Geste, zeigte aber doch, daß der Jüngere dem Älteren mit der Ehrfurcht entgegenkam, die ihm vom Alter und von seiner Position als zukünftiger Kaiser her gebührte.
Dabei stand es zu dieser Zeit noch nicht einmal fest, daß Karl wirklich als Nachfolger Maximilians Kaiser werden sollte. Die Sympathien einiger Mächtiger galten dem jüngeren Ferdinand. So versuchte auch Margarete, Karl dazu zu bewegen, zugunsten seines jüngeren Bruders auf den Thron zu verzichten. Ob dies der Grund dafür war, daß sich Karl innerlich von seiner Tante zurückzog, obwohl sie für ihn, solange er denken konnte, Ersatzmutter gewesen war, wissen wir nicht.
Natürlich versuchte auch Ferdinand von Aragon, der den jüngeren Enkel über alles liebte, seinen Einfluß geltend zu machen. Karl gab aber sehr deutlich zu erkennen, daß er unter gar keinen Umständen willens war, auf die Kaiserwürde zu verzichten, und auch Ferdinand akzeptierte die Einstellung des Bruders, vielleicht auch deshalb, weil er wissen mußte, daß er im Spiel um die Macht nicht ganz leer ausgehen würde. Schon Maximilian hatte eine Teilung des Reiches vorgeschwebt, er hatte erkannt, daß Gebiete von solch riesigem Ausmaß niemals von einer Person regiert werden konnten. Obwohl er sich seinen Enkeln gegenüber wahrscheinlich nicht äußerte, gibt es genügend Hinweise dafür, daß er der Ansicht war, beide Enkel sollten das Weltreich erben, jeder nach seinen Ambitionen. Merkwürdigerweise war es für Karl selbstverständlich, daß er über Spanien und die überseeischen Gebiete regieren wollte; er hatte aber nicht die Absicht, auf Teile des heutigen österreichischen Gebietes zu verzichten. So wollte er vor allem die