Wenn man trotzdem lacht. Georg Markus
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Ich hab einen Hass auf das Publikum!
Ich schwör’s – ich schau mich nicht einmal um.
Wenn ich hier auf dem Podium steh
Und notgedrungen hinunterseh –
Natürlich – jetzt schrei’n Sie sofort drauf »Oho!«
Aber was soll ich mir tun? Es ist trotzdem so.
Und wenn Sie auch schrei’n, dass die Ohren mir klingen
Sie können ja doch nicht zur Liebe mich zwingen!
Im Herbst 1922 sprang dem 29-jährigen Schauspieler Karl Farkas im Wiener Tagblatt das Inserat »Das Cabaret Simplicissimus sucht Nachwuchskräfte« ins Auge. Er bewarb sich als »Blitzdichter« und forderte Kabarettdirektor Egon Dorn bei seinem Vorstellungsgespräch auf, ihm aktuelle Themen oder prominente Namen zu nennen, auf die er ein Gedicht machen würde. Dorn rief ihm »Leo Slezak« zu, worauf Farkas in der Sekunde dichtete: »Glaubt mir, dass ich euch keinen Schmäh sag’, der beste Sänger ist der Slezak.« Der junge Schauspieler wurde engagiert und trat von nun an täglich im Simpl auf. Das Publikum rief ihm die Namen berühmter Künstler zu, die er zu Kurzgedichten formte: »Die Frau, der ich mein Interesse lieh, das ist die Paula Wessely.« Als ihm eines Abends der Name des Geigers Jan Kubelik zugerufen wurde, »blitzdichtete« Farkas gleich vierzeilig:
Wenn ich in der Stube lieg’,
Denk ich an den Kubelik.
Der hat sogar bei Richard Strauss,
Die allerbeste Strichart ’raus.
Farkas war am 28. Oktober 1893 als Sohn des aus Ungarn stammenden Schuhfabrikanten Moriz Farkas in Wien zur Welt gekommen. Die Vorzeichen, Schauspieler oder gar Kabarettist zu werden, standen schlecht, denn sein Vater bekämpfte die künstlerischen Neigungen seiner beiden Söhne vehement. Bis es zu einer Katastrophe kam. Karls neunzehnjähriger Bruder Stefan wollte akademischer Maler werden, wurde aber vom Vater gezwungen, in die familieneigene Schuhfabrik einzusteigen. Da erhängte sich Stefan Farkas in seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung.
Der Vater erkannte nun, wohin sein autoritäres Verhalten geführt hatte. Noch unter schwerem Schock stehend, sagte er zu Karl, für den er bereits eine Karriere als Rechtsanwalt vorgesehen hatte: »Mein Sohn, ich will dich zu nichts zwingen. Mach deine Matura und werde dann, was du für richtig hältst.«
Karl Farkas absolvierte die Handelsakademie und die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien. Nach dem Krieg rüstete er als Leutnant ab, war als Schauspieler, Opern- und Operettenregisseur in Olmütz, Mährisch-Ostrau und Linz tätig.
Im Herbst 1921 kam er an die Neue Wiener Bühne, spielte Klassiker und Komödien. »Doch auf die Idee, Kabarettist zu werden, wäre ich nie gekommen«, erzählte er später, »da Kabarettisten für mich in dieser Zeit noch zur Gattung niederer Lebewesen zählten.«
Die Inflation der frühen Zwanzigerjahre machte es nötig, über den eigenen Schatten zu springen und sich um einen Nebenerwerb zu kümmern, um überleben zu können.
Farkas wurde nach seinem Vorsprechen im Simpl sehr bald als neuer Star unter den Wiener Kabarettisten gefeiert und war über Nacht eine Berühmtheit. Die Wiener stürmten das Kabarett auf der Wollzeile, um die neuesten Farkas-Reime zu hören – etwa in dem Lied Pflückt ein Mädel Ribisel zur Musik von Ralph Benatzky:
In Wien geht man so gern auf Urlaub,
Genießt die Wälder im Naturlaub.
Doch muss man, ist die Kasse klein,
Sich in Gastein kastein.
Und statt ans Mittelmeer zu fahren,
Hat man keine Mittel mehr zu fahren.
Im Schrebergarten pflückt man heut’,
Die Urlaubsfrüchte mit der Maid:
Pflückt ein Mädel Ribisel,
Zwickt man sie ins Knie bissl.
Pflückt das Mädel Orchideen,
Kriegt sie häufig Storchideen.
Pflückt der Jüngling grüne Mandeln,
Kriegt er Sehnsucht anzubandeln.
Pflückt er mit ihr Rosmarien,
Was geht’s uns an, loss’ mar ihn …
Neben Grünbaum zählte nun auch Farkas zur ersten Garnitur der Conférenciers, für deren Berufsstand er selbstverständlich eine originelle Beschreibung fand:
Ein Conférencier ist ein Mann, der dem Publikum möglichst heiter zu erklären versucht, dass es heutzutage nichts zu lachen gibt.
Doch im Mittelpunkt blieb weiterhin Farkas’ Genie als Blitzdichter. »Es war atemberaubend«, erinnerten sich Simpl-Besucher, »die Leute riefen ihm die dümmsten Sachen zu – und Farkas machte daraus in Sekunden ein kluges Gedicht«. Als etwa der in Genf beheimatete Völkerbund 1922 den Sanierungsplan für Österreich genehmigte, »schüttelte« Farkas den Unterschied zwischen »Frankfurtern« und »Wienern« aus dem Ärmel:
Die Frankfurter werden mit Senf garniert,
Die Wiener werden in Genf saniert.
In dem 1912 als Biercabaret Simplicissimus eröffneten Etablissement – es ist heute das älteste bestehende deutschsprachige Kabarett – traf Farkas auf den kongenialen Fritz Grünbaum, mit dem er nun die ursprünglich aus Budapest kommende Doppelconférence etablierte.
FARKAS: Ich gehe vorgestern über die Straße – ein gellender Pfiff, ein Mann in jagender Hast an mir vorbei, trägt einen Frauenhut.
GRÜNBAUM: Auf dem Kopf?
FARKAS: In der Hand! Hinter ihm die Polizei. Der Mann hatte nämlich in dieser Nacht viermal in ein und demselben Modesalon einen Einbruch verübt.
GRÜNBAUM: Da muss er ja den ganzen Laden ausgeräumt haben.
FARKAS: Nein, einen einzigen Hut hat er gestohlen – für die Frau, die er liebt!
GRÜNBAUM: Warum musste er wegen eines Hutes viermal einbrechen?
FARKAS: Sie hat ihn immer wieder zurückgeschickt – umtauschen!
Neben ihrer Arbeit fürs Unterhaltungskabarett drehten Grünbaum und Farkas Filme, sie schrieben und übersetzten Stücke, Revuen und Textbücher, inszenierten und waren Theaterdirektoren. Farkas bekanntestes Stück war Die Wunder-Bar, er textete den Evergreen