Verborgener Ruhm. Dietmar Grieser

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Verborgener Ruhm - Dietmar Grieser

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lehnt diese ab: Sie gibt die kleine Albine in Pflege. Erst, als sie vier Jahre später in dem Bürstenbinder Karl Manninger einen treuen Lebensgefährten findet, der mit ihr nach Mödling zieht und Albine adoptiert, sind Mutter und Tochter endlich wieder vereint.

      Nach Absolvierung der Pflichtschule findet das als äußerst sensibel und hochintelligent beschriebene Mädchen eine Anstellung bei der Post, und als sie mit 18 den Bundesbahninspektor Walter Wittula heiratet, kommt sie, die sich an der Seite ihrer notleidenden Mutter weder Bücher kaufen noch gar ein Musikinstrument erlernen konnte, erstmals mit den schönen Künsten in Berührung: Ihr Ehemann, Sohn der steirischen Volksschriftstellerin Anna Wittula, ist ein leidenschaftlicher Sammler von Kunstbildbänden und KlassikSchallplatten.

      Die 1938 erfolgende Übersiedlung nach Wien ebnet Albine außerdem den Weg zu der im Rodauner Hofmannsthal-Schlößl residierenden Schriftstellerin Maria Grengg, die die 13 Jahre Jüngere – nach einem kurzen Zwischenspiel als Bibliothekarin in Perchtoldsdorf – als Sekretärin zu sich nimmt. Hier lernt Albine Dichtergrößen wie Weinheber und Ginzkey kennen, und da sich die ehemalige Kolo-Moser-Schülerin Grengg nebenbei als Malerin betätigt, findet sie unter deren Fittichen auch Zugang zur Bildenden Kunst: Dem Kärntner Bildhauer Hans Domenig sitzt die gutaussehende Enddreißigerin für eine Madonnenstatue Modell. Als sie bei einem Besuch der Albertina zum erstenmal Dürers Feldhasen sieht, bricht sie vor Ergriffenheit in Tränen aus.

      Worunter Albine Manninger geb. Scheuchl ihr ganzes Leben lang (sie stirbt 1954 im Alter von nur 52 Jahren an Krebs) leidet, ist die Enttäuschung darüber, von Leben und Schaffen ihres berühmten Vaters ausgeschlossen geblieben zu sein. Es kommt zwar zu einigen wenigen kurzen Kontakten zwischen den beiden – einmal, als sie Alban Berg vor dessen Wohnhaus in Hietzing, Trauttmannsdorffgasse 27, um ein Autogrammphoto bittet, ein andermal, als er ihr zur Wiener Erstaufführung seiner Oper »Wozzeck« eine Eintrittskarte zukommen läßt. Das Billett für die Vierte Galerie – Preis 2 Schilling – wird sie fortan wie ein Kleinod hüten.

      Unerkannt wohnt Albine am 28. Dezember 1935 dem Begräbnis ihres Vaters bei. Ist es schon Demütigung genug, sich bei der Zeremonie auf dem Hietzinger Friedhof, zu der sie keinerlei Einladung erhalten hat, einschleichen zu müssen, so trifft es die leidgeprüfte Dreiunddreißigjährige noch um vieles härter, bei dem Versuch, Witwe Helene Berg ihre Aufwartung zu machen, brüsk von der Türschwelle gewiesen zu werden. Dabei hat sie doch nur klarstellen wollen, daß sie – entgegen dem neuen, auch unehelich geborene Nachkommen berücksichtigenden Erbrecht – freiwillig auf den ihr zustehenden Vermögensanteil zu verzichten gedenke … Helene Berg, auch sonst ganz der Typ der gnadenlos-resoluten Künstlerwitwe und der Schrekken aller Verleger, Bearbeiter und Konzertveranstalter, hat wohl allzu gründlich verdrängt, daß sie selber ein »lediges Kind« gewesen ist: Frucht eines flüchtigen Abenteuers der Wiener Korbwarenlieferantin Anna Nahowski mit keinem Geringeren als dem vierundfünfzigjährigen Kaiser Franz Joseph …

      Wie heißt es im 2. Akt von Alban Bergs Hauptwerk, der auf Georg Büchners gleichnamigem Drama basierenden Oper »Wozzeck«? »Unsereins«, so singt, ihr unehelich zur Welt gebrachtes Kind vor Augen, Marie, die junge Mutter, »unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt …«

      Das »Eckchen«, mit dem sich Alban Bergs Tochter Albine hat begnügen müssen, war von besonderer Dürftigkeit. Mit umso größerer Bewunderung kann, wer ihren schweren Lebensweg zurückverfolgt hat, bestätigen: Sie hat das Beste daraus gemacht.

