Wenn man trotzdem lacht. Georg Markus
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Alle Morgen früh, fall ich nieder auf die Knie,
Und ruf alle Götter an, mir zu geben einen Mann!
Mag er bucklig sein – haben auch ein halbes Bein,
Mag er hinken oder stinken,
Nur dass ich nicht bleib allein!
Die Leute haben damals gebrüllt vor Lachen, und Stranitzky war ihr Abgott, eine Art Heinz Conrads der Barockzeit, aber es war nicht unser Humor, bestenfalls ein Vorläufer desselben. Wesentlich näher kommen wir der Sache, sobald wir uns den Pointen des Theatergenies Johann Nestroy nähern. Sein Satz
Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?
würde jedem modernen Kabarettprogramm ebensolche Lacher bescheren wie zu seiner Zeit. Und dieses Zitat von zeitlosem Witz ist nur eines von Hunderten, die er uns hinterlassen hat.
Das Wort Schmäh bedeutet in Österreich eigentlich Lüge, aber unter Wiener Schmäh versteht man den Humor der Bewohner dieser Stadt. Wiener Schmäh haben, heißt nicht einfach lustig sein, er beinhaltet auch Melancholie, Sarkasmus und ein bisserl Bösartigkeit. Der Schmäh war und ist in allen Schichten zu Hause, an der Ringstraße wie in der Vorstadt, auch wenn er da nasal und dort im tiefsten Dialekt vorgetragen wird. Den Wiener Schmäh beherrschen Sektionschefs und Prostituierte, Kutscher und Rechtsanwälte, Oberärzte und Unterläufel.
Eine Frau war gestorben. An ihrem offenen Grab stand ihr Gatte neben dem Hausfreund. Der Hausfreund war völlig gebrochen und weinte fassungslos. Schließlich legte der Gatte tröstend seinen Arm um die Schulter des anderen und meinte: »Nimm’s nicht so schwer. Ich werde sicher noch einmal heiraten!«
Während die Deutschen den Wiener Schmäh – so sie ihn mundartlich verstehen – im Allgemeinen lieben und heute noch für dessen große Vertreter Hans Moser, Paul Hörbiger und Peter Alexander schwärmen, kommt es umgekehrt selten vor, dass der Wiener für deutschen Ulk – auch Schnurre, Klamauk oder Narretei genannt – ein besonderes Faible entwickelt, Loriot und Heinz Erhardt vielleicht ausgenommen. »Der Wiener fällt auf den Schmäh nur selten herein«, meinte Wiens Lokalphilosoph Jörg Mauthe, »der Fremde aber mit Sicherheit. Er nennt’s dann Wiener Charme«.
Zu Österreichs bedeutendsten Satirikern neben Nestroy und Raimund zählen Karl Kraus, Egon Friedell, Alfred Polgar, Fritz Grünbaum, Helmut Qualtinger und Karl Farkas – um mit einer wirklich winzig kleinen Auswahl anhand weniger Beispiele zu beginnen.
Karl Kraus:
Der Wiener wird nie untergeh’n, sondern im Gegenteil, immer hinaufgehen und sich’s richten.
Egon Friedell:
Gott nimmt die Welt nicht ernst, sonst hätte er sie nicht schaffen können.
Alfred Polgar:
Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.
Fritz Grünbaum:
Auf einen Mann, der Geschichte macht, kommen mindestens tausend Frauen, die Geschichten machen.
Karl Farkas:
Gott hat aus dem Chaos die Welt erschaffen, und wir haben aus der Welt ein Chaos gemacht.
Helmut Qualtinger:
Das Problem für jeden Wiener: Man kann es in Wien nicht aushalten. Aber woanders auch nicht.
Neben diesen und Dutzenden anderen Großen des Wiener Humors haben sich die »kleinen Leute«, wie erwähnt, ihren eigenen Schmäh geschaffen: den Witz – und mit ihm eine Reihe von Witzfiguren. Da wären einmal der Altgraf Bobby und dessen nicht minder vertrottelter Gefährte Rudi.
Bobby und Rudi sind zu den Olympischen Spielen geladen. Bobby fragt, während er die Leichtathleten beobachtet: »Sag, verstehst du das, Rudi, warum rennen denn die Leut’ ständig auf dem Platz hintereinander her?«
»Natürlich«, entgegnet der Freund, »das ist ein Wettrennen. Einer wird der Erste und gewinnt.«
»Aha, verstehe«, sagt Bobby. »Aber warum rennen dann die anderen?«
Zum ehernen Bestand unter Österreichs Witzfiguren zählt auch die neureiche Frau Pollak, die parvenühaft und ungeübt im Gebrauch von Fremdwörtern als Quelle immer wieder neuen Gelächters lebendig bleibt:
»Stellen Sie sich vor, Frau Pollak, in New York wird alle fünf Minuten ein Mann überfahren!«
»Mein Gott, der Arme!«
Zu den Fixpunkten im österreichischen Humor gehören des Weiteren die Witze über die Burgenländer, die ausgerechnet dann ihre Hochkonjunktur erlebten, als einer aus ihren Reihen – nämlich Fred Sinowatz – österreichischer Bundeskanzler wurde:
Warum lagern die Burgenländer so viele leere Weinflaschen im Eiskasten? – Es könnt’ einmal wer kommen, der nix trinken mag.
»Was Humor ist, das hat wohl noch niemand zu erklären vermocht«, meinte Egon Friedell, »und ich glaube, schon der bloße Versuch, diesen Begriff näher bestimmen zu wollen, ist ein Beweis von Humorlosigkeit.«
Da ich mich dieser Gefahr nicht aussetzen will, wende ich mich der ungleich humorvolleren Praxis zu.
* Josef Anton Stranitzky (1676–1726) schuf die Figur des Wiener »Hanswurst«
»Am liebsten ließe ich mich von mir scheiden« Die Kabarettgenies Fritz Grünbaum und Karl Farkas
Mit diesem Zitat von Egon Friedell sind wir in den 1920er Jahren, der Blütezeit des Kabaretts und der Satire, angelangt. Unterhaltungskanonen wie Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Hermann Leopoldi, Armin Berg und Paul Morgan brachten das Publikum zum Lachen, dazu kamen die literarischen Kabaretts um Peter Hammerschlag und Jura Soyfer und geniale Satiriker wie Karl Kraus, Anton Kuh, Roda Roda, Alfred Polgar und Friedell eben. Egal, ob es damals um bloße Unterhaltung oder um politisch-zeitkritische Texte ging – alles spielte sich auf höchstem Niveau ab.
Die Zeiten waren schlecht. Und das war die beste Voraussetzung dafür, dass Kabarett und Satire mehr Zuspruch fanden als je zuvor. Die mächtige Monarchie war nach einem grausamen Krieg zur kleinen, bedeutungslosen Republik geworden, deren Bewohner hungern und frieren mussten und auch noch in eine gigantische Inflation schlitterten. Der kürzeste Witz in dieser Zeit:
Treffen sich zwei Kaufleute: »Servus, was treibst du?«
»Preise!«