Katharina Schratt. Georg Markus

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Katharina Schratt - Georg Markus

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verfügte ich mich in Strakosch’ Begleitung und mit meiner Adjutantin zu Laube. Er saß, als wir eintraten, an seinem Schreibtisch und schrieb. Strakosch stellte mich vor und Laube knurrte, während er mich strenge anschaute: ›Also, das ist das junge Frauenzimmer?‹ – ›Ja, Herr Professor!‹, stotterte ich in meiner Angst. – Schöne Müllerin, Grille, brummte hierauf Laube, indem er sich in seinen Sessel zurücklehnte und zum Plafond emporblickte. Ich begann nun diese beiden Rollen zu rezitieren. Nachdem ich zu Ende war, fällte Laube in sanfterem Tone folgendes schmeichelhafte Urtheil über meine Leistung: ›Das ist alles Kalbfleisch! Muß compacter werden! Wollen sehen, was sich machen läßt! Nicht früher anderswo abschließen. Adieu!‹

      Nachmittags begab ich mich zu Ascher. Der damalige Direktor des Carltheaters fixierte mich scharf, als ich mich ihm, von den Aufregungen des Tages halb geistesabwesend, vorstellte, und bat mich, ihm aus Wildfeuer und Ungeschliffen Diamant Einiges vorzusprechen. Während ich spielte, erhob er sich plötzlich und forderte mich kategorisch auf, ihm einen – Kuß zu geben. Diese unerwartete Wendung verwirrte mich derart, daß ich in einen Thränenstrom ausbrach und sagte: ›Ich bitt’, ich möcht’ fortgehen!‹

      Vergeblich suchte mich der über mein convulsives Schluchzen ganz desparate Direktor zu beruhigen. Er schwur, daß ihn mein Spiel zur Bewunderung hingerissen habe und daß er im Übermaß der Freude, eine so ausgezeichnete Künstlerin zu gewinnen, sich zu diesem beim Theater nicht ungewöhnlichen Zeichen der Verehrung habe hinreißen lassen, er habe es ja nicht böse gemeint, etc. Ich konnte mich trotzdem nicht fassen und rief unter Thränen: ›In das Engagement geh’ ich nicht! Ich bitt’, ich möcht’ aussi‹ – Und ich verließ mit meiner schreckensstarren Begleiterin das Haus des zur Bewunderung so hinneigenden Direktors. Nachträglich erinnerte sich Ascher oftmals lachend dieser originellen Scene und versicherte mir, daß er einen so ›dalkerten‹, unwiderstehlich komischen Gesichtsausdruck, wie ich ihn damals zeigte, weder vorher noch nachher jemals gesehen habe.

      Aus diesem dreimaligen Probespiel entwickelten sich für mich recht unliebsame Folgen. Laube und Ascher wollten mich sofort engagieren, während Dingelstedt mir ein fixes Engagement nach einem Probegastspiel anbot. Meine Familie und meine Gönner schwankten so lange zwischen den Anträgen, bis ich endlich keinen einzigen davon annahm und einem mittlerweile vom Berliner Hoftheater an mich gerichteten Rufe Folge leistete.«

      Talent und natürliche Anmut der angehenden Schauspielerin hatten sich tatsächlich bis in die Hauptstadt des Deutschen Reichs durchgesprochen. Dem dortigen Hoftheater-Intendanten Botho van Hülsen genügte es, zu wissen, daß sich die drei führenden Wiener Bühnen für Katharina Schratt interessierten. Ohne sie persönlich kennengelernt, geschweige denn je in einer Rolle gesehen zu haben, gab er ihr einen »Dreijahresvertrag ohne jede Gastspielprobe«.

      Katharina Schratt setzte sich in die Eisenbahn und fuhr nach Berlin.

      ZUNÄCHST BETÖRT SIE KAISER WILHELM

       Berlin und erste Gastspiele

      Alle Theaterdirektoren, denen sie in Wien vorgesprochen hatte, wollten sie engagieren, doch während ihr hier keine besonderen Rollen vertraglich zugesichert worden wären, bot ihr Intendant van Hülsen in Berlin sofort das »Erste Fach« als jugendliche Naive an. Dazu eine recht anständige Gage, nämlich »1200 Thaler, sowie 4 Thaler Spielhonorar pro Auftritt und zwei Monate Urlaub«.