      »Dein ist mein ganzes Herz …«

       Die Auswanderin Gertrude Wagner

      Im allgemeinen meine Emotionen gut unter Kontrolle haltend, lasse ich ihnen umso lieber im Kino freien Lauf. Sitznachbarn, die meine Gefühlsausbrüche mitbekommen, rücken dann mitunter pikiert von mir ab oder lassen zumindest ein gewisses Erstaunen darüber erkennen, daß der alte Esel neben ihnen da so ungehemmt drauflosheult. Besonders schlimm war es bei dem Film »Am anderen Ende der Brücke«, einer österreichisch-chinesischen Coproduktion, die das Schicksal einer Wienerin namens Gertrude Wagner zum Gegenstand hat, die als junges Mädchen ihre europäische Heimat gegen ein gottverlassenes Dorf im Reich der Mitte eintauscht und in den verbleibenden siebzig Jahren mit schier übermenschlicher Energie alle Höhen und Tiefen eines Lebens in der Fremde durchmißt.

      Ich erinnere mich vor allem an eine Szene aus den späten Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in diesem Film, in der Fanny Ebner – so der Filmname der Protagonistin – am Heiligen Abend aus den wenigen zur Verfügung stehenden Zutaten ein Festmahl bereitet, sich todesmutig in das maoistische Umerziehungslager einschleicht, in dem ihr Mann von den Roten Garden festgehalten wird, mit dem ihr brutal Entrissenen Weihnachten feiern will, dabei entdeckt und verjagt wird und die blindwütigen Aufseher nicht nur alles, was ihnen in die Hände fällt, kurz und klein schlagen, sondern vor allem den ihrer Willkür Ausgelieferten neuen, noch martialischeren Drangsalierungen aussetzen.

      Gertrude Wagner lebt zu dieser Zeit bereits 34 Jahre in China. Die ursprünglich verschwindend kleine Gruppe von Österreichern, die hier, fern der Heimat – sei es als Geschäftsleute oder als Angehörige des diplomatischen Dienstes – ihrem Beruf nachgehen, hat 1938, mit dem Anschluß der »Ostmark« ans Großdeutsche Reich und der damit verbundenen Vertreibung der Juden neuen Zulauf erhalten: Allein in Schanghai finden an die 4000 Flüchtlinge Unterschlupf. Doch nur wenigen gelingt es, in der Fremde wirklich heimisch oder gar reich zu werden: Die Mehrzahl muß sich als Hauspersonal, als Fensterputzer oder mit anderen niederen Dienstleistungen durchbringen, und das Zimmer, das ihnen zugewiesen wird, teilt man sich zu dritt oder zu viert.

      Anders Gertrude Wagner, die schon 1934 ins Land gekommen ist – aus freien Stücken und an der Seite eines Einheimischen, der sie von ganzem Herzen liebt und der jungen Österreicherin, wie die Dinge zu liegen scheinen, ein gemeinsames Leben in Wohlstand und Glück verheißen kann.

      Die Angelegenheit nimmt ihren Anfang mit einem Schreiben des Innenministers der Provinz Zhejiang, der im Jänner 1928, um eine durchgreifende Reformierung des Polizeiwesens seines Wirkungsbereiches bemüht, bei der Regierung der für ihre vorbildlichen Verwaltungsstrukturen bekannten Republik Österreich vorfühlt, ob und wie man dabei mit deren Unterstützung rechnen kann. Der dem amtierenden Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel brieflich unterbreitete Plan sieht vor, zirka zehn junge chinesische Polizeioffiziere für die Dauer von drei Jahren zur Ausbildung nach Wien zu entsenden.

      Der Briefwechsel zwischen den Städten Hangzhou und Wien zieht sich zwar hin, doch nach einigem Hin und Her kommt das Projekt zustande, und im Jänner 1931 treffen die zehn Kandidaten, von der Boulevardpresse des Gastlandes neugierig beäugt, auf dem Wiener Ostbahnhof ein. In der Marokkanerkaserne im III. Bezirk beziehen die jungen Chinesen Quartier; die Ausbildung, die für sie mit keinerlei Kosten verbunden ist, liegt in den Händen der Schulungsabteilung der österreichischen Bundespolizei und umfaßt sämtliche Bereiche des Sicherheitsdienstes inklusive Staatsrecht, Strafprozeßordnung, Gewerberecht, Verkehrs- und Meldewesen sowie Kriminologie. Für Waffenkunde und Selbstverteidigungstraining stehen den Zöglingen alle einschlägigen Einrichtungen zur Verfügung, zur weiteren körperlichen Ertüchtigung außerdem Polizeisportplatz und Polizeischwimmschule.

      »Star« der Gruppe, der sich schon bei den Vorprüfungen in China als Bester qualifiziert hat, ist der vierundzwanzigjährige Du Chengrong, der gutaussehende Sohn eines angesehenen Arztes und Gemeinderates aus Hucang, einem Dorf in der näheren Umgebung der alten Kulturstadt Dongyang. Chengrong, ältestes von fünf Kindern und vom Ehrgeiz beseelt, nach seiner Rückkehr in die Heimat im dortigen Staatsdienst zu reüssieren, nützt den Aufenthalt in Wien, sich alle Errungenschaften seines Gastlandes zu eigen zu machen, geht mit offenen Augen durch die für ihn exotische Stadt, besucht Konzerte und Museen, und als er während der Wintersaison die Wiener in Massen zum Gelände des Eislaufvereines am Heumarkt ziehen sieht, borgt er sich Schlittschuhe aus, um sich ebenfalls in dieser für ihn fremden Sportart zu üben.

      Die

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