Katharina Schratt. Georg Markus

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Katharina Schratt - Georg Markus

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Um das – jetzt bessere – Angebot Laubes annehmen zu können, reiste sie einfach aus Berlin ab. Katharina Schratt wurde vertragsbrüchig. Es folgte ein langwieriger Prozeß, der sich durch mehrere Instanzen zog. Nach Jahren erst wurde sie endlich vom Wiener Hof- und Gerichts-Advokaten Dr. Max Neuda verständigt, daß sie »von jeder Pönalstrafe befreit« wurde. Die Gerichtskosten, die sie zum Teil bezahlen mußte, waren allerdings beträchtlich. Doch nun war sie an Laubes Stadttheater in Wien.

      DER SKANDAL MIT DER MASKE

       Wiener Stadttheater und Petersburger Zwischenspiel

      Wien, im Frühjahr 1873. In der Rotunde findet die Weltausstellung statt. Kaiser Franz Joseph trifft bei der Eröffnung mit dem russischen Zaren, Kaiser Wilhelm von Deutschland und König Viktor Emanuel von Italien zusammen. Eine Woche später findet die glorreiche Gründerzeit mit dem historischen Börsenkrach ihr jähes Ende. Industrielle, Kaufleute und Bankiers hatten sich zu wilden Spekulationen hinreißen lassen und damit Schiffbruch erlitten. Zahlreiche Pleiten sind die Folge.

      Ein Jahr zuvor hatte Dr. Heinrich Laube die Direktion des neueröffneten Stadttheaters auf der Seilerstätte übernommen. Für die Wiener war das die Sensation gewesen, denn die Person Laubes hatte bereits seit Jahrzehnten für Gesprächsstoff gesorgt. Schon als provokanter Schriftsteller des »Jungen Deutschland« hatte der gebürtige Schlesier solche Aufregung hervorgerufen, daß er in Preußen zu Festungshaft verurteilt wurde. 1848 schloß er sich der Revolution an, später war er, für viele überraschend, Direktor des Wiener Burgtheaters geworden – und zwar einer der erfolgreichsten, die diese Bühne je erlebt hat. Selbst ein bedeutender Autor und Regisseur, pflegte er besonders das klassische Drama und brachte das Hoftheater zu einer neuen Blüte. Laube gilt als Entdecker der Charlotte Wolter und Adolf von Sonnenthals. Auch als Grillparzer-Biograph machte er sich einen Namen.

      Aus dem Burgtheater schied er – wie das in Wien so üblich ist – mit einem Skandal: Nachdem man ihm den Dramatiker Friedrich Halm als neuen »Generalintendanten« vor die Nase gesetzt und Laube einige seiner angestammten Rechte genommen hatte, kündigte er und zog beleidigt ab, um zunächst als Kritiker über die »Burg« und deren neuen Direktor Dingelstedt in verschiedenen Zeitungen herzuziehen. 1872 nahm er dann die erste Gelegenheit wahr, ein eigenes Theater zu gründen – das Stadttheater.

      Kaum war die Schratt bei Laube, stand auch sie sofort im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Nun war sie auch hier – im Gegensatz zu dem Angebot, das ihr Laube noch ein Jahr zuvor gemacht hatte – im »Ersten Fach« engagiert. Sie hatte sich schon in der Theater-Akademie und in der Berliner Spielzeit durch eifriges Rollenstudium ein nicht unbeträchtliches Repertoire geschaffen. So konnte sie jetzt bei Laube eine Rolle nach der anderen übernehmen, ohne sie erst lernen zu müssen. Sie spielte – wie schon in Berlin – die Titelrolle in Heinrich von Kleists Käthchen von Heilbronn, sie war ebenfalls ein Käthchen in Shakespeares Widerspenstiger Zähmung – in jener Vorstellung, in der sie, wie erwähnt, zum ersten Mal von Kaiser Franz Joseph gesehen wurde – und gefiel dem Publikum in unzähligen Komödien und Schwänken als jugendliche Naive.

      Die komödiantische Charakterdarstellerin Katharina Schratt wurde sehr bald das Zugpferd des Stadttheaters, ihr Name auf dem Spielplan garantierte volle Häuser. Doch hatte es die völlig subventionslose Bühne trotz aller Erfolge nicht leicht, sich gegen die Konkurrenz des mit fast grenzenlosem Reichtum ausgestatteten Hofburgtheaters durchzusetzen. Zudem waren am »Schwarzen Freitag«, dem großen Börsenkrach, auch etliche der privaten Financiers Laubes in arge Schwierigkeiten geraten. Laube, dessen aufwendige Inszenierungen immer kostspieliger wurden, überwarf sich mit seinen Geldgebern und legte – wieder einmal – die Direktionsgeschäfte nieder. Fräulein Schratt fühlte sich ihrem eigentlichen Entdecker und Förderer gegenüber verpflichtet und kündigte ebenfalls.