      Begleitet von ihrer Mutter erschien Katharina Schratt also in Berlin. Schon nach ihrem Debüt am 2. April 1872 – sie gab die Titelrolle des Einakters Gustel von Blasewitz von Siegmund Schlesinger – erkannte die Vossische Zeitung »die Schlichtheit und Natürlichkeit« des Fräulein Schratt. Tage später stand sie als Marianne in Goethes Einakter Die Geschwister auf der Hofbühne. Jetzt wurden die Kritiker ausführlicher: »Wohl niemand, der es nicht weiß«, vermerkte einer, »sollte vermuthen, daß eine Anfängerin, die nur wenige Male auf der Bühne gestanden, diese Rolle spielt.«

      Und kein Geringerer als Theodor Fontane konstatierte in der Berliner Presse, auf ihren Wienerischen Tonfall anspielend: »Schaun S’, das nenn’ ich Spiel! Wir haben heute die Pflicht, einen beinah vollkommenen Erfolg zu verzeichnen.« Auch er könne sich »dem Zauber dieser Erscheinung« nicht entziehen. Nur manchmal machte sich »eine Dialektfärbung doch mehr geltend als sie sollte. Das andere, was wir beanstanden möchten, ist das Lachen, das zweimal wiederkehrt.«

      Insgesamt freut sich Fontane, dank der Schratt »dem Blechtrommelgeschmetter auf kurze Minuten enthoben zu werden«, womit er ganz offensichtlich gegen die wesentlich härtere preußische Aussprache der Berliner Co-Darsteller wettert.

      Der Erfolg der Schratt war schon deshalb gesichert, weil sie in Berlin die Nachfolge der wenig beliebten Schauspielerin Bousta angetreten hatte. Bei den Vergleichen der Zeitungen mußte die Österreicherin daher besonders gut abschneiden. Während »die Gestalten des Frl. Bousta nicht künstlerisch« waren und es ihnen »an Natur und Leben fehlte, brachte Frl. Schratt beides mit«.

      Mit den ersten Auftritten Katharina Schratts feierte ein beliebter Darsteller seinen Abgang: Ludwig Dessoir verabschiedete sich vom Berliner Publikum. Als er, Jahrzehnte zuvor, zum ersten Mal auf derselben Bühne gestanden war, wo jetzt die Schratt debütierte, hatte er soeben seinen wirklichen Namen Dessauer durch das wohlklingende »Dessoir« ersetzt. Was sich offensichtlich nicht sofort bis zum Theaterdiener herumgesprochen hatte, denn als der Mime diesen fragte, wie man zur Herrentoilette käme, antwortete das Faktotum des Hauses: »Das kann ich Ihnen sagen, Herr Dessauer, Sie gehen jetzt …«

      »Ich heiße Dessoir«, unterbrach ihn der eitle Schauspieler unwirsch. »Und jetzt sagen Sie mir endlich, wie ich hinkomme!«

      »Jawohl, Herr Dessoir, das Pissauer ist gleich dort hinten rechts.«

      Schon wenige Wochen nach ihrem Debüt am Hoftheater zu Berlin wurde Katharina Schratt zu einem Gastspiel in den romantischen Badeort Ems an der Lahn verpflichtet, was insofern eine besondere Ehre darstellte, als hier alljährlich Kaiser Wilhelm I. seinen Sommerurlaub verbrachte. Was Bad Ischl für Franz Joseph, war Ems für Kaiser Wilhelm.

      Und Wilhelm I. war dann auch der erste Kaiser, den die Schratt zu betören wußte. Der deutsche Korrespondent eines Wiener Blattes vermeldete nämlich im Juni 1872: »Besonders Kaiser Wilhelm hat auch an Fräulein Schratt – um uns nobel auszudrücken – ›einen Narren gespeist‹ und sowohl die Vorstellungen Sie hat ihr Herz entdeckt als Erziehungsresultate und Jugendliebe mit seiner Gegenwart beehrt.« Eine andere Zeitung berichtete: »Der Kaiser fehlte bei keiner Aufführung und schien stets beste Laune mitzubringen.«

      Im selben Sommer gastierte sie auch noch am Badener Stadttheater, wo sie als »Heimgekehrte« gefeiert wurde. Die Lokalblätter begrüßten die erst 19jährige mit wahren Hymnen, sogar eigens für sie verfaßte Gedichte wurden aus Anlaß ihres Einzugs in Druck gegeben und an der Theaterkasse verteilt: »Sei uns begrüßt im Thal, dem trauten, Wo Deine Wiege stand umrauscht … «

      Die nächste Spielsaison brachte der Schratt neue Aufgaben. Das Berliner Fremden- und Anzeigenblatt meldete: »Während Frl. Schratt bisher nur in den naiven Rollen beschäftigt war, zeigte ihr Käthchen von Heilbronn, daß ihr Talent durchaus nicht in enge Schranken gebannt sei, gerade das sentimentale und jugendlich tragische Feld dürfte dasjenige sein, auf dem der Künstlerin die reichsten Lorbeeren erblühen werden.« Der Kritiker brachte noch einen Seitenhieb an: »Etwas lauter könnte Frl. Schratt zuweilen sprechen, das ist aber nur ein kleiner Fehler, leicht abzulegen.«

      Bearbeitet wurde diese Käthchen-Inszenierung von Heinrich Laube, dem Direktor des Wiener Stadttheaters. Er war bei der Premiere selbst anwesend und machte der Schratt während seines Berlin-Aufenthalts ein neuerliches Angebot,

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