      Waren die Eltern froh gewesen, ihr Töchterchen vom entfernten Berlin wieder im nahen Wien zu haben, so stürzte sie die Kathi nach ihrem Abgang vom Stadttheater in noch ärgere Verzweiflung. Diesmal nahm sie nämlich ein Engagement an, das sie noch viel weiter von zu Hause forttreiben sollte: Sie ging an das Deutsche Hoftheater der Zarenresidenz Petersburg. Doch währte dieses Engagement nur kurze Zeit. Nachdem sich Laube wieder mit seinen Geldgebern geeinigt hatte, kehrte auch Katharina Schratt nach Wien zurück. Aus ihrer Korrespondenz mit den Eltern geht hervor, daß sie es allerdings »auch ohne Stadttheater-Angebot nicht mehr lang in Petersburg ausgehalten hätte«. Das Heimweh war zu groß.

      Wieder in Wien, spielte sie nun fast en suite, Laube versuchte die Schratt so oft wie möglich einzusetzen. Sie war das Gretchen in Goethes Faust (ein Kritiker machte ihr in dieser Rolle das Kompliment: »Frl. Schratt war ein Gretchen, das lügt, wenn es sagt ›bin weder schön …‹, in dieser Richtung kann sie wahrlich mit allen Gretchens des deutschen Sprachraums in die Schranken treten«), sie spielte die Lebensgeschichte der gefeierten Soubrette Therese Krones in dem gleichnamigen Musikstück von Karl Haffner. Jubel bei der Presse und im Publikum – nur eine Einschränkung gibt es: »Mit dem Singen ist es freilich nichts.« Die Schratt war tatsächlich vollkommen unmusikalisch.

      Laube war nicht nur ein hervorragender Theatermann, der sich hinter den Kulissen zu produzieren verstand, er wußte auch immer wieder, für sein erfolgreiches Haus Reklame zu machen.

      Im Oktober 1878 wagte er sich – mit Katharina Schratt in der weiblichen Hauptrolle – an ein Stück heran, das schon einmal in Wien für einen Theaterskandal gesorgt hatte. Friedrich Spielhagens Hans und Grete war wenige Jahre zuvor am Burgtheater mit großem Erfolg uraufgeführt worden. Doch schon nach der ersten Vorstellung erschien es nie wieder auf dem Spielplan. Man rätselte damals, warum das Stück mit dem gefeierten Adolf von Sonnenthal in der Hauptrolle vom Repertoire gestrichen worden war. Nach der Schratt-Premiere am Stadttheater brachte die Deutsche Zeitung endlich Aufklärung: »Heute kann man es wohl sagen, daß es eine Maske war, die dem Stück den Gnadenstoß versetzte. Herr Sonnenthal, der in dem Herzog eine geradezu hinreißende, unübertreffliche Leistung geschaffen hatte, wählte zufällig eine Maske, die lebhaft an den Coburger Herzog Ernst erinnerte. Ein hochgestellter Beamter, welcher der Theater-Vorstellung beigewohnt hatte, war von diesem Zufall so unangenehm berührt, daß er der Direction des Burgtheaters den Wink zugehen ließ, das Stück solle nicht mehr gegeben werden. Der Wink genügte.«

      Ein Schauspiel, das bereits einmal verboten worden war, lockte die Wiener natürlich verstärkt ins Theater. Der »Fall« des Coburger Herzogs war jetzt Gesprächsstoff und viele wollten das Stück sehen. Dank der Schratt, »die in der Grete eine prächtige Gestalt voll Wärme und tiefer Empfindung lieferte«, wurde die Inszenierung nicht nur ein geschäftlicher, sondern auch ein künstlerischer Erfolg.

      Katharina Schratt war bereits ab Mitte der siebziger Jahre eine ungeheuer populäre Frau, also noch lange bevor man sie mit dem Kaiser in Verbindung bringen konnte. Wobei Popularität damals eine noch viel intensivere Form der Verehrung kannte als etwa heute. Nach jeder Vorstellung bildeten sich neben dem »Bühnentürl« mehrere hundert

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